Nach dem Abendessen flitzte ich schnell nach oben in mein Zimmer. Ich hatte nur wenige Minuten Zeit, um die Schuluniform loszuwerden und daran zu denken, bevor Blaze hereinstürmte und anfing Fragen zu stellen.
Soll ich noch schnell duschen? Schaffe ich das überhaupt?
Unsicher, ob ich überhaupt Zeit dafür hatte, sprang ich dennoch unter die Dusche und sprintete danach mit einem Handtuch um die Hüfte vor den Kleiderschrank. Meine Muskeln spannten sich an, weil ich bange davor hatte, was auf mich zukommen würde.
Genau so war mir nicht klar, was ich anziehen sollte. Schon daran schien es bei mir zu scheitern, dass ich vor Nervosität beinahe alles abblassen wollte.
Was soll ich bei meinem Vorhaben anziehen? Muss ich ein Hemd tragen? Wäre das overdressed?
Eigentlich habe ich Aella meine Gefühle bereits verschwitzt und in einem schäbigen Jogginganzug gestanden...
Ich zog ein Hemd heraus und betrachtete es, als könnte es mir eine Antwort geben. Mehrere Sekunden starrte ich auf den weißen Stoff. Es ließ mich noch einmal überlegen, wenn auch nur kurz, um einen klaren Kopf zu bekommen. Halbwegs.
In einem Hemd... nein, dann sieht mich Blaze und fragt, was ich mache. Ein Pullover, Jeans... aber das Hemd sieht schicker aus, oder? Soll ich schick sein? Wenn ich einen Pullunder darüber trage, dann... macht das den Look legerer? Ja, das funktioniert. Brauche ich eine Jacke? Dumme Frage, ich darf nicht wieder krank werden. Dunkle Jeans. Welche Schuhe? Anzugschuhe? Ist das zu dick aufgetragen? Nein, lieber nicht. Schlicht. Genau, schlicht.
Ich betrachtete mich im Spiegel und strich meine Kleidung glatt, nachdem ich sie angezogen hatte. Vor Aufregung kribbelten meine Finger und meine Beine schlotterten leicht. Ich musste tief einatmen, um ruhig zu bleiben und meine Nerven zu beruhigen.
Alles gut, locker bleiben.
Ich warf einen Blick auf die Uhr und beeilte mich, meinen Rucksack zu packen, da Blaze dachte, dass ich zum Lernen gehen würde. Ich hatte zwar vor, mehr herauszufinden, aber nicht unbedingt das, was mein bester Freund vermutete.
Ich griff nach einer Taschenlampe, Taschentüchern, Wasser und einem Notfallset mit Pflastern. Mir war nicht klar, aus welchem Grund ich die Dinge in den Rucksack warf.
Reicht das aus? Benötige ich noch etwas anderes?
Gerade als ich die Tasche schloss, kam Blaze hereingetrottet. Er machte keine Bemerkung, was mir das Gefühl gab, dass alles gut war. Ich wirkte natürlich. Im Grunde war das, was ich tun wollte auch nichts Verbotenes. Nur fühlte es sich wie eine Straftat an.
»Wann kommst du zurück?«, fragte Blaze mich und warf sich seufzend auf einen Sitzsack. Er schmollte vor sich hin. Ich zuckte nur mit den Achseln, weil mir nicht klar war, wie lange ich wegbleiben würde. Für so etwas setzt man keine Zeiten fest.
Blaze warf frustriert seinen Kopf zurück. »Niemand ist da, selbst Ale ist beschäftigt.«
Ja, sie beschäftigt sich seit langem mit mir.
»Spiel doch online Mario Kart mit deinem neuen Kumpel Bastien«, schlug ich nicht erstgemeint vor. Mein Freund streckte sich nach den Controller seiner Switch aus und warf mir einen spöttischen Blick zu.
»Die Rolle meines besten Freundes ist bereits an dich vergeben, du Spacko.«
Ich erstarrte bei seinen Worten. Ein flaues Gefühl sammelte sich in meinem Magen an. Mein schlechtes Gewissen begann sich zu melden. Mir war, als ob ich meinen Freund hinterging.
Meine Mundwinkel senkten sich und ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Mir war nur klar, dass ich Aella nicht länger warten lassen wollte. Die Zeit durfte nicht einfach weiter verschwendet werden. Ich musste um jeden Preis mit ihr sprechen.
Wenn du es wüsstest, würdest du mich in meinem Vorhaben unterstützen, Blaze?
Mein Hals schnürte sich zusammen und ich schluckte schwer. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte zu lächeln, auch wenn ich mich nicht danach fühlte.
»Wieso sieht dein Gesicht aus wie das des Jokers?«, fragte Blaze mich mit verzogenem Gesicht. Mir war nicht klar gewesen, dass ich so gequält aussah. Ich stand auf, warf mit den Rucksack mir einem Ruck über die Schulter und legte dann meine Hand auf seine Schulter. Ich drückte sie. Mir war nicht mulmig zumute.
»Seit wann bist du so sentimental«, ärgerte ich ihn. Blaze schnaubte und rollte mit den Augen. »Ich liebe dich, Blaze, und wenn ich es dir nicht sage, heulst du vielleicht«, teilte ich ihm mit und musste schief grinsen. Vielleicht sorgten die Worte dafür, dass ich ein besseres Gewissen bekam.
Blaze schob eine Lippe vor. »Ich fühle mich gerührt, aber musst du nicht los?«, erinnerte Blaze mich. Sein Gesicht sah so aus, als ob seine große Schwester ihn ärgerte. Er wirkte jünger, als er war.
Hintergehe ich meine Freundschaft?
»Hör auf, mich so anzuschauen, als wolltest du mich abknutschen. Ich weiß, dass ich bezaubernd bin, aber das geht mir zu weit, Hayden. Du solltest doch woanders sein, oder nicht?«, erinnerte Blaze mich wieder.
Ich hatte nur für einen Moment den Eindruck, als wollte er mir sagen, dass er mich unterstützte. Mich erinnerte, dass Aella auf mich wartete. Ich drückte noch einmal seine Schulter, weil ich dankbar war. Dankbar dafür, dass ich einen Freund hatte, auf den ich mich verlassen konnte.
Nur wusste ich nicht, ob ich das auch von mir selbst behaupten konnte.
Ich drehte mich zur Tür und zögerte, als ich Blaze hinter mir hörte.
»Ich liebe dich auch, Bro.«
Ich hoffe, du kannst mir eines Tages verzeihen.
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More Than Me - Cardell Academy II (German)
Teen FictionWar ich schon immer ihre letzte Wahl? Wieso reicht es mir nicht mehr aus, die letzte Wahl zu sein? Ich will der Erste sein. Der verdammte ERSTE. -•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-• Ich kann nicht mehr... ›Ich hoffe du erstickst an all deinen Lügen...