Ayla
Angst. Sie war mein ständiger Begleiter.
Sie ist mein ständiger Begleiter.
Ich hatte schon viele Arten von Ängsten erlebt, die mich heimgesucht und in Panik versetzt hatten. Sie waren immer unterschiedlich und doch so gleich. Doch was ich vor mehr als einer Woche in Milans Keller gefühlt hatte, war selbst für mich als Angsterprobte neu.
Ich hatte um mein Leben gefürchtet. Ich hatte ihn gefürchtet.
Kaum, dass ich das Haus verlassen hatte, war meine erste Überlegung zu einem der Nachbarhäuser zu rennen. Dort könnten sie Polizei holen. Doch Milans Worte wogen schwer.
Wer weiß, wer mir glauben würde, wenn ich dort so durcheinander aufgetaucht wäre, wie ich mich gefühlt hatte. Und selbst wenn ich die Nachbarn hätte überzeugen können ... was wären die Beweise? Milans Worte?
Wenn er den Keller so schnell umgeräumt hätte, wie er es angedroht hatte, dann wären sie das Einzige, was übrigblieb. Und das war nichts ... denn ich war nichts.
In Anbetracht meiner gut dokumentierten Historie an mentalen Krankheiten würde jeder Anwalt meine Aussagen in der Luft zerfetzen.
Natürlich hätte ich auch anbringen können, dass ich sediert wurde. Aber wie Milan meinte, war das Mittel eventuell gar nicht mehr nachweisbar. Und auch hier hatte ich nichts ... ich war unversehrt. Körperlich zumindest. Es wäre noch nicht einmal ein Aussage-gegen-Aussage-Dilemma. Die Polizei würde direkt davon ausgehen, dass ich mir alles einbildete.
Ich hatte keine Chance.
Doch was mich fast am meisten wurmte. Trotz dieser ganzen Geschichte ... dieser ganzen ungeheuerlichen, schlimmen Geschichte empfand ich Liebeskummer. Wie egoistisch und dumm.
Und trotzdem fehlte er mir.
Außerdem fragte ich mich, wie ich so falsch hatte liegen können. Wie ich ihm hatte vertrauen können. Es hatte sich alles so nah und intim angefühlt mit ihm. So richtig. Vielleicht war ich tatsächlich wahnhaft und konnte Realität nicht mehr von Illusionen unterscheiden. Und die Illusion, die ich offensichtlich von ihm hatte, war stark gewesen. Nie hätte ich gedacht, dass ich das Bett mit einem Mörder geteilt hatte.
Erneut peinigte Selbsthass meine Gedanken und Fragen. So viele offene Fragen. Am liebsten würde ich zu meinem Handy greifen und Milan damit bombardieren. Aber das ging nicht. Ich durfte ihm nie wieder schreiben, musste ihn aus meinem Kopf vertreiben und mich am Riemen reißen.
Mit angestrengtem Blick versuchte ich mich durch die verdreckte Scheibe des Busses auf die Leitplanken zu konzentrieren, die in regelmäßigen Abständen am Straßenrand auftauchten.
In dem Moment ergriff Fee, die auf dem abgewetzten Sitz neben mir saß, meine Hand und drückte sie.
"Du wirst sehen, Ayla, es wird wieder besser." Ihre Stimme klang aufmunternd. "Der Liebeskummer wird weggehen. Wie immer. Und das Festival wird dir bestimmt guttun, um dich etwas abzulenken."
Das Festival ... wie unvorstellbar und geradezu makaber, dass ich so kurz nach alldem auf ein Musikfestival fuhr. Natürlich wusste Fee nicht, was passiert war. Sie wusste nur, dass es mit Milan vorbei war. Wir passten nicht zueinander. Eine Aussage, die ihre Vermutung bestätigte und daher kaum hinterfragt wurde.
Ich hätte ihr so gerne alles erzählt. Es drängte mich mit jemandem zu sprechen. Aber sie würde mich zur Polizei schleifen. Oder noch schlimmer. Mich für verrückt erklären.
"Du bist besser ohne ihn dran", flüsterte sie wie so oft und hielt meine Hand weiter fest.
Ich nickte, fühlte mich aber nicht besser. Und ein winziger, verhasster Teil von mir vermisste ihn. Ich hatte das Gefühl, das wir etwas miteinander geteilt hatten, was ich noch nie mit jemandem geteilt hatte.
"Vielleicht hätten wir Gnomi mitnehmen und auf dem Festival zertrümmern sollen", murmelte Fee.
Tatsächlich entlockte es mir ein Lachen. Gnomi ...
Nachdem ich tagelang nicht mein Zimmer verlassen hatte, maximal um auf die Toilette zu gehen, war Fee irgendwann in mein Zimmer gerauscht und hatte mir einen Tonklumpen vorgesetzt. Es war eine Packung aus dem Bastelladen für Kinder.
"Was soll ich damit?", hatte ich gefragt.
"Na, Trauerbewältigung", war es von Fee zuversichtlich gekommen. Sie war der Überzeugung, dass es mir guttun würde, meinen Frust und Kummer über die gescheiterte Beziehung kreativ auszudrücken. Außerdem wäre ich ewig nicht mehr als Bildhauerin aktiv gewesen. Ich hatte schmunzeln müssen. Auf eine Erklärung des Unterschieds zwischen Skulptur und Plastik ihr gegenüber verzichtete ich. Eigentlich war ersteres meine Leidenschaft gewesen. Als Kind und auch Jugendliche hatte ich so gerne mit Werkzeugen Figuren aus Holzblöcken geformt. Aus etwas Unscheinbarem wie einem schlichten Block etwas Besonderes hervorzuholen, hatte meine Seele erfüllt. Ein Hobby, das bei meinen Eltern auf wenig Begeisterung gestoßen war. Zu viel Dreck und wenig ansehnlich. Stattdessen hatten sie mich lieber zum Ballettunterricht und Klavierstunden gezerrt. Im Gegenzug – und natürlich bei sehr guten Noten – durfte ich zumindest ab und an die Planen in meinem Zimmer ausbreiten und mich kreativ austoben. Kleine Momente der Flucht und des Abschaltens zwischen Schule und Familie.
Seit dem Beginn meines Studiums hatte ich jedoch nicht mehr gewerkelt. Bei all den ganzen Klausuren und Hausarbeiten war es hintenübergefallen. Dementsprechend eingerostet waren meine Fertigkeiten beim Formen des Tons.
Ich dachte jedoch dabei an Milan. Nicht das äußere. Der gutaussehende Arzt mit dem schönen Haus. Auch nicht die vermeintlich guten Eigenschaften, die er besessen hatte. Ich hatte beim Formen den Teil seines Charakters vor Augen, den er in diesem Kellerraum gezeigt hatte. Schlecht, böse, verkommen.
So sah die Tonfigur dann auch aus. Ein deformierter, schrumpeliger Gnom, der leidend dreinschaute. Auch wenn Fee zwischen Schock und Lachanfall stand, fand ich ihn perfekt. Er traf ihn perfekt.
"Ich habe hier übrigens noch etwas, das beim Ablenken helfen kann", wisperte Fee und riss mich aus meinen Gedanken.
In ihrer Hand erblickte ich zwei kleine weiße Pillen.
"Was ...", entfuhr es mir entsetzt.
Fee schloss die Hand und hielt einen Finger vor ihre Lippen. "Psst, nicht so laut."
"Woher hast du die?" Eigentlich sollte es mich nicht überraschen. Es war nicht ihr erster Trip. Allerdings hatte ich auf ein cleanes Wochenende gehofft.
"Weißt du noch die beiden nerdy Typen, die wir auf dem Konzert vor Monaten kennengelernt hatten?"
"Ja, grob."
"Nachdem es dir so schlecht ging, habe ich den einen, mit dem ich damals auch was hatte, angeschrieben und der hat mir die besorgt."
"O Mann." Ich stöhnte. "Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist."
"Doch, doch. Wir machen uns gleich im Hotel ready und schick und dann gönnen wir dir etwas Seelentrost."
"Ich weiß wirklich nicht ...", widersprach ich, aber konnte meinen Satz nicht beenden.
"Ich passe auf dich auf. Versprochen. Das ist auch nix wildes. Nur ein bisschen Emma."
"Nur." Ich lachte auf.
"Ja, auch gar nicht hochdosiert. Gibt uns nur ein bisschen Push." Fee giggelte. "Vielleicht hilft es dir auch, einen neuen Milan zu finden."
Am liebsten hätte ich geschrien. Bitte nicht. Einer war bereits zu viel. Für mich. Für die ganze Welt. Allein die Erwähnung seines Namens riss die frischen und notdürftig gefixten Wunden wieder auf. Warum tat es immer noch so weh?
Mit einem Seufzen nahm ich ihr eine der Tabletten ab. Ich wusste zwar nicht, woher sie wissen wollte, dass es niedrig dosiert war, aber vielleicht war es auch egal. Alles war egal. Ich konnte nichts tun, fühlte mich machtlos und verloren. Und allein. Vielleicht betäubte die kleine Wunderpille zumindest einen Teil der Gefühle. Aber vielleicht versetzte sie meiner ohnehin labilen Psyche, wie Milan es ausgedrückt hatte, den Gnadenschuss. Ich wäre nicht traurig drum.
Flüssiges Glück pumpte durch meinen Körper, während ich zwischen den tanzenden Leuten weilte und die Musik auf mich niederprasseln ließ. So musste sich der Goldregen anfühlen, der an Silvester vom dunklen Firmament rieselte. Der Bass dröhnte im Takt mit meinem Herzschlag. All die deprimierenden Gedanken, die mich Stunden zuvor nicht hatten loslassen wollen, waren nicht mehr als leere, schale Hüllen. Ich spürte nur das berauschende Glück, das meinen Körper erfüllte. Wie kleine U-Boote vollgepackt mit winzigen, runden Glückssmileys, die durch meine Blutbahnen schwammen und hier und da ein paar über Bord warfen. Am liebsten wollte ich die ganze Welt umarmen oder die Musik.
Die Klänge von House und Elektro, die sich stetig zum Höhepunkt aufbauten, bevor der Beat droppen würde. Konnte man Musik umarmen?
Man konnte sie zumindest fühlen und sie fühlte sich so gut an.
"Aylaaa", kreischte eine vertraute Stimme hinter mir.
Volltrunken von Dopamin und Musik drehte ich mich.
Fees Gesicht tauchte vor mir auf und sie umarmte mich. "O mein Gott, ich habe dich gesucht." Besorgt klang sie nicht. Warum sollte sie auch? Warum sollte überhaupt jemand besorgt sein? Dafür war doch alles zu perfekt und schön.
Es kribbelte in meiner Brust und ich erwiderte ihre Umarmung, spürte ihre Haut auf meiner.
Sie drückte mir zwei dicke Schmatzer auf die Wange. Ich war so happy, sie bei mir zu haben.
"Danke, dass du hier bist." Die Worte flossen aus meinem Mund, ohne dass ich sie bremsen konnte.
Sie nahm mein Gesicht in die Hände und prüfte – ganz die fürsorgliche die sie war – meine beiden geflochtenen Zöpfe, an denen sie im Hotel mindestens eine Stunde rumgebastelt hatte.
Neckend zog sie an diesen. "Es ist schön, dass du mitgekommen bist, Ayla. Und tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so unausstehlich war."
"Warst du gar nicht", insistierte ich.
"Doch, schon ein bisschen, aber tut mir leid. Wirklich."
"Alles gut, brauch es nicht."
"Alles vergessen, okay?" Sie hielt mir ihren kleinen Finger hin, als ob wir Kinder wären.
Breit grinsend verschränkte ich meinen mit ihrem. Die Kontrolle über meine Lachmuskeln hatte ich schon lange verloren. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so gelöst und fröhlich war. Doch ich erinnerte mich.
Es lag noch gar nicht lange zurück ...
Nein, ich durfte nicht an Milan denken. Ich musste an Gnomi denken. Seinen blöden, schlechten Teil. Er war nicht gut. Und das machte alles zwischen uns auch nicht gut. Ich musste es endlich gehen lassen.
"Nicht an ihn denken", rief Fee noch immer meinen kleinen Finger haltend. "Versprochen?"
Ich starrte auf unsere Hände. Es erinnerte mich an eine Szene vor langer Zeit. Fee war ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie war schwach und blass gewesen. Innere Blutungen lautete die Diagnose. In ihrem Fall lebensbedrohlich. Vor dem Eingriff hatte ich an ihrem Bett gesessen. Ihre Familie war nicht gekommen.
Wie jetzt hatte sie mir den Finger hingehalten. "Es wird doch alles gut, oder?" Fast schon flüsternd hatte sie gefragt. Zum ersten Mal hatte ich die sonst so starke Fee ängstlich gesehen.
"Es geht doch alles gut?"
Ich hatte mich eingehakt und ihr versprochen, dass alles gut wird. Auch wenn ich keine Macht darüber hatte, wie die Operation ausging. Zum ersten Mal konnte ich für sie da sein. Ein Stück ihrer Last abnehmen, weil sie mich ließ. Sie war immer für mich da. Männer kamen und gingen bei uns beiden. Aber sie blieb.
"Versprochen?", wiederholte Fee mit Nachdruck.
Ich nickte. "Versprochen?" Auch wenn ich wie damals das Gefühl hatte, keine Macht darüber zu haben. Wie dumm eigentlich.
"Woohooo!" Fee löste sich von mir und zog mich mit sich.
In der engen Menge bahnte sie uns den Weg und riss mich zum Tanzen an sich. Wir sprangen und rissen die Hände hoch, sangen mit. Ob wir den Text immer trafen, geschweige denn den Takt wusste ich nicht. Ich konnte nicht anders als ständig zu lachen. Vielleicht war es die Pille, aber mit Fee unter all den Leuten, die ausgelassen mitfeierten, fühlte ich mich so sorgenlos, frei und geliebt.
Als mein Atem nur noch stoßweise ging, bedeutete ich ihr, dass ich eine kurze Verschnaufpause von unserer wilden Tanzerei brauchte.
Immer noch euphorisiert torkelte ich zu den Toiletten des Festivalgeländes. Als ich beim Händewaschen mein Gesicht im Spiegel war, musste ich schmunzeln. Ich sah fürchterlich aus. Der Glitzer, den Fee mir sorgsam auf das Lid und um die Augen aufgetragen hatte, war überall außer dort. Auch von den Schmetterlingen in Strasssteinoptik, die in einem kunstvollen Wirbel meine Schläfen geziert hatten, war nur noch die Hälfte übrig.
Aber es war egal. Meine Beine trugen mich nach draußen. Eine angenehme Brise streichelte meine kühlen Wangen. Nach all den kalten Tagen, war endlich der Frühling da. Für das Festival hatten wir mehr als Glück gehabt. Den ganzen Tag hatte die Sonne geschienen und auch jetzt wurde mir mit Top und kurzer Hose nicht kalt. Vielleicht hatte das Wetter auch einfach den Frühling geskippt und war direkt beim Sommer angekommen. Ich hätte es nicht schlimm gefunden.
Wie der Sommer wohl mit Milan gewesen wäre?
Ich konnte die Frage nicht aus meinen Gedanken ausklammern. Und viel weniger die Bilder. Draußen in der Natur, am Meer oder einen Eiskaffee trinkend die Promenade langflanierend. Sein Arm um meine Hüften. Und wenn die lauwarme Sommernacht anbrach und es dunkel wurde, würde er mich in die Büsche des Parks ziehen, mich in Stellung dirigieren, vorne überbeugen und meine Beine ...
"Nein", erwiderte ich vehement. Und wohl auch etwas zu laut, da ich einige Blicke von Besuchern auf mich zog.
Mit entschuldigendem Blick lief ich zu einem der Stände. Ich brauchte ein Wasser, um wieder etwas klarzukommen. Ich musste an Gnomi denken, an den Keller, an all die verletzenden Worte, die er mir entgegen geknallt hatte. Und das Wichtigste, die Menschen, die er getötet und deren Blut an seinen Händen und Kellerwänden klebte. Manchmal verblüffte es mich, wie gekonnt mein Gehirn diesen schlimmsten Part einfach ausklammern konnte.
Mit einer Flasche kühlen Wassers stellte ich mich ein Stück abseits auf den Rasen und beobachtete die Menge und das weit entfernte Geschehen auf der Bühne.
Ich nahm einen Schluck. Noch einen und noch einen.
Doch es half nichts. Mein Durst wurde gestillt, aber für Klarheit sorgte es nicht. Wie automatisch langten meine Finger nach meinem Handy.
Seinen Kontakt hatte ich nicht gelöscht. Unsere kurzen Chatverläufe auch nicht. Typisch, ich schaffte es nicht loszulassen. Mal wieder. Stattdessen drängte es mich danach, festzuhalten.
"Wie dumm", murmelte ich.
Allerdings war so vieles ungesagt geblieben. Warum tat er, was er tat? Wie viele Menschen hatte er auf dem Gewissen? Die Ungewissheit nagte an mir. Auch wenn ich fürchtete, dass mich die Antworten nicht glücklicher stimmen würden.
Vielleicht war es das letzte bisschen Emma, das nachwirkte, aber ich konnte meine Finger nicht am Tippen hindern.
Ayla: Hey
Ich schluckte, kaum hatte ich wie in Trance auf den weißen Pfeil auf blauem Grund gedrückt.
Shit, warum hatte ich das getan? Sollte ich die Nachricht löschen?
Doch es war zu spät. Ich sah das Online unter seinem Namen erscheinen. Scheiße, warum hatte ich ihn nicht blockiert?
Doch es kam keine Reaktion.
Vielleicht wäre nun der richtige Moment, den kompletten Chat zu löschen und ihn für immer zu blockieren. Allerdings machte es mich wütend, dass keine Antwort kam. Wenn ich den Karren ohnehin schon vor die Wand hatte fahren lassen, konnte ich es jetzt auch zu Ende bringen.
Ayla: Wir müssen nochmal reden.
Wieder folgte keine Reaktion, obwohl er noch immer online war. Blockiert schien er mich nicht zu haben. Das hieß, es gab Hoffnung. Worauf auch immer. Meine Gedanken waren mittlerweile ein diffuser, wabernder Klumpen. Es wäre definitiv besser, mein Handy beiseitezulegen oder einfach weit weg, an das andere Ende des Festivalgeländes zu werfen. Allerdings wollte ein kleiner, sehr bestimmender Part in mir dies nicht und mittlerweile wusste ich sehr genau, welche Fäden bei Milan am besten zogen.
Ayla: Bitte.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann schrieb er. Bingo. Ein kleines triumphales Gefühl durchflutete mich. Fast so schön, wie der Rausch von eben.
Milan: Warum?
Nicht ganz, die Antwort, die ich mir erhofft hatte, aber besser als nichts.
Ayla: Weil ich Fragen habe. Zu allem.
Als wieder nichts kam, beschloss ich den letzten Joker zu ziehen, den ich noch hatte.
Ayla: Du fehlst mir.
Auch wenn ich mich selbst dafür hasste, ich tat es ja nur, um all die Fragen in meinem Kopf beantworten zu lassen. Aber ja, vielleicht war auch ein Funken Wahrheit drin. Er fehlte mir. Nicht der Milan mit dem Keller, aber all die anderen Facetten an ihm, die ich die Wochen davor erkunden durfte und lieben gelernt hatte. Auch wenn sie vielleicht nichts mehr als Schein waren.
Milan: Meinetwegen. Wann passt es dir?
Noch immer zweifelnd, ob das Ganze eine gute Idee war, grübelte ich. Zur Not könnte ich immer noch mit Aufnahmegeräten anrücken und ihn im Anschluss der Polizei überliefern. Vielleicht waren mein Gewissen und Moral noch nicht komplett verloren.
Ayla: Ich bin gerade auf einem Festival. Melde mich, wenn ich zurückkomme.
Milan: Ok.
Auch wenn ich es nicht wollte, stellte sich ein befriedigendes, fast schon zufriedenes Gefühl in mir ein. Ein Lachkrampf schüttelte mich und übertönte kurz die fernen Klänge der Musik. Es war doch zu absurd. Er war ein Serienmörder und ich freute mich, dass ich ihn zu einem weiteren Treffen bewegen konnte. Es war total bescheuert. Ich war bescheuert. Und schlecht. Aber das war er auch.
Mein Handy vibrierte.
Milan: Pass auf dich auf!
Mein Herz setzte aus. Machte er sich ernsthaft Sorgen um mich? Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, riss mich eine Stimme aus den Gedanken.
"Ganz schön geile Mucke, oder?"
Verwirrt sah ich auf.
Ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig, mit blondem Haar und blauen Augen stand vor mir. Er kam mir merkwürdig bekannt vor.
"Kennen wir uns?", fragte ich verwirrt.
"O nee, sorry." Der Mann lächelte freundlich und hob die Hände entschuldigend. "Dachte einfach nur mal, ich startete einen Kontaktversuch."
Ich lächelte. Auf meinen Kopf war aktuell ohnehin nicht zu vertrauen.
"Alles gut." Ich prostete ihm mit meiner mittlerweile leeren Wasserflasche zu. "Ich bin Ayla. Und wer bist du?"
Er erwiderte den Luftprost mit seiner Limo. "Schön dich kennenzulernen, Ayla. Ich bin Ensel."
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Down our Darkest Paths
HorrorMan sagt, dünn sei die Mauer zwischen Liebe und Hass. Doch wieviel dünner ist sie zwischen Schmerz und Lust ... Als die junge Studentin Ayla in die Praxis von Doktor Degard reinstolpert, ist sie sofort gefesselt von dem attraktiven Arzt. Fast verges...