Ayla
Ich hörte die kraftvollen Schritte, die bestimmend die Treppe hinaufstiegen. Für einen Augenblick pochte mein Herz ängstlich und ich überlegte, ob ich mich verstecken sollte.
Atemlos schlich ich ins Bad und presste mich gegen die kalten Fliesen.
Die Schritte auf den Stufen kamen näher. Doch sie waren nicht gehetzt. Seelenruhig musste Milan hinauf schreiten.
Natürlich.
Ich saß in der Falle. Aber ich hatte es mir auch selbst eingebrockt.
Warum konnte ich es nicht lassen? Warum konnte ich nicht wie jeder normale Mensch davon und zur Polizei stürmen? Und warum musste ich ihn auch noch provozieren?
Den blutverschmierten Mann, dessen Zorn in jedem seiner Schritte mitschwang, bis er die oberste Stufe erklommen hatte.
Fester presste ich mich gegen die Wand. Bemüht um eine flache Atmung.
Milan hatte Recht gehabt. Das da unten war nicht meins.
Aber ich hatte auch nicht gelogen. Es hatte mir gefallen. Nicht das Leiden des Opfers, sondern er. Die Macht und Kontrolle, die er ausgestrahlt hatte, auch wenn sie künstlich und falsch war. Die Qualen, die er dem armen Mann auf der Pritsche zugefügt hatte, hingegen hatten mich angeekelt. Und ich hatte mich selbst angeekelt, als ich dabei zusah.
Irgendwann hatte ich es nicht mehr ausgehalten und war aus dem Keller geflohen. Doch das Umlegen des Schalters bei ihm hatte ich noch erlebt. Und auch dieses hatte Faszination und, zu meiner Schande, Verlangen in mir ausgelöst.
"Ayla." Seine Stimme bebte, donnerte durch das gesamte Stockwerk.
Ein Schauer lief über meine Haut. Ich hatte heute viele Seiten an ihm gesehen, die ich vorher noch nicht kannte. Auch jetzt spürte ich, dass es nicht der Milan war, mit dem ich sonst verkehrt hatte.
Vielleicht hätte ich seinem Befehl doch folgen und rausrennen sollen. Aber ein tiefliegender, sehr dummer Teil in mir vertraute ihm. Er hatte mir auf die Kehle gedrückt, aber als ich ihn gebeten hatte, aufzuhören, hatte er losgelassen. Grenzen kommuniziert und akzeptiert. Allerdings hatte ich ihn noch nie so wütend, so aus der Fassung, so in Rage gesehen.
Vielleicht war es ein dummer Trugschluss meinerseits. Vielleicht hatte er seine Hände von meinem Hals gelöst, weil der schnelle Tod nicht das war, was ihm für mich vorschwebte. Mein Herz hämmerte so wild, dass ich den Schall in meinen Ohren echoen hören konnte.
Dann wurde es still.
Angestrengt lauschte ich. Doch seine Schritte waren kaum zu hören. Selbst das feuchte Geräusch, dass seine nassen Füße von sich gegeben hatten, war verklungen. War das Blut, das an ihnen geklebt hatte, also getrocknet.
Ich blickte auf mein Dekolleté. Fremdes Blut klebte auch an mir.
Doch es war kein Vergleich zu dem wütenden Mann dort draußen.
Kurz meinte ich ein Knarzen zu hören.
Ich presste meine Lippen aufeinander, hielt die Luft an.
Doch im nächsten Moment hörte ich es.
Ruhige Atemstöße.
Tiefe Atemstöße.
Dann roch ich ihn.
Herb, verlockend, fremd.
Eine Hand schnellte vor. Rasch und gezielt.
Finger legten sich um meinen Hals.
Quälend langsam wandte sich mein Kopf zur Seite und da erblickte ich sein Gesicht. Seine indigofarbenen Augen. Sein Blick, der schrie Habe ich dich.
DU LIEST GERADE
Down our Darkest Paths
HorrorMan sagt, dünn sei die Mauer zwischen Liebe und Hass. Doch wieviel dünner ist sie zwischen Schmerz und Lust ... Als die junge Studentin Ayla in die Praxis von Doktor Degard reinstolpert, ist sie sofort gefesselt von dem attraktiven Arzt. Fast verges...