Kapitel 44

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Ensel


Jetzt war Schluss mit diesem Scheiß. Ich wusste nicht, was diese Ficker da drüben veranstalteten, aber ich hatte keinen Bock mehr, länger zu warten.
Mit der Kettensäge aus Eds Schuppen lief ich wieder zum Lagerhaus. Wenn die Tür erst einmal Kleinholz war, würde ich die beiden vielleicht auch direkt zerlegen. Konnten sie mal ihre eigene Medizin schmecken.
Innere Blutungen ... dass ich nicht lachte. Auch wenn Milans shit Säureangriff mich ein wenig – gut ein wenig mehr – aus der Fassung gebracht hatte, war ich immer noch ein ausgezeichneter Schütze. Es waren hundertpro zwei Streifschüsse gewesen. Und einen zweiten verfickten Mord ließ ich mir außerdem nicht in die Schuhe schieben. Aber wer weiß, vielleicht hatte es den Mörderdoc ja in den Fingern gejuckt und er hatte hinter verschlossener Tür Ed die inneren Blutungen verpasst. Nach der zerstörten, zweigeteilten Leiche, die er mir präsentiert hatte, traute ich diesem Pisser alles zu. Er war einfach nur abartig krank.
Kurz glomm ein zerstörerisches Gefühl blanken Entsetzens in mir auf bei dem Gedanken, dass er dies auch Finn angetan haben könnte. Doch wie so oft gewann der Zorn die Oberhand bei mir.
Mit einem kräftigen Kick trat ich die beschissene Lagertür auf.
Doomsday, ihr Ficker.
Das Brummen eines Motors ließ mich zusammenzucken. Erschrocken blickte ich mich um und auf den Hof sowie die angrenzende Straße. Ein Auto ruckelte den Schotterweg entlang.
Fuck. Wer konnte das sein?
Ich senkte die Kettensäge ein Stück ab. Ein Polizeiwagen war es nicht. Das Auto war zwar blau, aber nicht polizeiblau und gestreift. Ein Opel, meldete sich meine Autoexpertise aus den Hinterstübchen meines wutvernebelten Hirns. Ob jemand die Schüsse gehört hatte und nun nachschauen wollte, was auf dem Hof los war? Nein, das konnte nicht sein. Der Hof lag gut abgeschottet von sämtlichen Wohnsiedlungen. Vielleicht hatte sich jemand verfahren.
Oder wollte in den Wald? Der Schotterweg mündete irgendwann auf einem kleinen Parkplatz mitten in der Pampa. Aber zu so später Stunde ...
Doch der Wagen hielt nicht, sondern ruckelte am Hof vorbei und verschwand aus meinem Blickfeld.
Erleichtert seufzte ich. Vielleicht ein Hundebesitzer, der Wuffi mal den richtig großen Auslauf gönnen wollte und dafür in den Wald fuhr. Oder ein Serienmörder, der sein blutjunges Opfer an einem stillen Plätzchen meucheln wollte. Lungerten ja einige Psychokiller hier in der Gegend rum.
Mir konnte es allerdings auch egal sein. Immer noch geladen betrat ich das Lagerhaus und lief zu der Tür, hinter der sich die beiden Pissnelken versteckten.
Grinsend stöpselte ich den Stecker in eine kleine verdreckte Buchse unweit der Tür ein.
Ich startete die Kettensäge. Augenblicklich brummte der Motor und das Blatt rotierte.
Sie funktionierte einwandfrei. Ein willkommener Wink des Schicksals.
Wer sagte es denn, war auf diesem Hof doch nicht alles Kernschrott. Im Gegensatz zu seinem Chef, dem Ober-Kernschrott.
Ratternd vibrierte das Gerät in meinen Händen. Leider konnte ich durch den ohrenbetäubenden Lärm nicht hören, was drinnen geschah. Aber das war ohnehin scheißegal. Die Pisser würden wohl nicht so dumm sein und direkt vor der Tür stehen. Und selbst wenn Ed, dem ich es noch am meisten zutraute, sein Öhrchen an das Holz drückte, würde er sich davon halt verabschieden müssen.
Ich legte das tödlich kreisende Sägeblatt an. Sofort teilten die Zähne das Holz. Wie Butter lief es nicht, aber es ging voran.
Immer wieder fuhr das Sägeblatt ins Innere. Einen menschlichen Widerstand spürte ich nicht. Schade eigentlich.
Allerdings wurde es, je tiefer ich nach unten glitt, zunehmend schwieriger. Fast so, als würden sich hinter der Tür weitere Holzplatten befinden. Die beiden mussten sich ordentlich verbarrikadiert haben. Aber da hatten sie es mit dem Falschen zu tun. Die Wut ließ pures Adrenalin durch meine Adern pumpen. Zur Not hätte ich so lange auf die Tür eingedroschen, bis meine Fäuste blutig gewesen wären. Nichts konnte mich aufhalten ...
Ein bebendes Husten entfuhr mir und beinahe wäre mir die Kettensäge aus der Hand gefallen. Scheiße. Späne und Staub wirbelten durch die Luft. Ich musste aufpassen, nicht zu viel in die Lunge zu bekommen. Doch ich hatte keine Zeit und Lust, eine fucking Maske zu holen.
Als ich endlich fertig war, glich das Holz dem Leichnam, den der Killerarzt hier angeschleppt hatte.
Ich schaltete die Säge aus und stellte sie neben mir ab. Die Pistole, die ich damals Jacko dem kiffenden Autodealer abgezogen hatte, hinten aus meinem Hosenbund ziehend, brachte ich mich in Position.
Mit festen Tritten stieß ich Teile der zerstörten Holzplatte raus. Besonders ordentlich hatte ich nicht gearbeitet.
Mein Blick fiel ins Innere. Eine demolierte Kommode versperrte die halbe Sicht auf den Raum. Auch das Loch war nicht wirklich riesig.
Die Knarre weiterhin nach vorne gerichtet, trat ich einen Schritt vorwärts.
"Ey, Schluss mit dem Scheiß und kommt endlich raus", schrie ich.
Es blieb still.
Die Schweine. Sie mussten sich vorbereitet haben.
Verfickte Scheiße.
Vorsichtig trat ich näher. Da kam mir ein Geistesblitz. Ich griff nach einem der Holzstückchen auf dem dreckigen Boden, das beim Eintreten nicht nach innen, sondern hierhin geflogen war.
Vorsichtig warf ich es hinein.
Nichts passierte.
Fickscheiße. Aber gut, es war auch ein wenig zu offensichtlich.
Ich lehnte mich ein Stück zur Seite, um den Raum aus einer neuen Perspektive auszukundschaften. Viel sah ich nicht. Schränke.
Einen Kopf mit schütterem Haar. Ed?
Leider reichte mein Blick nur bis zu seiner Stirn. Die Kommode schirmte den Rest seines Körpers perfekt ab. Aber ich war mir sicher, dass er es war. Er musste auf dem Boden sitzen und bewegte sich keinen Millimeter.
Eine Falle?
Kurz wurde mir mulmig. Dieser Pisser Milan würde doch nicht Recht behalten und Ed an inneren Blutungen krepiert sein. Nicht, dass mir viel an dem lag, aber es würde einen weiteren Toten bedeuten – neben Aylas Mitbewohnerin – auf meinem Konto bedeuten. Wenn auch erneut unabsichtlich. Außerdem durfte Ed nicht einfach abkratzen. Er musste vor Gericht und bestraft werden für das, was er getan hatte.
Vielleicht könnte ich sein Gesicht sehen, wenn ich ein weiteres Stück ...
Mit einem Mal wurde mein Kopf gepackt, nach vorne gerissen und mit voller Wucht nach unten gedonnert.
Ein dumpfer, höllischer Schmerz durchzuckte meine Nase, als sie auf die Holzplatte der Kommode prallte.
Ich jaulte auf.
Fuck, ich hatte mich zu weit nach vorne gelehnt.
Im nächsten Moment durchzuckte mich ein stechender Schmerz. So als hätte mir jemand ein Messer in die Schulter gerammt.
Gerade löste sich die Klinge unter einem furchtbaren Brennen aus meinem Fleisch, als ich endlich meine Waffe entladen konnte. Ich sah nichts, aber schoss in die Richtung, aus der ich den Angreifer vermutete.
Ein Stöhnen. Bingo.
Mit schmerzender Nase erhob ich mich und blinzelte zur Seite. Milan hielt sich den Arm, das Messer noch immer in der Hand.
Mühsam fixierte ich ihn und hielt die Pistole festumklammert in seine Richtung, während ich eine der angesägten Holzspitzen der Tür im Rücken spürte. Doch wie auch die restlichen Schmerzen meines Körpers, wischte ich das kurze Stechen hinfort. Triumphal nahm ich den Scheißkerl, der für den Großteil meiner Blessuren verantwortlich war, ins Visier. Netter Versuch, Killerarzt, aber zu langsam.

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