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Ginevra

»Ginevra?«, kommt es von Silvano. Er will auf mich zukommen, doch mein Vater hält ihn auf. »Gut, das du gekommen bist«, sagt er. Ich schaue erst zu Massimo und dann zu Enrico, der uns bedrohlich anschaut. »Was ist hier los?« Mein Vater kommt näher und stellt sich genau vor mich hin. »Ich habe zusammen mit Massimo eine Entscheidung getroffen-« »Und die wäre?« »Du musst Enrico heiraten.« Schlagartig weiten sich meine Augen. Ich erstarre vor Schock und bringe kein Wort raus. Es fühlt sich so an, als hätte ich reden verlernt. Verzweifelt und wütend schaue ich zu Enrico, der mein Blick monoton erwidert. »Nein. Sowas wird nicht passieren. Ich werde nicht seine Frau«, brumme ich und schaue wieder zu Papá.

»Ginevra!«, warnt er mich, doch ich schüttle mein Kopf. »Nein!«, zische ich. »Wie kannst du zulassen, dass deine Tochter, jemanden heiratet, den sie nicht einmal liebt!«, fauche ich. »Ginevra, es reicht-« »Ja, es reicht! Wszyscy jesteście szaleni!« In der nächsten Sekunde, verpasst mein Vater mir eine Ohrfeige, weshalb ich zusammenzucke und ihn voller Hass anschaue. »Hey! Marcello, das ist genug!«, zischt Enrico und stellt sich vor mich hin. »Pass auf was du machst, Marcello.« Enrico drückt die Hand von meinem Vater und droht ihm, doch ich bekomme nicht viel mit. Er dreht sich zu mir um, verschränkt unsere Hände und führt mich nach draußen.

»Ich muss mit ihr alleine reden, Silvano. Rede du mit ihr später«, sagt er zu meinem Bruder. Danach knallt er auch schon die Glastür zu und lässt mich los.

»Was willst du? Mich auch schlagen? Tu es!«, brülle ich. »Beruhig dich, Ginevra. Ich werde dir nichts antun.« »Du akzeptierst das einfach? Gehts noch?« »Ich habe keine andere Wahl.« »Du bist 12 Jahre älter als ich, Enrico. Spinnst du?« Er atmet genervt aus und schaut mir schließlich wieder in die Augen. »Du warst wie ein Bruder für mich-« »Und jetzt werde ich dein Ehemann«, unterbricht er mich.

»Wir müssen es tun, Ginevra. Mach dir aber keine Sorgen, du wirst dein Leben weiter leben.« »Was soll das heißen?« »Auch wenn wir verheiratet sind, mische ich mich nicht ein. Du kannst machen was du willst und ich kann machen was ich will.«

Ich senke mein Blick und laufe hin und her. »Warum müssen wir heiraten?«, frage ich. »Antworte mir, ehrlich.« »Wegen der Mafia.« Ich hebe meine Augenbrauen hoch und versuche zu verstehen, was genau er meint. »Wegen der Mafia?« »Wir sind eine Mafiafamilie und ich muss langsam heiraten.«

»Das ist bescheuert! Du willst mir doch nicht sagen-« »Doch, Ginevra. Ich bin der italienische Mafiaboss.« Das muss ein Scherz sein. Niemals stehe ich hier mit einem Mafioso. Ich gehe ein paar Schritte zurück und schaue ihn unglaubwürdig an. »Mein Großvater, hat sich für dich entschieden. Nur weil ich niemanden gefunden habe.« »Mio dio, das hier ist kein Wunschkonzert. Ich will meinen Traummann heiraten und nicht irgendein Kindheitsfreund.«

»Denkst du ich will das Ganze? Mir ist aber die Mafia zu sehr wichtig, deshalb muss ich es akzeptieren.« »Das wird nicht klappen. Zwischen uns wird das nicht funktionieren.« »Muss es auch nicht. Wie gesagt; du machst dein Ding und ich mein. Vielleicht sind wir ein Ehepaar, aber halt ohne Liebe.« Ohne Liebe..

»Es ist sowieso unmöglich, dass ich dich liebe. Deswegen mach dir keine unnötigen Gedanken«, fügt er hinzu. Am liebsten würde ich ihm eine reinhauen. Aber gerade möchte ich nur noch in meinem Zimmer alleine sein und heulen.

Enrico

»Sie ist nach Hause gegangen«, sage ich, als ich wieder drinnen bin. Marcello steht auf und will gehen, doch ich halte ihn auf. »Tu ihr nichts an, sonst haben wir ein Problem.« Ich lasse ihn los und schon verschwindet er. »Schau lieber nach Ginevra. Ihr geht es nicht gut«, sage ich zu Silvano. Er nickt und folgt seinem Vater. Seufzend setze ich mich auf die Couch und lehne mich zurück. »Wieso ausgerechnet sie?«, frage ich meinem Großvater. »Sie ist nicht schlimm, Enrico. Das weißt du auch.« »Ich sage auch nicht, dass sie schlimm ist. Sie ist aber 12 Jahre jünger als ich. Wir sind wie Geschwister aufgewachsen.« »Das war früher. Jetzt ist sie älter geworden. Perfekt für unsere Familie.«

»Denk an die Mafia. Du wirst bald eine Ehefrau haben, dadurch wirkst du viel mächtiger«, ergänzt er. »Wie du meinst, Nonno. Ich gehe schlafen.«

Ich stehe auf und gehe die Treppen hoch.

Oben in meinem Schlafzimmer, mache ich die Tür zu, ziehe meinen Jackett und anschließend meinen Hemd aus. Vor dem Spiegel bleibe ich stehen und betrachte die große lange Narbe auf meiner Brust. Ich fahre mit meinem Finger darüber und zucke leicht zusammen.

Ich wollte euch beschützen.. habe es aber nicht geschafft. Ich habe versagt. Mamá, Papá, verzeiht mir

Ich ziehe einen schwarzen Unterhemd und wechsele meine Hose mit einer Jogginghose. Anschließend wasche ich meine Hände, sowie mein Gesicht und putze meine Zähne. Daraufhin lege ich mich ins Bett und versuche zu schlafen.

Doch wenn ich meine Augen schließe, sehe ich direkt Aria. Ihr wunderschönes Lächeln und ihre leuchtenden Augen. Alles kommt wieder hoch und schon will ich wieder bei ihr sein.

Wieso ist sie nur gegangen? Wieso musste sie mich anlügen? Ich hasse sie - aber lieben tue ich sie auch. Ginevra wird nie ihren Platz ersetzen können.

Niemals

La mia altra metàWo Geschichten leben. Entdecke jetzt