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Ginevra

Alles wird ernster. Meine Krankheit macht sich bemerkbar und das zerstört mich. Ich gebe mein bestes, um nicht so krass aufzufallen, jedoch klappt es nicht. Enrico merkt mein komisches Verhalten und versucht mit mir darüber zu reden - was nicht viel bringt. Wenn ich ihm die Wahrheit sage, wird es nicht gut enden.

»Bald werde ich Onkel«, murmelt Silvano und nippt an seinem Glas. »Habt ihr euch schon ein paar Namen überlegt?«, fragt Papà und setzt sich zu uns. »Nein, tatsächlich nicht. Wir schauen einfach mal.« »Wie wäre es mit Silvano Junior?« »Vielleicht ist es ein Mädchen?«, frage ich. »Hmm, mini Ginevra?«

Lächelnd schüttle ich den Kopf und streichle mein Bauch. Plötzlich spüre ich ein Druckgefühl in meiner Brust, weshalb ich mich leicht aufsetze und meine Hand auf meine Brust lege. »Ginevra«, sagt Silvano und springt zu mir. »Was ist los?«, fragt Papà überfordert und steht auf. »Es war nur ein Krampf«, lüge ich und versuche zu lächeln, jedoch sind die Schmerzen so stark. »Bin gleich wieder da«, sage ich und stehe auf.

Niemand soll sehen, wie schwach ich bin.

Ich gehe ins Badezimmer und schließe die Tür hinter mir. Der Schmerz, die Angst, die Verzweiflung- alles bricht aus mir heraus. Tränen strömen über mein Gesicht, und ich kann sie nicht aufhalten. Ich lasse mich auf die kalten Fliesenboden sinken und presse meine Hände gegen meine Brust, als könnte ich den Schmerz irgendwie lindern. »Warum?«, frage ich leise, als ob ich eine Antwort erwarten würde. Warum muss ich so früh gehen, wo doch noch so viel ungesagt und ungetan ist? Und was wird aus meinem Baby? Ich fühle mich so hilflos, so ausgeliefert.

Langsam stehe ich auf und blicke in den Spiegel. Meine Augen sind rot und geschwollen, aber ich versuche, mir ein Lächeln abzubringen. Plötzlich höre ich ein Klopfen an der Tür. Mein Herz setzt einen Schlag aus, und ich drehe mich abrupt um. »Amore Mio, was ist los?«, höre ich Enricos Stimme durch die Tür. Ich zögere einen Moment, atme tief durch und versuche, meine Stimme fest und ruhig klingen zu lassen. »Alles ist gut. Bin gleich da«, rufe ich zurück. »Okay«, antwortet er, aber ich höre den Zweifel in seiner Stimme.

Er kennt mich zu gut. Ich schließe die Augen und fühle, wie neue Tränen hochsteigen. Doch ich kämpfe sie zurück. Ich kann ihm jetzt nicht alles erklären. Nicht hier und nicht so.

Langsam öffne ich die Tür. Enrico steht davor, seine Augen voll Sorge. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragt er sanft und streckt die Hand nach mir aus. Ich nicke und zwinge mich zu einem Lächeln.

Ich lege meine Hand auf seinen Arm und spüre die vertraute Wärme, die von ihm ausgeht. Enrico schaut mich an, als wolle er etwas sagen, überlegt sich dann aber anders. »Wenn du etwas brauchst - egal was, ich bin hier«, sagt er schließlich. »Danke, Enrico. Ich liebe dich.«

Er zieht mich sanft in seine Arme, und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter. Für einen Moment lasse ich mich in diesem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit fallen. Hier, in seinen Armen, kann ich die Last meiner Krankheit für einen Augenblick vergessen.

Doch dann löse ich mich langsam aus seiner Umarmung. »Lass uns zurückgehen. Die anderen warten sicher schon«, sage ich. Er nickt und nimmt meine Hand. Zusammen gehen wir zurück ins Wohnzimmer, wo mein Papà und mein Bruder uns erwarten. Ich setze mich wieder hin und spüre, wie alle Blicke auf mir ruhen. Doch ich halte mich aufrecht. Ich muss stark bleiben, für mich selbst, für mein Baby und für die Menschen, die mich lieben.

La mia altra metàWo Geschichten leben. Entdecke jetzt