Ich wusste nicht, wer wütender auf den anderen war. Ich auf Alec, weil er mir förmlich mein Herz aus der Brust gerissen hatte in dem er versucht hatte, sich umzubringen oder er auf mich, weil ich ihn daran hinderte, loszurennen und seinen Bruder; seinen Parabatai zu retten. Was erwartete er denn von mir? Dachte er tatsächlich ich ließe zu, dass er sich Asmodeus einfach so zum Fraß vor warf? Dann hätte ich ihn auch gleich in ein Becken voller Piranha werfen können, das wäre aufs selbe herausgekommen.
Idris ist das Heimatland der Schattenjäger, versteckt vor den Augen der Mundies, den Schattenjägern einst zur Verfügung gestellt durch den Engel Raziel. Alicante war Idris Hauptstadt, auch die Stadt aus Glas genannt. Das hier war Asmodeus Plan. Hier wollte er Luzifer heraufbeschwören, nachdem er sämtliche übriggebliebenen Nephilim ausgelöscht hatte um sodann die Herrschaft über die Welt zu erlangen und die Hölle auf Erden entstehen zu lassen. Hier würde es alles zu Ende gehen, wenn wir nicht einen Weg fanden, ihn aufzuhalten.
Hier in Idris gab es nur einen Ort zu dem Schattenjäger und Schattenweltler zu gleichen Teilen Zutritt hatten. Die Accord Hall. Nachdem seit 1872 Schattenweltler nicht mehr erlaubt waren, den Ratssitz zu betreten hatte man diesen Ort als neutralen Boden ernannt, als die Schweiz um genau zu sein. Hier werden noch heute etwa alle fünfzehn Jahre die Friedensabkommen zwischen den Nephilim und uns Schattenweltlern neu vereinbart und beschlossen. Das normalerweise einzige Ereignis zu dem sich auch Schattenweltler in Idris einfanden. Auch wenn die Zeiten sich geändert hatten, sahen einige der Schattenjäger es noch immer nicht gerne, wenn sich Unseresgleichen hier herum trieb.
Aus diesem Grund hatte Alec vorgeschlagen, dorthin zu gehen um seine Eltern zu suchen und ein Ratstreffen zu vereinbaren. Ragnor und Catarina, die ebenfalls den Weg dorthin kannten, durchquerten die Innenstadt als wäre es ihre Heimat und unterhielten sich angeregt. Ein paar Schritte hinter ihnen lief Alec, seinen Kopf leicht gesenkt und hinter ihm ging ich, tat einen Schritt vor den Nächsten.
Ragnor und Catarina hatten die Tore zur Accord Hall bereits erreicht, als Alec schließlich auf halbem Wege stehen blieb, sich zu mir umdrehte und wartete, bis ich ihn eingeholt hatte. Doch der Gedanke an seine Gleichgültigkeit, daran, dass er mir offensichtlich kein Vertrauen schenkte, zumindest nicht so, wie ich es mir wünschte; wie ich es all die Zeit geglaubt hatte, war zu schmerzhaft. Ich schaffte es einfach nicht, ihm in die Augen zu blicken. Ich holte tief Luft und ging an ihm vorbei. Es tat mir in der Seele weh, ihn nicht zu beachten, doch ich wollte einfach nicht riskieren in einen weiteren Wutausbruch zu verfallen und ihn anzubrüllen, wie man es mit Jemanden, den man so sehr liebte und wollte, wie ich ihn, nicht tat.
Doch Alec war schneller. Als er bemerkte, dass ich ich nicht stehen bleiben würde; als er sah, dass ich meine Schritte nicht verlangsamte, schnellte seine Hand nach vorne und umfasste meinen Ellenbogen. Ich holte tief Luft und seufzte, drehte mich aber nicht um, sondern starrte weiter gerade aus, wo ich nicht nur Catarina und Ragnor entdeckte, sondern auch einige Schattenjäger eingehüllt in schwarze Kapuzenmäntel.
„Magnus.", hörte ich seine Stimme meinen Namen sagen. Ich biss die Zähne aufeinander. „Was?", brachte ich etwas harscher hervor als gewollt. „Es tut mir Leid.", entschuldigte er sich, verstärkte seinen Griff, wollte mich dazu bringen, mich umzubringen, doch ich rührte mich kein Stück. „Ich hab nur einfach keine andere Möglichkeit mehr gesehen. Es ist doch ... es ist Jace." Und bei diesem Worten platzte mir einfach der Kragen. Ein riesiger Gewittersturm hatte sich in mir aufgebaut und drohte aus mir herauszubrechen wie ein rauschender Wasserfall.
Ruckartig hatte ich mich zu ihm herumgedreht und funkelte ihn wütend an. „Ganz genau, Jace!", wiederholte ich und zischte wütend. „Jace.", spuckte ich seinen Namen noch einmal so hasserfüllt aus, dass ich mich selbst kaum wieder erkannte. „Es freut mich wirklich wahnsinnig, dass du so sehr versucht bist, ihm das Leben zu retten aber hast du auch nur eine Sekunde daran gedacht, dass es mein Leben ist, dass du damit zerstörst?", fluchte ich; schrie ich förmlich. Meine Stimme zitterte vor Wut. Alec schluckte und schaute mich mit geweiteten Augen an. Ich wartete auf eine Antwort; auf irgendetwas, doch Alec blieb stumm. „Ja ...", schnaubte ich dann und schüttelte den Kopf. „Das hab ich mir gedacht ..."
Mit einem Ruck hatte ich mich seinem Griff entrissen. Ohne Widerstand hatte er meinen Arm losgelassen. Ich holte tief Luft. „Wir sollten rein gehen. Deine Familie wartet.", sagte ich, ohne zu wissen, ob meine Worte überhaupt der Wahrheit entsprachen. Dann drehte ich mich um und folgte Ragnor und Catarina in das riesige Gebäude. Direkt hinter mir hörte ich Alecs Schritte.
Wir lösten einen ziemlichen Trubel aus, als man uns erkannte. Mit gemischten Gefühlen war man uns gegenüber getreten. Ganz offensichtlich wusste jeder von dem verschwundenen Lightwood Schattenjäger und seinem Warlock Freund, Asmodeus Sohn höchstpersönlich. So wie es schien hatte man uns für tot geglaubt. Jeder war froh Alec zu sehen, doch mich beäugten sie mit einer Skepsis, die ich ihnen noch nicht einmal verübeln konnte, nachdem offensichtlich jeder wusste, wer ich war und vor allen Dingen wer mein Vater war. Niemand von ihnen hatte auch nur eine Sekunde daran geglaubt, dass wir jemals wieder zurückkommen würden.
Mit freundlichen Gesichtern, hastigem Händeschütteln und festen Umarmungen hatte man Alec begrüßt. „Ruft die Lightwoods.", hatte einer gebrüllt. Catarina, Ragnor und ich hatten etwas abseits gestanden, während Alec versuchte, sich aus dem Gedränge zu winden und immer wieder einen entschuldigenden und zugleich hilfesuchenden Blick zu mir warf. Für uns interessierte sich kaum Jemand, waren wir trotz allem noch immer Schattenweltler, die in ihrer Welt eigentlich nichts zu suchen hatten.
Doch als diese eine Stimme ertönte, die Stimme, die sogar mir für einen Augenblick Gänsehaut verursachte, wirkte Alec augenblicklich wie in Trance. Sein Kopf schoss nach oben zu den Treppen, wo eine brünette Schönheit mit tränenüberlaufenem Gesicht auf ihn zugelaufen kam. „Izzy.", hörte ich seine Stimme zaghaft flüstern.
Izzy sah gut aus. Sie hatte dunkle Ränder unter ihren Augen und ihr Lächeln schien nicht mehr ganz so ehrlich und frech wie vor dem Tag, als Alec und ich in die Höllendimension gesogen worden, doch ansonsten schien sie ganz die Alte zu sein. Zumindest äußerlich. Wie es in ihr drin aussah, wusste nur sie selbst.
Alec stieß die Leute, die ihn noch immer eingekreist hatten als wäre er eine Attraktion in einem Freizeitpark, zur Seite, quetschte sich an ihnen vorbei, drängte sich durch die neugierigen Schaulustigen und lief schnurstracks auf seine Schwester zu. Weinend und schluchzend fiel sie ihm in die Arme. Ich konnte sehen, wie seine Muskeln sich anspannten, als er sie feste in den Arm nahm, unendlich froh, sie wieder zu sehen. Zu wissen, dass es ihr gut ging.
„Oh mein Gott, Alec.", hörte ich Izzys, gebrochene leise Stimme. „Ich dachte schon ich hätte dich auch verloren. Ich dachte du ... du ... er hat ...", stotterte sie und schluchzte ein herzzerreißendes Schluchzen. „Er hat ... Max, Max ist ...", stammelte sie weiter, doch Alec drückte sie nur noch fester an sich und versuchte sie zu beruhigen. „Ist gut.", sagte er. „Ist schon gut. Schhhht."
Nach einer Weile, die so lange schien wie eine halbe Ewigkeit lösten sich die beiden Geschwister wieder voneinander. „Wo ist Magnus?", waren ihre nächsten Worte, was mich doch, um ehrlich zu sein, ein wenig erstaunte. Ich hörte wie Alec tief Luft holte, dann wandte er sich zu uns rüber und zeigte auf mich, dieses kaum merkliche schiefe Lächeln auf seinen Lippen. Ich hob die Hand zur Begrüßung und winkte ihr zu, glaubte, dass es damit getan sein würde, doch da kannte ich offenbar Izzy schlecht. Ehe ich mich versah, war sie zu mir gerannt und hatte ihre schlanken Arme auch um meinen Oberkörper geschlungen und sich feste an mich gedrückt. Ich zögerte einen Augenblick, erwiderte die Umarmung aber dann. „Ich bin so froh, dass ihr lebt. Ich dachte ... wir dachten ... alle haben geglaubt ihr wärt ..."
„Schon okay Iz.", sagte Alec, der nun auch zu uns rüber gekommen war. „Ihr wart so lange weg. So viel ist passiert." Ich nickte, Alec ebenfalls. „Und genau deshalb sind wir da.", sagte ich. „Wo sind deine Eltern? Wir müssen unbedingt den Rat einberufen."
„Naja, so viele sind nicht mehr davon übrig.", klärte uns Izzy auf und wischte sich die Tränen unter den Augen weg. „Am besten erzählen wir euch erst einmal alles. Und ihr uns auch.", forderte sie auf und zog uns mit sich mit die Treppe nach oben. „Als sie meinten, ihr wärt zurück dachte ich das wäre ein blöder Scherz. Ich war kurz darauf die Typen, die sich diesen Scherz mit uns erlaubten, windelweich zu prügeln und dann standest du auf einmal da ...", erzählte sie mit zitternder Stimme, während sie uns die Treppe hoch zog, Catarina und Ragnor ebenfalls im Schlepptau, die allerdings keinen Ton von sich gaben und wie kleine Entenkinder hinter uns her watschelten. „Mom und Dad werden so froh sein, dich zu sehen ... Sie haben die Hoffnung nie aufgegeben. Insgeheim haben wir alle gehofft, dass ihr es schaffen würdet.", sagte sie dann. „Sie sind im Besprechungsraum.", fügte sie hinzu und geleitete uns durch die Gänge wo Alec noch das größte Wiedersehen bevorstand: das Wiedersehen mit seinen Eltern.
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When Worlds Collide | Magnus Bane
Fanfiction... nach City of Bones ... Nachdem Alec den Kampf gegen Abaddon, dank der Hilfe von Magnus Bane, überlebt hat, muss sich der junge Schattenjäger nun einer neuen Herausforderung stellen. Wie datet man einen Hexenmeister, der bereits zig Jahrhunderte...