45. Kapitel

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„I only call you when it's half-past five
The only time that I'll be by your side
I only love it when you touch me, not feel me
When I'm fucked up, that's the real me
When I'm fucked up, that's the real me, yeah"


The Hills - The Weeknd


„Ich kenne jemanden im Krankenhaus, der sich darum kümmern kann" bot Missy vorsichtig an und betrachtete Law einen Moment. Noch immer lehnte er an der weißen, geschwungenen Steinsäule vor der Haustür und schien nachzudenken. „Tut es sehr weh?", fragte sie weiter und die Stille zwischen ihnen machte ihr Sorgen. Sie verunsicherte die Blonde, denn sie wollte nicht, dass Law sauer auf sie war. „Kannst du fahren?", fragte er leise und hob den Blick vom Boden, den Law eben noch angestarrt hatte, während er seine Gedanken sortiert hatte. „Nein, aber ich kann jemanden fragen, der uns fährt" erwiderte Missy und war froh, dass er noch mit ihr sprach. Zumindest vorerst. Kurz nickte der Schwarzhaarige und holte noch seinen Rucksack aus dem Auto.
Kurz darauf stand im Dunkel der Einfahrt ein schwarzer SUV bereit, um Missy und Law ins Krankenhaus zu fahren. Die Scheiben der Beifahrertüren hinten waren schwarz foliert, sodass niemand hineinsehen konnte.
Noch bevor das Auto bereit stand, hatte Missy unter Laws Anweisung seinen Oberarm verbunden. Den Verband hatte er aus seinem Erste-Hilfe-Kasten seines Kofferraumes. Dann hatte er Kiara noch kurz geschrieben, dass es viel später wurde, und sie hatte ihm gleich geantwortet, dass sie auf ihn warten würde.

Missy und Law saßen auf der Rückbank, während einer von Missys Angestellten den Wagen ruhig durch die Nacht fuhr. Die Straßen waren leer und die Ampeln waren bereits abgeschaltet. Auf der Landschaft rund herum um das Anwesen stieg dichter Nebel auf. Law war vorhin schon aufgefallen, wie kühl und klamm sich die Luft draußen angefühlt hatte. Als er die dicken Nebelschwaden aus dem Fenster betrachtet hatte, hatte er sich für einen Moment gewünscht, einfach darin zu verschwinden. Abstand von allen hier zu bekommen und einfach kurz die Ruhe zu wahren. Ganz für sich allein.
Er war müde.
Müde vom Tag.
Müde von Rosward.
Müde von den nicht aufhörenden Provokationen Jays.
Müde davon, darüber nachzudenken, wie er Kiara von allen fernhalten konnte.

Kraftlos sank sein Kopf in den Sitz und leise atmete er aus. Der Schwarzhaarige spürte das sanfte Hin- und Herwiegen des Wagens unter sich. Er konnte nicht leugnen, dass es dafür sorgte, dass seine Lider schwerer wurden, und er darüber nachdachte, einen Moment die Augen zu schließen. Mit einer Hand hielt er seinen verletzten Arm im Schoß und sein Blick glitt gedankenlos zu Missy. Ihm war vorhin schon aufgefallen, dass sie erschöpft aussah.
Vielleicht hatte sie wieder zu viel getrunken und deswegen mit ihrem Bruder gestritten. Law hatte keine große Sorge um sie, und trotzdem fragte er sich, was sie beschäftigte. Missy wirkte verändert, als gäbe es etwas in ihr drin, das ihr zu schaffen machte. Dabei hatte sich auch ihr genereller Umgang verändert.
„Ist alles in Ordnung?" rang Law sich die Frage ab. Seine Stimme war heruntergefahren und fast wie ein Flüstern, doch die Blonde hatte ihn verstanden.
Kurz warf sie einen Blick auf den Fahrer des Autos und dann zu Law.
Sie biss die Zähne zusammen, lächelte matt und nickte kurz, dann hatte sie wieder aus dem Fenster gesehen. Sie hatte gar keine Kraft mehr, um viel zu erklären, viel zu erzählen, und auch mental fühlte sie sich zerfetzt. Am liebsten hätte sie geweint, denn die Tränen brannten ihr schon in den Augen. Sie unterdrückte sie, weil sie nicht hierher gehörten. Missy wusste, dass sie diejenige war, die am Allerwenigsten einen Grund zum Heulen hatte.

Stattdessen brannte ihr etwas Anderes auf der Seele.
„Kiara, ja?", fragte sie und versuchte damit ihre Laune zu heben. Das Bild der Blauhaarigen ging ihr durch den Kopf, und nun hatte sich der Rahmen um sie vervollständigt. „Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit", erwiderte Law leise und sah zwischen den beiden vorderen Sitzen auf die Straße. „Vielleicht" stimmte Missy zu. Kurz hielt sie inne, ehe sie weitersprach.
„Neulich da", fing sie an und streckte die Beine aus. „Haben wir uns im Foyer getroffen. Als ich bei dir war." erzählte sie ruhig und erinnerte sich noch sehr gut an die Begegnung, und der Schwarzhaarige drehte den Kopf ein Stück zu ihr, um ihr zuzuhören.
Kiara hatte das nicht erwähnt, aber im Moment war ihm der Grund dafür auch einfach egal. Er wusste, wie leid sie das Thema war, und möglicherweise hatte sie deswegen nichts gesagt. „Wie ist es gelaufen?", fragte Law und klang dabei schon nicht mehr so niedergeschlagen, wie er sich fühlte. Ab und zu hatte er sich gefragt, wie so ein mögliches Treffen hätte ablaufen können. Doch die Blonde neben ihm lieferte ihm prompt die Antwort darauf. „Wenn Blicke töten könnten, wäre ich augenblicklich umgefallen." schnaubte sie leise und klang ein wenig amüsiert, obwohl sie die Reaktion komplett verstand. „Sie hat ihren Standpunkt ziemlich klar gemacht." fügte Missy hinzu und sah zu Law. Ein Schmunzeln zwang sich um seinen Mund. Er konnte es nicht einmal verhindern. „Ja, das glaube ich" erwiderte er nur. „Ich würde ja sagen, dass sie es nicht so gemeint hat, aber vermutlich hat sie gemeine Dinge gesagt und sie genau so gemeint." runzelte er die Stirn und erinnerte sich daran, wie er selber schon Opfer dieser schneidenden Attitüde geworden war. „Ja." bestätigte Missy ein wenig Unbehagen. „Dacht ich mir." wandte er den Blick von der Blonden ab und sah wieder auf die Straße vor ihm. „Ist deine Neugier jetzt gestillt?" fragte er dann noch. „Mh, ich hatte mich mit dem Gedanken nichts zu wissen abgefunden." seufzte sie leise und ihr fiel auf, auf wie vielen Ebenen diese Aussage stimmte. „Ich war glücklicher, als nichts wusste." sagte sie leiser und blickte ebenfalls wieder aus dem Fenster neben sich, wo sie die Stadt bemerkte und auch, dass sie bald da waren. „Das Leben ist hart, setze dir einen Helm auf." meinte Law schlicht und ging auf die Tiefgründigkeit hinter den Worten nicht ein, obwohl er verstehen konnte, dass es mittlerweile auch für Missy nicht einfach war. „Ich denke darüber nach," erwiderte sie trocken und blieb dann still.

Can't fight the moonlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt