Sind Judentum und Christentum so gewalttätig wie der Islam?
Raymond Ibrahim Middle East Quarterly, Sommer 2009, S. 3-12 (Middle East Forum, 8. Juni 2009)
Original: Are Judaism and Christianity as Violent as Islam?
„Es gibt weit mehr Gewalt in der Bibel als im Koran; die Vorstellung, dass der Islam sich durch das Schwert aufgedrängt hat, ist eine westliche Fiktion, erfunden zur Zeit der Kreuzzüge, als es aber westliche Christen waren, die brutale heilige Kriege gegen den Islam führten."[1] Das verkündet die ehemalige Nonne und selbsterklärte „freie Monotheistin" Karen Armstrong. Dieses Zitat fasst das einflussreichste Einzelargument zusammen, das derzeit dazu dient die Vorwürfe abzuwehren, dass der Islam inhärent gewalttätig und intolerant ist: Alle monotheistischen Religionen, sagen die Befürworter einer solchen Argumentation, und nicht nur der Islam haben ihren Anteil gewalttätiger und intoleranter Schriften wie auch blutiger Geschichte. Wann immer die Heiligen Schriften des Islam - zuvörderst der Koran, gefolgt von den Berichten der Worte und Taten Mohammeds (die Hadithe) - als Beweise für die immanente Kriegslust der Religion hervorgehoben wird, erfolgt die unmittelbare Erwiderung, dass andere heilige Schriften, insbesondere die jüdisch-christlichen, gleichermaßen von gewalttätigen Textstellen durchsetzt sind.
In der Mehrheit der Fälle setzt dieses Argument jeder Diskussion darüber ein Ende, ob Gewalt und Intoleranz im Islam einzigartig sind. Statt dessen wird zur vorgegebenen Antwort, dass es nicht der Islam per se ist, sondern muslimische Unzufriedenheit und Frustration- immer verschlimmert durch wirtschaftliche, politische und soziale Faktoren - die zu Gewalt führen. Dass diese Sicht perfekt mit der „materialistischen" Erkenntnistheorie des säkularen Westens übereinstimmt, sorgt dafür, dass alles um so weniger hinterfragt wird.
Bevor daher der Koran und die historischen Worte und Taten Mohammeds, des Propheten des Islam, wegen Aufhetzung zu Gewalt und Intoleranz verurteilt werden, sind die Juden gut beraten die historischen Gräueltaten zu bedenken, die von ihren hebräischen Vorvätern begangen wurden und dies in ihren eigenen Schriften aufgezeichnet sind; Christen ist anzuraten den brutalen Kreislauf der Gewalt zu bedenken, den ihre Vorfahren im Namen ihres Glaubens sowohl gegen Nichtchristen als auch Mitchristen begangen haben. Mit anderen Worten: Juden und Christen werden daran erinnert, dass, wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte.
Aber ist das wirklich so? Ist die Analogie mit anderen Schriften legitim? Sind hebräische Gewalt in der Antike und christliche Gewalt im Mittelalter vergleichbar oder können sie die Hartnäckigkeit muslimischer Gewalt in der Moderne wegerklären?
Gewalt in der jüdischen und christlichen Geschichte
Gemeinsam mit Armstrong sind jede Menge prominenter Autoren, Historiker und Theologen diese „relativistische" Sichtweise eingetreten. John Esposito z.B., der Direktor des Prince Alwaleed bin Talal Center for Muslim-Christian Understanding an der Georgetown University, fragt sich:
Wie kommt es, dass wir immer weiter dieselbe Frage stellen [die über Gewalt im Islam] und dieselbe Frage nicht an die Christenheit und das Judentum stellen? Juden und Christen haben Gewaltakte begangen. Wir alle haben die transzendente und dunkle Seite... Wir haben unsere eigene Theologie des Hasses. Im Mainstream-Christentum und -Judentum tendieren wir dazu tolerant zu sein; wir hängen einer exklusivistischen Theologie an, die des „wir gegen sie".[2]
„Dark Passages", ein Artikel von Professor Philip Jenkins von der Pennsylvania State University schildert diese Haltung sehr komplett. Er will zeigen, dass die Bibel gewalttätiger ist als der Koran:
In den Begrifflichkeiten der Anordnung von Gewalt und Blutvergießen wäre jede grob vereinfachende Behauptung zur Überlegenheit der Bibel über den Koran äußerst falsch. Fakt ist, dass die Bibel von „Terrortexten" überfließt, um eine von der amerikanischen Theologin Phyllis Trible geprägte Formulierung zu auszuborgen. Die Bibel beinhaltet weit mehr Verse, die Blutvergießen preisen oder dazu drängen, als der Koran und biblische Gewalt ist oft weit extremer und von wahlloserer Brutalität beprägt... Wenn der Gründungstext die gesamte Religion formt, dann verdienen Judentum und Christentum höchste Verurteilung als Religionen der Grausamkeit."[3]
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