Ging Jesus nach Indien?

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Eine Untersuchung der Quellen und Motive dieser Theorie

Über den Notowitsch-Bericht, Prof. Hassnains Angaben, das Yuz-Asaf-Grab in Srinagar und das Turiner Grabtuch

von Armin Risi

Die Suche nach den Quellen

Seit Anfang der achtziger Jahre sind im deutschsprachigen Raum verschiedene Publikationen erschienen, die die Theorie vertreten, Jesus habe für eine gewisse Zeit in Indien gelebt. Hierbei gibt es zwei verschiedene Varianten: (1) Jesus habe vor dem Beginn seines öffentlichen Wirkens, irgendwann zwischen seinem zwölften und dreißigsten Lebensjahr, Indien besucht. (2) Jesus sei nach der Kreuzigung nach Indien und/oder Kaschmir gereist, da er die Kreuzigung überlebt habe bzw. gar nicht gekreuzigt worden sei. In der Hauptstadt von Kaschmir, Srinagar, könne heute noch sein Grab besucht werden.

1981 berichtete Erich von Däniken in seinem Buch Reise nach Kiribati von seinem Besuch in Kaschmir, wo er einen Prof. Hassnain interviewte. Dieser sagte über Jesu Tod und Grab in Kaschmir: „Die Beweiskette ist lückenlos. Sie kann vor jedem Gericht bestehen." (S. 219)

Bereits im Jahr 1973 war dieser Mann, Prof. Fida Mohammed Hassnain, als Autorität in Deutschland zitiert worden, nämlich in der deutschen Illustrierten STERN (Nr. 16, „Jesus starb in Indien").

Ein ganzes Buch widmete damals der Autor Siegfried Obermeier diesem Thema: Starb Jesus in Kaschmir?Das Geheimnis seines Lebens und Wirkens in Indien. Dieses Buch wurde von demselben Verlag veröffentlicht, in dem auch Erich von Dänikens erste Bestseller erschienen waren (Econ-Verlag).

Große Resonanz fand dieses Thema, als im Jahr 1983 Holger Kerstens Buch Jesus lebte in Indien auf den Markt kam.

Im Jahr 1984 berichtete eine andere deutsche Illustrierte, die BUNTE (Nr. 47, „Wo starb Jesus wirklich?"), über die Kaschmirreise einer dubiosen Forschungsgruppe unter der Führung von Kurt Berna alias Hans Naber alias John Reban. Dieser hatte bereits im Jahr 1957 eine Schrift mit dem Titel „Jesus ist nicht am Kreuz gestorben" veröffentlicht. Der BUNTE-Artikel ist allerdings etwas kritisch, da der besuchte Prof. Hassnain sich damals gerade in der peinlichen Lage befand, daß das von ihm angekündigte Datum der Wiederkunft Jesu (21. März 1983) offensichtlich falsch gewesen war.

Im Englischen hatte es schon früher diesbezügliche Veröffentlichungen gegeben. 1976 erschien ein Buch von A. Faber-Kaiser mit dem Titel Jesus died in Kashmir. Auch dieser beruft sich auf F. M. Hassnain und auf eine Schrift, die vom Imam der Londoner Moschee, J. D. Shams, erstmals im Jahr 1939 veröffentlicht worden war: The Tomb of Jesus Christ in India. Diese Spur führt zur islamischen Ahmadiyya-Splittergruppe, die von Ghulam Ahmad (1839-1908) gegründet wurde. Dieser hatte sich selbst als Messias bezeichnet und behauptete auch als erster, Jesus sei in Srinagar begraben.

Es ist nun wichtig zu wissen, daß im Islam die Meinung vorherrscht, Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern ein anderer Mann sei an seiner Stelle gekreuzigt worden. Demgegenüber behauptet der jüdische Talmud, Jesus sei sehr wohl am Kreuz gestorben (in Folge einer gerechtfertigten Kreuzigung), aber nicht auferstanden. In dieser wichtigen Frage widersprechen sich also der Talmud und der Koran.

Neben den islamischen Quellen berufen sich die Vertreter der Jesus-in-Indien-Theorie auch auf alte tibetische Schriften, die der russische Journalist Nikolaj Notowitsch gesehen haben will.

Wie glaubhaft ist Notowitschs Zeugnis?Was hat es mit dem angeblichen Jesus-Grab in Srinagar auf sich?Wie fundiert sind die Arbeiten von Obermeier, Kersten u. a.?

Als Antwort auf die vielen Diskussionen veröffentlichte der deutsche Indologe und Tibetologe Dr. Günter Grönbold im Jahr 1985 eine wissenschaftliche Kritik der genannten Bücher und Autoren. Auf dieses 152-seitige Buch mit dem Titel Jesus in Indien -Das Ende einer Legende (Kösel-Verlag, München 1985) stützen sich die folgenden Ausführungen.

Islam aus christlicher Sicht/ Kritik an die katholische Kirche teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt