Kapitel 2: „Never.", flüsterte er.

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Kapitel 2 <<bearbeitet>>

Ein lauter Knall ertönte, welcher die ganze Wohnung durchdrang. Ehe ich mich versah lag ich schon im nächsten Moment auf dem Boden. Dabei überkam mich ein solcher Durst... Ein Durst der mich zu Boden zwang und welcher die Müdigkeit in meinem Körper zu nichte machte. Alles war von einem auf den nächsten Moment vergessen, nur der Durst stand im Vordergrund und schien von Minute zu Minute größer zu werden. Ich biss meine Zähne zusammen, versuchte so den Durst zu unterdrücken doch ich spürte keinen mindernden Effekt, egal wie sehr ich mich auch dagegen werte. Ich schaffte es nicht den Durst zu unterdrücken und spürte im Nachhinein nur wie ich meine Zähne fletschte. Ein lautes Knurren entfuhr mir, welches selbst mich für eine Millisekunde überraschte. Was war das, fragte ich mich, doch wusste genau, dass ich es war, deshalb fragte ich mich eher seit wann ich denn knurrte? Mein Atem ging unkontrolliert und es wurde noch schlimmer als ein süßer Duft mir in die Nase stieg, der eindeutig aus dem Hausflur kam.

Alles ging so schnell. So schnell, dass ich kaum die Zeit hatte meine eigenen Bewegungen zu realisieren.

Mit einem Ruck sprang ich auf und rannte zur Tür, bevor ich sie mit voller Wucht aufriss und einer alten Dame aus dem 3. Stock entgegen stand. Erst verwirrt schaute sie mich an, bevor sich ihr Blick schnell von geschockt zu ängstlich veränderte. Doch gerade als sie ansetzen wollte und sich von mir entfernen wollte, erhellte ein schmerzerfüllter Schrei das Treppenhaus des Gebäudes. „AH.", schrie sie auf und es schien gerade als geschehe alles wie in Zeitlupe. Ich packte ihren Nacken mit voller Wucht und an das nächste an das ich mich erinnere ist, dass ich wortwörtlich ich an ihrem Hals saugte. Blut strömte von meinen Lippen, mein Kinn herunter und ich konnte förmlich hören, wie Tropfen für Tropen auf den Boden auf platschte. Nur nebenbei bemerkte ich im Rausch wie sie wimmerte und versuchte meine Hand wegzudrücken, aber ich war einfach viel zu stark für sie. Ich spürte wie die Dame immer schwächer wurde in meinen Armen, aber ich dachte in diesem Moment nicht ansatzweise daran aufzuhören. Mir ging es nur darum, den Durst zu stillen, das brennen in meinem Hals zu betäuben, denn desto mehr ich trank desto angenehmer wurde der Schmerz von zuvor in meinem Körper.

Irgendwann, ich kann leider nicht sagen wann, entschied ich mich jedoch die Frau loszulassen. Meine Lippe bebte vor zittern, denn innerlich wusste ich das es zu spät war, als ich hörte wie die Frau auf dem Boden zusammenklappte. Kein Muskel bewegte sich, nur ihre glasklaren blauen Augen starrten leer zu mir hinauf. Zeigten mir nur umso mehr was ich getan hatte, führten dazu, dass sich Schuldgefühle in mir breit machten. Ängstlich und von diesen Schuldgefühlen geplagt spürte ich wie sich meine Beine selbstständig machten und mich langsam rückwärts in meine Wohnung zurückführten. Kaum in der Wohnung angekommen schloss geschickt die Tür und ließ mich an ihr runter gleiten. Langsam... bis mein Körper auf den kalten Boden traf.

Nein. Das kann nicht sein. Ich bin kein Monster, das war nur Einbildung, redete ich mir ein. Immer und immer wieder, wiederholte ich den Satz in meinen Kopf, manchmal sprach ich die Worte auch wirklich aus. Zu geschockt war ich immer noch von dem was geschehen war, ich konnte es einfach nicht glauben. Erst als der Mond am Himmel schien wagte ich mich aufzustehen. Nur zögernd setze ich Fuß nach Fuß um ins Bad zu treten. Wie heute Morgen erblickte ich mich im Spiegel, doch sah anderes als zuvor nicht weg, sondern musterte jeden einzelnen Zentimeter an meinem Körper.

Meine Kleidung, meine Hände, blutverschmiert genau wie mein Mund.

Ich konnte nicht anders als mit Tränen in den Augen über das Blut zu streichen. Irgendwie hoffte ich dass es nicht real sei, doch das bereits trockene Blut, welches ich an meinen einzelnen Fingerkuppeln spüren konnte, brachte mich zurück an die Realität und zeigte mir, dass es keine Einbildung war. Es zeigte mir, dass ich ein Monster war, das ich wirklich etwas Schreckliches getan hatte. Egal wie oft ich auch über das Blut strich, es war immer und immer wieder da, es verschwand einfach nicht, brachte mich zu verzweifeln.

Ich strich mir gerade zum x-Mal mit den Fingern bis zur Lippe, da kam mir das Blut auf die Zunge. Spucke sammelte sich in wenigen Sekunden in meinem Mund. So viel Spucke wie noch nie in meinem ganzen Leben und damit kam auch der Durst wieder. Ich konnte den Durst nicht unterdrücken, wie zuvor schon nicht. Zu sehr schmeckte es mir und machte eine gewisse Wärme in mir breit, brachte mich um meinen Verstand. Alles bebte an meinem Körper von dem Moment an, als das Blut auf meine Geschmacksnerven der Zunge traf. Meine Hände, mein Körper, mein Gesicht. So schnell ich konnte. packte ich ein Handtuch und klatschte mir Wasser ins Gesicht, versuchte so dieses Beben zu bändigen, aber am wichtigsten war es mir, dass alle Blutspuren verschwinden. Jedoch war es mit dem Blut nicht getan, denn das Bild der toten Frau kam mir wieder in den Sinn. Die Leiche. Genau. Was sollte ich mit der Dame machen? So viele Fragen und es gab einfach keine Antwort. Keiner konnte mir helfen.

Mein Leben wurde mit einem Schlag an diesem Tag in die Dunkelheit gezogen. Es gab keine Gefühle die mich glücklich machten, kein Schmerz der mich noch mehr in die Tiefe zog und das schlimmste an der Sache war die Erinnerung die mich noch in den nächsten Tagen, Wochen und Jahren verfolgen sollte. Sie lief wie ein Film vor meinen Augen entlang. Aber an dem Tag passierte noch etwas anderes. Ich sah Bilder die ich noch nie gesehen habe, aber ich war da. In den Erinnerungen. Schon seit heute Morgen, seit ich aufgewacht war, sah ich die Bilder und jetzt kamen die Erinnerungen von gestern an meinen Augen vorbei gezischt. Blaue, eiskalte Augen wie Glasklares Wasser strahlten mich an. Diese Haare, so braun wie Kastanien, dieser Körper, nur von Muskeln übersät und seine Haut. So weich jedoch gleichzeitig kalt wie Schnee. Jede seiner Berührungen konnte ich jetzt spüren. Wie seine Hände über meinen Körper fuhren und sein Atem der mir in meinen Ohren kitzelte.

„Never.", flüsterte er.

Und mit diesen Worten schlug ich meine Augen wie in einem Horrorfilm auf. Ich fuhr mit meiner Hand über die Stelle am Hals und sah nur sein Gesicht vor meinen Augen. Sein strahlendes Gesicht, seine weißen Zähne, seine Augen die mich auf der Party angefunkelt hatten. Nichts davon war mehr zu sehen. Nur ein Monster saß am späten Abend gestern vor mir und fletschte seine Spitzen bissigen Zähne gegen mich.

Ein kleiner Schrei entfuhr mir und ich erinnerte mich wieder genau daran wie auch in der Nacht ein solcher Schrei meine Lippen verlassen hatte. Meine ganze Luft blieb mir für einen Moment im Hals stecken, bei den Erinnerungen der gestrigen Nacht.

Eins wurde mir bewusst, neben dem Schock, den ich gerade durchlebte. Ich werde nicht ruhen, bevor ich ihn gefunden habe. Alle die sich gegen mich stellten müssten beseitigt werden, denn ich würde nicht Ruhen bis ich ihn gefunden habe. Gleichzeitig wusste ich dass ich mich von meinen Familienmitgliedern fern halten musste, denn dieser Gedanke, dass ich meine eigene Familie verletzten könnte, machte mich verrückt. Lange konnte ich daran jedoch nicht denken, zu sehr schwirrte mir sein Gesicht vor Augen.

Sein Gesicht war so perfekt... ohne Fehler. Er hatte eine perfekte Nase, Wangenknochen die hervortraten und jedes Mädchen zum Schmelzen bringen, einfach alles war perfekt an ihm. Zumindest war es die Seite, die er vorspielte zu sein, denn so perfekt er auch schien, trotzdem wusste ich, dass in ihm ein Monster schlummerte, genau, wie bei mir. Ein Monster das immer seinen Willen bekommen würde. Das immer sein Verlangen stillen müsste. Die Gier nach Blut.

Auch wenn ich so redete als wäre es das normalste der Welt ein Monster zu sein, hatte ich dennoch Angst, neben Rachegefühlen, war Angst, das Gefühl was meinen Körper dominierte.

Angst... und noch mehr Angst.

Lange konnte ich darüber nicht nachdenken, denn ein stechender Schmerz machte sich in mir breit und unterbrach mich in meinem Gefühlschaos. Ich fiel zu Boden und krümmte mich vor Schmerz. Der Schrei der daraufhin durch meine Lippen huschte war viel lauter als der davor. Jeder Schrei der folgte schien immer lauter zu werden und desto mehr ich mich gegen den Schmerz wehrte desto schmerzhafter wurde er. Er durchlief meinen ganzen Körper, von unten bis oben und wenn er unten angelangt war fing es von vorne an.

Alles was ich wollte war, dass es aufhört. Mein Leben sollte aufhören, alles sollte aufhören in meinen Augen.


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