Saphir

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Ich sitze in meinem Sessel und mein Blick huscht über die Zeilen. Die Prophezeiung des Saphirs. Saphir erst später den Kreis betritt, Turmalins starke Hülle erhält einen Schnitt. Später werden sie sich finden und das Gute für immer binden. Jackson hat gesagt, dass der Saphir wahrscheinlich dieses Jahr kommt, also muss er mit den Schulen gekommen sein. Ich lasse meine Gedanken schweifen. Saphir... Ich fahre hoch. Plötzlich sehe ich wieder die Augen vor mir, die saphirblauen Augen von dem Mädchen, das nach der Butter gefragt hat. Wie heißt sie? Ich glaub, das hat sie nicht erwähnt. Ich hab ihn! Ich hab den Saphir! Der magische Kreis der 12 ist komplett! „LEUTE!", schreie ich, Lily, die gerade über den Zaubertrankhausaufgaben hängt, stößt beinahe ihr Fass um. „Emmi? Was ist los?", fragt auch Mary. Alice legt ihre Zeitschrift ab und kommt zu mir geeilt. Das Surren von Marls Nähmaschine verstummt. „Woooohw...", meint sie und schaut um das Bücherregal herum, „Was ist denn?" „Ich hab den Saphir!", berichte ich atme los, meine Wangen sind ganz heiß. Euphorie kocht in mir hoch. „Was?", gibt nun auch Lily von sich. Ich sehe ihr ins Gesicht. Mir fällt auf, dass sie blasser aussieht, etwas gehetzt. Sie versteckt es normalerweise hinter Makeup. „Ja! Das Mädchen, das sich die Butter geborgt hat." Schweigen. „Ihr wisst schon, die mit den Locken." Stille. Immer noch. „Wegen der Sirius rot geworden ist?", versuche ich es nochmal. „OH! Diee!", macht Marl. „Ach so" „Sag das doch gleich." Ich verdrehe lachend die Augen. Ich weiß wieder, warum sie meine Freundinnen sind.

Schließlich wird es Zeit fürs Abendessen und gemeinsam gehen wir in die große Halle, Sophy stößt zu uns. „Hai", grinst die dunkelhaarige uns an. „Tag", gebe ich glucksend zurück. Ich halte verstohlen Ausschau nach dem Beauxbaton-Mädchen. „Weißt du schon, wann unser lieber Kapitän das Training angesetzt hat?" „Nope", mischt sich Marl ein, „wissen wir noch nicht." „Junge! Der Typi soll sich beeilen und nicht jahrelang rumgammeln und nichts tun! Was ist denn bitte schön so schwer daran, einen Tag festzulegen? Ich mein, ernsthaft!" Mena lacht: „Chill down Sophy! Wir haben noch Zeit, aber ich richt's ihm aus." „Tu das", sagt diese und fügt hinzu, „Sorry, meine beste Freundin ruft. Sehn uns!" „Tschau", meine ich und da ist Sophy schon weg. Ich gluckse. „Ich mag sie", ist das knappe Statement Marlenes. „Ich auch", stimme ich zu. Also gehen wir zu unserem lieben James, der „UNERKLÄRLICHER" Weise mit irgendeiner Typin flirtet, Mena staucht ihn von Sophy zusammen und wir gehen wieder zurück zu den Mädels. Etwas unnötig, ja. Lily schaufelt sich eine kleine Portion Salat und gedünstetes Gemüse auf. Alice zieht die Augenbrauen hoch: „Ist das alles, was du isst?" „Ja", ist die Antwort. „Darf man erfahren, wieso?", will ich besorgt wissen. „Man darf", grinst der Rotschopf, „Dennis meint, dass ich ein Bäuchlein ha-" „Was zur Hölle?", mischt sich Marl ein, „Als ob, Lily, einfach nur als ob! Du könntest als Model durchgehen, mal ernsthaft! Du bist fast genau so dünn, wie Emmi und die ist ja unnatürlich dürr." „Danke.", meine ich leicht pikiert. „Nichts für ungut", fügt sie entschuldigend hinzu. Uh, scheiße, Lily schaltet auf Durchzug. Unbeteiligt zuckt sie mit den Schultern. „Außerdem bin ich gar nicht mehr so dünn", versuche ich mich zu verteidigen, „Ich hab schon wieder viel mehr Muskeln zugelegt und es ist ja nicht wirklich meine Schuld!" Scheiß Koma. Mena meint: „Das war kein Vorwurf oder so, das war ein Vergleich um Lily zu zeigen, dass sie einen Müll ein „Bäuchlein" hat." „Leute", meint diese, „Es geht euch eigentlich nichts an, ob ich jetzt versuche schlank zu werden oder nicht." Ihre Augen blitzen herausfordernd. Mary verschränkt die Arme vor der Brust. Ohoh... das könnte jetzt eine Diskussion der Superlative werden. „Du BIST schlank! Der Idiot soll seine Fresse halten und es geht uns als deine Freunde SEHR WOHL etwas an, wenn du dich zu Tode hungerst und dich abmagerst." „Ich magere mich nicht ab, erstens, und zweitens, nenn ihn nicht Idiot!", faucht Lily. Ich widme mich meinem Essen und widerstehe dem Drang, den Streit schlichten zu wollen. Das geht sowie so nicht gut. So fliegen eben die Fetzten über den Gryffindortisch. Es ist nicht so schlimm, wie ich es erwartet hätte, aber was soll man den anderes erwarten, wenn Mary und Lily sich streiten. Ich finde, Apokalypse ist da ziemlich angemessen. Ich? Melodramatisch? Neeeeein.

Je näher die nächste Woche kommt, desto nervöser werde ich. Hoffentlich haben James und Sirius ihr Wort gehalten und keinen Scheiß gebaut. Ich blicke auf den Wecker. 0:17 Uhr. Ich sollte schlafen. Ich versuche meine Gedanken auszusperren und drifte langsam in den Schlaf ab.

Ich laufe durch hohe Gänge. Ich halte verdutzt inne und schlage gegen die Mauer. Sie ist hart und kalt. Grau in grau ragt sie so hoch, so weit nach oben bis nur noch ein schmaler, ganz feiner Streifen Himmel zu sehen ist. Ich komme mir vor, als würde ich irgendwo hinunter schauen. Zögernd gehe ich weiter. Ich bin zwischen Betonwänden gefangen. Na toll. Auf einmal stehe ich vor einer Gabelung. Zögernd biege ich rechts ein. Ich laufe weiter, Panik kriecht langsam meine Adern hinauf. Ich zucke zusammen. Lachen. Das grausame schrille Lachen. Ich kenne es. Woher? Ich beschleunige meine Schritte. Wieder ein Gang. Ich biege ein. Das Lachen folgt mir, kommt näher. Ich beginne zu laufen, immer schneller. Nächster Korridor. Immer noch grau in grau. Knapp hinter mir ist sie, die Stimme. Ich bleibe nicht stehen. Wieder links. Scheiße. Sackgasse. Ich bleibe verzweifelt stehen und blicke meinem Gegner entgegen. Mein Shirt klebt vor Schweiß an meiner Haut. Mein Herz verkrampft sich vor Schock. Das ist die Gestalt aus meinem Traum! Die knochige, dürre Gestalt mit den glutroten Augen, den langen, spitzen Klauen. Breite, schwarze Schwingen thronen auf ihren Schultern. Meiner Kehle entrinnt ein gurgelnder Schrei. Der Engel, oder was auch immer es ist, stürzt auf mich zu und nagelt mich zu Boden. Schmerz durchzuckt mich. Ich versuche mich zu befreien und trete wild um mich. Doch sie ist zu schwer. Wieder schlage ich zu. Kein Zweck. „Du wirst sterben. Und sie alle mit dir. Du bist das Verderben", zischt sie. Es klingt wie Metall, das über Metall schleift. Eine Gänsehaut ziert meinen gesamten Körper und mein Magen verkrampft sich. Ich sehe in das knochige, zombiegleiche Gesicht. Und ich bemerke auf dem schmutzigen, verfilzten, dunklen Haar der Gestalt ein Diadem. Es kommt mir bekannt vor. Blau und silbern. „Du bist Verderben und ich werde dich ins Verderben stürzen!", kreischt die Person, meine Ohren schmerzen, ich werfe den Kopf verzweifelt hin und her. Lass es aufhören! Bitte. Das Kreischen schwillt an, immer lauter und durchdringender, immer schmerzhafter. Ich schreie. Will diesem ekelhaften Geräusch entkommen.

Mit einem Ruck reiße ich die Augen auf. Mein Bett ist schweißnass, vielleicht habe ich sogar geschrien. Mein Herz rast, als ich mich hektisch umsehe. Alle anderen schlafen jedoch noch. Das Kreischen tönt immer noch in meinen Ohren. Ich versuche mich zu beruhigen. Einatmen, ausatmen. Ich versuche mich zu erinnern, doch je länger ich irgendetwas erhaschen will, desto mehr entgleitet mir es. Doch einige wenige Dinge weiß ich genau. Ich war in einem Labyrinth. Die Gestalt war dieselbe, wie im Traum davor. Da war ein Diadem. Und ich bin Verderben.


Glücksklee-grün wie die HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt