Meine Augen treffen Marls angstvolle und ich springe wie elektrisiert auf, um zu ihr zu hasten. Ich hasse diesen Blick. Er lässt mich schaudern. Ich hasse es zu wissen, dass sie leidet. Ich falle ihr um den Hals. Wir halten uns aneinander fest. Ich drücke sie an mich, als hinge mein Leben davon ab. „Keine Angst", wispere ich hastig, „wir schaffen das. Wir schaffen das. Wir schaffen alles. Ich bin da. Keine Angst." „Wir schaffen das", wiederholt sie eindringlich, „Alles." „Gemeinsam." Wir lassen einander los und ich beiße meine Zähne zusammen, um meine Tränen zu verhindern. Nur noch einmal. Einmal durch die Hölle und wieder zurück.
Ford wendet sich uns zu: „Also, ich möchte mich kurzhalten. Um durch das Labyrinth zu kommen müsst ihr einerseits den Kompass, den ihr bei der letzten Aufgabe geholt habt, verwenden, andererseits gibt es in diesem Labyrinth Erinnerungen, in Form von schwebenden Lichtern, die euch den Weg weisen werden. Folgt den guten, nie den schlechten, und glaubt mir, es wird schlechte geben. Nun, genug gesagt. Kommt durch das Labyrinth. Das erste Team am Ende erhält fünfzig Punkte, das zweite vierzig undsoweiter." Scheiße, ihr Ernst? Wir müssen die schrecklichsten Momente unseres Lebens noch mal durchleben? Ein Schauer läuft über meinen Rücken. „Fuck it", höre ich Paulina. „Entschuldigung?", fragt ein perplexer Ford. „Ich hab gesagt; fuck it.", wiederholt sie, „Ist das Ihr Ernst? Noch was Idiotischeres konnten Sie sich nicht ausdenken, oder?" Ich muss lachen und bin dabei nicht die einzige. Dumbledor schmunzelt: „Es ist sehr schön Ihre Meinung diesbezüglich zu hören, Miss Murow." „Kein Problem", meint sie grimmig und streicht ihre dunkelroten Locken aus ihrem Gesicht. Ihre Augen funkeln herausfordernd. Dann wird das Gesicht des Schulleiters wieder ernst: „Ich wünsche Ihnen allen gutes Gelingen und starke Nerven. Es geht gleich los." Ich wechsle einen Blick mit meinen Rumtreibern. James Augen sind dunkel vor Unruhe, Sirius' blitzen beinahe, Peters glitzern verdächtig, als er durchatmet, während Remus' unlesbar sind.
Und das nächste was ich wahr nehme ist Tommy's Stimme, die uns aufruft. Verschwommen realisiere ich, das wir an den Anfang eines steinernen Labyrinths treten. Mein Blick schweift umher, alles scheint sich zu drehen. Die Leute, mit denen wir eben noch gelacht haben, haben sich in Rivalen verwandelt, die Sicherheit Hogwarts, in einen Irrgarten aus Beton. In der Menge der Zuschauer suche ich nach Toby. Für einen Moment finde ich ihn und alles scheint für eben diesen Moment stehen zu bleiben. Und für diesen Moment fühle ich nichts mehr. Keine Furcht, keine Panik, keine Aufregung, nur einen Moment inneren Frieden. Dann blinzle ich und reiße mich aus dem schwummrigen Zustand los. Ab jetzt zählt nur noch die Herausforderung vor uns. „Los!" Ich stürme vor, mit meinen Freunden an meiner Seite. Hinein in die Dunkelheit des Labyrinths. Sobald wir zwischen den Gängen verschwinden und die anderen Gruppen verlieren, wird es schlagartig kälter. Als hielten die Wände um uns die Kühle der Schatten fest. „Moony", sagt Peter leise, doch seine Stimme hallt in der Stille von den Mauern wieder. Der Jubel der Tribünen ist verschwunden. „Ja?", dessen Stimme zittert leicht. „Der Kompass." „Okay, hab ihn gleich." Er kramt in seinem Rucksack und zieht das glitzernde Ding hervor. „Solo per memorias bonas", flüstere ich. Meine Augen suchen den Gang vor uns ab. „Schwebende Lichter", meint James mit einem kleinen Schnauben, „noch besser geht's gar nicht mehr." „Wir müssen links", lässt Sirius, der über Remus Schulter blickt. „Okay", sagt dieser und mit vorsichtigen Schritten und entzündeten Zauberstäben bewegen wir uns vorwärts. Meine Sinne sind geschärft, meine Muskeln angespannt. Wir nehmen die erste Abzweigung links, dann bei einer Kreuzung geradeaus und um die Kurve. „Da!", Mena packt mich am Arm und deutet auf ein Licht in der Ferne, „die erste Erinnerung!" Ich beschleunige, laufe beinahe darauf zu. Kurz davor bremse ich und komme wenige Zentimeter vor dem Licht zum Stehen. Glitzernd erhellt es die grauen Wände in schimmerndem Silber. Meine Haut erscheint weiß, klar, wie aus Elfenbein, als ich auf meine Hände sehen, die schon nach dem Licht greifen wollen. Ich drehe mich zu meinen Freunden um. „Soll-soll ich?", frage ich, auch wenn ich nicht mal genau weiß, was ich meine. James nickt. „Mach."
Ich schlucke, wende mich dem glitzernden Ball zu, schließe die Augen und mache einen Schritt nach vorne. Zuerst ist alles strahlend weiß, dann umfängt mich Schwärze.
Ich reiße meine Augen auf. Wo bin ich? Mein Herz klopft heftig in meiner Brust, als ich mich orientiere. Ich stehe in einem See, meine Füße im kühlen Wasser. Abseits von mir spielen Kinder, Frauen liegen in Bikinis im Gras und sonnen sich, während die Männer sich quer über drei Liegen unterhalten und Bier trinken. Der Badesee wird von Bergen umrahmt, der Himmel ist von endlosem Blau und die Sonne scheint warm und unersättlich auf meinen Kopf. Ich atme tief den Duft von gemähtem Heu ein. Bin ich in Kärnten? Mein Blick streift über die Sandkiste, ein Stück weg von mir. Ein blondes Mädchen spielt im Sand, baut Türme. Ich starre es sprachlos an. Meine Beine bewegen sich auf es zu, schweben beinahe über die Wiese. Und als das Mädchen seinen Kopf zu mir dreht, ersticke ich den Schrei mit meiner Hand. Das bin ich. Erkenntnis flutet meinen Kopf, benebelt meine Gedanken, nimmt mir die Luft zum Atmen. Afritz. Mein Kopf schnellt herum, um das Tretboot auf der dunkelblauen Wasserfläche zu erblicken. Ich höre Lachen. Meine Augen liegen auf dem kleinen Boot, das durch die sachten Wellen schaukelt. Jemand steht oben auf der Rutsche. Ein Junge. Wie in Zeitlupe sehe ich, wie er abrutscht, einen kleinen Schrei von sich gibt und die klare Oberfläche durchbricht. Stromstöße schießen durch meinen Körper, als das Boot ein Stück abdriftet. Ich höre den Jungen schreien. Ich wirble herum, zu den Menschen am Strand, die nichts zu merken scheinen. Panische Schreie hallen über den See. „HELFT IHM!", brülle ich außer Kontrolle den Mann neben mir an, doch der scheint mich nicht wahrzunehmen mit mildem Interesse sieht er auf das Wasser. Ich merke, wie es mich schüttelt, merke erst jetzt wir Tränen unkontrolliert meine Wangen hinunterströmen. „DU IDIOT!", schreie ich von Schluchzern geschüttelt, „MACH WAS!! MACH WAS DU STÜCK SCHEISSE! BEWEG DICH!" Die Schreie des Jungens werden immer schriller, seine Bewegungen hilfloser, kraftloser.
Erst jetzt, als er langsam, wie von einer übernatürlichen Macht nach unten gezogen wird, laufen die ersten los, springen ins Wasser, schwimmen los, um ihm zu helfen Zu spät. Ich bin in die Knie gesunken. „Nein", wimmere ich, meinen Mund verlässt ein langgezogener Klagelaut, bevor mein Körper zusammensackt. Das blonde Mädchen sieht verwirrt auf. Zu spät.
„Yang! Emmi!", ruft jemand und schüttelt mich. Ich reiße meine Augen auf, sehe verschwommen die Schemen der Wände. Die Silhouetten meiner Freunde. „Alles okay?", fragt Peter bleich. „Emily", flüstert Marl und streicht über meine Schulter. Ich schließe meine Lider. Fuck it. Vorbei. Es ist vorbei. Das ist vor fast zehn Jahren passiert. Es ist vorbei. Ich öffne wieder meine Augen und rapple mich auf. Ich wische über meine Wangen und atme tief durch. „Wir sind falsch gegangen. Wir müssen vorne abbiegen." „Okay", sagt Sirius und wir machen uns auf den Weg zurück und weiter.
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Glücksklee-grün wie die Hoffnung
FanfictionGLÜCKSKLEE-GRÜN WIE DIE HOFFNUNG 2. Teil der Karneolreihe/ Fortsetztung von Klatschmohn und Klatschmohnroter Sommer TEXTAUSZUG__„Dunkle Zeiten ziehen auf. Es kommen Tage, in denen wir Vertrauen und Loyalität brauchen um zu überleben. Und Entsch...