Ich merke, wie er kurz innehält, bevor er mir nach seinem Vater die Hand küsst. Prickelnd steigt ein Glücksgefühl in mir auf, das die Kälte und das Entsetzen, das Sirius Zustand in mir ausgelöst hat, vertreibt. Ich bemühe mich, mir mein rasendes Herz nicht anmerken zu lassen und neige mit steinerner Miene den Kopf. Ich darf nicht zeigen, dass ich ihn kenne. Ich versuche Gleichgültigkeit in meinen Blick zu legen. Er sieht mich an und seine Augen verdunkeln sich enttäuscht, als er keine Wärme in meinem Blick findet. Meine Brust zieht sich zusammen, der Kloß in meinem Hals wird größer. Ich schlucke. Es muss so sein. Nach und nach sind alle angekommen und wir begeben uns zu Tisch. Die Tafel ist gigantisch, beinahe 60 Leute haben Platz und ich setze mich an ihren Kopf. Die Gestecke sind aus Veilchen, Farn und weißen Ranunkeln angefertigt worden, Kerzenlicht erhellt den Tisch und die Gespräche beginnen, während der erste Gang aufgetragen wird. Ich unterhalte mich hier und da mit einem französischen Zauberer, dessen Familenname Stone lautet, mit spanischen, den Gomez', mit Norwegern, den Flatlands, und mit einer deutschen Hexe, deren Nachname Körner lautet. Merlin, das merke ich mir nie. Weitere vier Gänge folgen, doch ich esse immer nur hier und da ein bisschen. Ich bin viel zu aufgeregt wegen der Rede. Hoffentlich bringe ich das ordentlich rüber. Mein Blick schweift zu Sirius, der nur wenig isst. Was ist mit ihm passiert? Was haben die Monster nur mit ihm gemacht. Ich spüre wie kalter Hass in mir aufsteigt und ich balle unter dem Tisch meine Hände zu Fäusten. Irgendwann werden sie für all das büßen. Irgendwann. Meine Augen wandern weiter zu Toby. Meine Brust schnürt sich vor Kummer zusammen. Ich glaube, ich habe ihm wehgetan. Ich wollte das nicht. Hoffentlich versteht er. Ich darf nicht. Nicht jetzt. In Hogwarts kann ich ihm das alles erklären, dann ist wieder alles in Ordnung. Ich hasse diesen Blick, diesen verzweifelten Blick in seinen Augen. Toll, jetzt bin ich mal wieder naiv, von wegen alles in Ordnung. Dabei hat mir das verdammte Schicksal doch gezeigt, dass nie alles so läuft wie man möchte.
Clarie reißt mich leise aus meinen Gedanken: „Emmi. Deine Rede." Ich spüre wie ein Zittern meinen Körper erfasst. Was? Jetzt? Oh Merlin, nein! Ich nehme einen tiefen Atemzug, unterdrücke meine Nervosität und erhebe mich. Meine Hand greift automatisch nach einem kleinen, silbernen Löffel und ich läute an dem Glas. Der helle Ton füllt den gesamten Ballsaal aus und lässt die Menge verstummen. Ihre Blicke ruhen erwartungsvoll auf mir und ich beginne: „Meine Damen, meine Herren, ich wünsche Ihnen einen wundervollen guten Abend. Es ist mir eine Ehre, Sie heute Abend hier in Spes Manor zur 792. Reinblüterversammlung begrüßen zu dürfen." Meine Stimme schwebt fest und klar durch den Raum und von dem Moment an, in dem ich begonnen habe zu sprechen, weiß ich die Worte wieder, sie sind mir ins Gedächtnis eingebrannt. „Zuallererst möchte ich Clarie Potter danken, sie hat mich in den letzten Monaten sehr unterstützt, das rechne ich ihr hoch an und spreche ihr meine tiefe Verbundenheit aus." Leise wird geklatscht, James Mutter erhebt sich, um sich zu verbeugen, zu sagen: „Ich danke dir." Und sich wieder zu setzen. Ich spreche weiter: „Weiters möchte ich den Hauselfen danken, die dieses Festmahl zubereitet haben", ich merke wie sich ein skeptisches Tuscheln erhebt, aber ich ignoriere es. Ich behandle meine Hauselfen mit Respekt. Wenn es ihnen nicht passt, da ist die Tür. „Und nicht zuletzt Ihnen, die Sie so zahlreich erschienen sind.
Ich weiß, sie an diesem schönen Abend an die Bedrohung zu erinnern, mag unpassend erscheinen, aber ich halte es für notwendig, für meine Pflicht Ihnen vor Augen zu führen, was uns bevorsteht." Nun habe ich ihre Aufmerksamkeit und ermutigt rede ich weiter, meine Stimme ist ruhig, dennoch kräftig: „Die älteren unter Ihnen haben vermutlich noch die dunkle Zeit vor sich, als Grindelwald auf dem Vormarsch war, bevor Dumbledor ihn besiegte. War es damals Grindelwald, so ist es heute Lord Voldemort." Die Anwesenden ziehen scharf die Luft ein, blicken ängstlich hin und her, als erwarteten sie, er würde gleich in der Tür stehen. „Ja - ich spreche seinen Namen aus, denn die Angst vor einem Namen macht nur noch mehr Angst vor der Sache selbst.
In den düsteren Tagen, die kommen werden, brauchen wir Vertrauen, Einigkeit. Es ist wichtig zu wissen, auf wessen Seite man steht, wofür man kämpft. Es ist wichtig für mich zu wissen, wem ich mein Vertrauen entgegenbringen kann. Nur so kann ich die Sicherheit und Standfähigkeit der Familie Spes gewährleisten. All das kann ich durch eine einfache Forderung sichern: Jeder von Ihnen in diesem Saal, der gegen die Zusammenarbeit und die Rechte, die ihnen, sowie uns zustehen, mit und von Muggeln, Muggelstämmigen und Halbblütern sind, mögen sich nun erheben und auf der Stelle mein Haus verlassen." Clarie neben mir schnappt leise nach Luft und ich stehe noch aufrechter. Jetzt sehe ich ob sie genug Respekt haben, dem Folge zu leisten.
Stühle werden gerückt, wütende, zornige Stimmen erheben sich. Ich rufe mit machtvoller Stimme über den Lärm hinweg: „Dies verlange ich, um meine Seite, all jene, die hinter mir und meiner Überzeugung stehen, zu schützen! Ich arbeite gegen Rassismus, gegen Hass und gegen Verachtung! Die Familie Spes steht für Frieden, für Hoffnung! Und ich werde diese niemals nehmen!" Nun haben sich mehrere Familien erhoben. Die Lestranges, die Rosiers, die Malfoys, die Gomez', die Averys, Notts, Parkinsons. Die Familie Black erhebt sich als letztes und ich glaube, mein Herz bliebe stehen, als Sirius sitzen bleibt.
Meine Brust krampft sich zusammen. „Sirius", hauche ich. Die ersten Familien disapperieren, aber er bleibt sitzen. Rührt sich nicht. Mit steinerner Miene sieht er gerade aus. Mein Blick flackert zu James, aus dessen Gesicht alles Blut gewichen ist. Mit weit aufgerissenen Augen, sehe ich zu dem jungen Black zurück. Seine Eltern haben innegehalten. Sie haben bemerkt, dass ihr Sohn sich nicht erhoben hat. „Sirius!", herrscht sein Vater und es wird still, „Steh auf!" Zum ersten Mal heute öffnet dieser seinen Mund und antwortet mit harter, kalter Stimme: „Warum Vater? Ich leiste den Anweisungen von Madam Spes Folge." Ich will mir die Hand vor den Mund schlagen, die Tränen des Entsetzens und der Rührung über meine Wangen rollen lassen. Orion tritt vor und packt Sirius Handgelenk, zieht ihn hoch. Ich bemerke den kurzen Ausdruck von Schmerz, der über Sirus Gesicht huscht, als sein Vater ihm mit einer kaum sichtbaren Bewegung das Gelenk verdreht. Wieder steigt dieser Hass in mir auf. Ich nehme aber auch die Empörung jener, die sitzen geblieben sind, wahr, ihren Respekt vor dem Jungen, der seinem Vater, der Orion Black getrotzt hat. Mit einem leisen Rauschen sind sie disapperiert. „Elly", sage ich, „Stell die Barrieren wieder her." Sie ist für einen Bruchteil der Sekunde neben mir erschienen, sie nickt und ist wieder verschwunden. Ich atme zittrig durch.
„Was soll das jetzt gebracht haben?", meint ein Zauberer. Es ist Mr. Winterfield. Was das gebracht haben soll? Ist der schwer von Begriff oder so? Ich wende mich ihm zu und sage mit beherrschter Stimme: „Wissen Sie, ich habe meine Feinde lieber mir gegenüberstehen, als in meiner Mitte." So, jetzt ist er still. Es auch für die Restlichen Zeit aufzubrechen. Es ist gut zu wissen, wer zu mir gehört und wer nicht. Beim Abschied sagt Lieselotte Körner leise und auf Deutsch zu mir: „Viel Glück, Madam Spes, für alles, was Sie noch vorhaben." „Ich danke Ihnen", erwidre ich in meiner Muttersprache und verabschiede sie. Als letztes sind nur noch die Potters anwesend und ich lasse meine Fassade los und falle James um den Hals. Tränen rollen meine Wangen hinab. Ich spüre wie James zittert, während er mich festhält. „Was machen sie nur mit ihm?", wispre ich leise. Ich löse mich wieder von ihm und wische mir über die Augen. Die seinen glitzern glasig. Ich schniefe und wende mich Clarie zu. Ich bemerke ihren stechenden Zorn, der von ihr ausgeht. Zuerst will ich fragen, ob ich etwas falsch gemacht habe, aber dann erkenne ich den urmütterlichen Instinkt. Die Wut ist auf die Blacks konzentriert. In diesem Moment merke ich, dass Clarie mehr Sirius Mutter ist, als es Walburga jemals sein könnte.
Doch auch sie müssen gehen und ich bleibe allein zurück. Ich habe die Schuhe ausgezogen, in meiner Tasche die Voicebell gesucht. Mit den Worten: „Halte durch Sirius, ich glaube an dich, halte durch", habe ich sie losgeschickt und nun verschwindet sie funkelnd in der Nacht. Der Zeiger nähert sich der zwölf und Elly hat mir ein Glas Sekt gebracht. Ich ziehe meine Schuhe wieder an und trete beim Wintergarten hinaus in den verschneiten Garten. Es ist dunkel und in strahlendem Weiß glitzert meine Umgebung ich lehne mich an die Steinbalustrade, die die Terrasse vom restlichen grün/weiß abgrenzt. All meine Freunde sind nun irgendwo. Auf Partys oder so. Sirius. Mein Herz sticht, als ich an ihn denke. Wie er alleine in seinem Zimmer liegt, unfähig sich zu bewegen, immer noch den Schmerz seiner Folter spürt, vielleicht gerade meine Voicebell hört. Ich sehe hinauf in den dunklen Himmel. In der Ferne schlägt eine Kirchturmuhr Mitternacht. Schlagartig wird die Nacht von Feuerwerken erhellt, die glitzernd, funkensprühend und in voller Farbpracht ihre Muster in die Schwärze zeichnen. Wie sie Hoffnung verteilen, die Hoffnung auf ein neues, glücklicheres Jahr. Nun, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ein Stein scheint auf meinem Herzen zu liegen als ich in die Dunkelheit hineinflüstere: „Ein frohes 1975, Leute."

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Glücksklee-grün wie die Hoffnung
FanfictionGLÜCKSKLEE-GRÜN WIE DIE HOFFNUNG 2. Teil der Karneolreihe/ Fortsetztung von Klatschmohn und Klatschmohnroter Sommer TEXTAUSZUG__„Dunkle Zeiten ziehen auf. Es kommen Tage, in denen wir Vertrauen und Loyalität brauchen um zu überleben. Und Entsch...