Ich versuche meinen blutigen Arm so gut wie möglich zu verdecken, als ich die Stufen hinauf eile. Niemand darf mich sehen. Das gibt eine Menge bescheuerter Fragen. Nur noch die fünf Treppen, dann hab ich's. Ich eile weiter, nehme gleich zwei auf einmal. Da ertönt eine Stimme hinter mir, die mich erstarren lässt. „Emmi!" Scheiße, Pascal. Okay, jetzt ganz normal. „Hey Pascal!", rufe ich gespielt fröhlich und beiße meine Zähne zusammen, als eine weitere Welle des Schmerzes durch meinen Körper rollt. „Alles okay bei dir?", fragt er stirnrunzelnd, als er vor mir steht. „Ja,ja", sage ich, „bin nur auf dem Weg in den Krankenflügel." „Warum das denn?", will er vorsichtig wissen. „Nur... nur so", lüge ich. Irgh, das war schlecht gelungen, Mädchen. Er zieht die Augenbrauen hoch. Ich seufze tief: „Hand aufgeschnitten, aber das ist eh gleich wieder okay." „Zeig mal", bittet er mich besorgt. Ich beiße auf meine Lippe und wende meinen Blick ab. „Emmi?", fragt er ruhig. Ich atme frustriert aus und nehme meinen Arm unter dem Umhang hervor. Er ist mit Blut gesprenkelt und an der Stelle des Schnittes beinahe dunkelbraun gefärbt, da das Blut bereits zu trocknen begonnen hat, aber immer mehr nach gedrückt wird. Hagrids Verband ist bereits durchnässt. „Heilige Scheiß", entfährt es ihm, „Und ich quatsch dich da noch so blöd zu. Los, komm, du müsst in den Krankenflügel." Wieder zuckt Schmerz durch meinen Arm und lässt ihn schwer werden. Ich nicke nur und haste mit ihm die letzten Stufen hinauf.
Oben angekommen stößt er die Tür auf und Madam Pomfrey wuselt auf mich zu. „Du schon wieder", sagt sie grimmig. „Ist auch Sie wieder zu sehen", krächze ich und lasse mich auf ein Bett sinken. Vor meinen Augen tanzen vereinzelte schwarze Punkte. „Was hast du schon wieder angestellt? Komm her", sagt sie herzlicher und beginnt sich an meinem Arm zu schaffen zu machen. Ich zische auf, als das getrocknete Blut an dem Stoff des Umhangs die Wunde wieder aufreißt. „Achtung", sagt Pomfrey schnell und zieht den Zauberstab, „das kann jetzt weh tun." Ich nicke und beiße die Zähne zusammen. „Ich hol Toby, okay?", sagt Pascal schnell, „Ich hab ihn vorhin gesehn." Erschrocken setze ich mich auf und hätte beinahe aufgeschrien, als der Schmerz in meinem Körper auflodert. „Nein!", rufe ich hastig, „Nein, Pascal bitte, nein, hol ihn", aber er ist schon bei der Tür raus, „nicht." Schieße. Tränen steigen in meine Augen. Er wird auszucken. „Es wird alles gut", meint Pomfrey sanft und drückt mich zurück in die Laken. Meine Brust zieht sich zusammen, leise Schluchzer verlassen meine Kehle. „Es wird mich hassen", wispere ich verzweifelt. Dann schließe ich meine Lider, beiße meine Zähne zusammen und breite mich auf den Schmerz vor. „Bereit?", will sie wissen. Erste Tränen laufen meine Wangen hinunter. Ich höre ein Klicken. „Ja", flüstere ich. „Curatestus." Die Worte verlassen ihren Mund. Und der Schmerz erreicht meinen Arm. Gellend, gleißend fährt er in meine Adern. Glühend ergießt er sich in mein Fleisch. Ich beiße meine Kiefer zusammen, werfe mich herum, aber Madam Pomfrey, hält meinen Arm eisern fest. Mein Körper wehrt sich gegen die Qual, spannt sich an. Tränen rollen über meine Wangen. Es fühlt sich an, als stieße mir jemand ein glühendes Eisen in den Arm. Ein Kreischen entfährt mir, vollkommen unwillkürlich.
Dann ganz plötzlich ist es vorbei. Ich wimmere. Die Heilerin fährt mir beruhigend über die ehemalige Wunde. „Es ist gut. Es ist vorbei." Die Anspannung verlässt meine Muskeln und ich falle beinahe kraftlos auf meine Matratze. Ich öffne blinzelnd meine Augen. Sie hat sich erhoben und wäscht nun den Verband von Hagrid in einer kleinen Waschmuschel in der Nische. Ich wende meinen Kopf zur Seite. Das Blut erstarrt in meinen Adern. Toby steht mit versteinerter Miene im Türrahmen. Er kommt mit verschränkten Armen auf mich zu. Ich wende den Blick ab und wische meine Tränen weg. Mein Arm funktioniert wieder wie er sollte. Madam Pomfrey verschwindet in ihrem Büro und hinterlässt eine unbehagliche Stille. Ich sehe wieder zu meinem Freund. Mein Herz klopft ängstlich in meiner Brust. Wie lange kann ich ihn noch so nennen? Wie lang bleibt er noch bei mir? Er hat sich auf dem anderen Bett niedergelassen und sieht mich nur mit blassem, ernstem Gesicht an. An der Art, wie er seine Augenbrauen zusammenzieht, kann ich erkennen, dass er sauer ist. Ich räuspere mich: „Brings hinter dich." Er runzelt die Stirn und schenkt mir einen fragenden Blick. Ich setze mich auf. „Komm, fahr mich an. Es ist okay." Warum kann er's nicht einfach hinter sich bringen? Er seufzt tief und sagt zornig: „Warum bist du nur so scheiß stur!? Warum musst du dich immer erst verletzen oder so, bevor du's einsiehst? Ganz ehrlich, wenn du Probleme hast, dann red mit mir drüber, aber stürz dich nicht kopfüber in was, nur damit es dich vielleicht ablenkt! Ehrlich, mir kommt's so vor, als ob du das absichtlich machst, damit du dich verletzt oder ein anderes Problem kriegst, über das du dir den Kopf zerbrechen kannst! Tut mir leid, aber so funktioniert das Leben nun mal nicht! Du musst deine Probleme lösen und nicht versuchen, dich zu verstümmeln und zu zerstören, das löst sie nun mal nicht!" Ich schlucke. Ich spüre wie Zorn in mir aufwallt. Wie immer, wenn mich wer kritisiert, aber mal ernsthaft? Hört er sich eigentlich zu? Weiß er eigentlich, was er da für einen unsäglichen Scheiß daherredet? Dann kommt der Schmerz. Das sitzt. Ich atme zitternd aus. Nicke nur.
Und das sitzt noch mehr. Ich hab zurückgesteckt. Ich hab mich niedergezwungen und gekuscht. Das tut noch mehr weh. Ich habe mir einen Maulkorb angelegt. Mich in einen Käfig gezwängt. Ich sehe nur nach draußen. Meine Augen beginnen zu brennen, aber ich halte die Tränen zurück. Stille. „Okay", sagt er nun ruhiger und erhebt sich, „kommst du?" Eigentlich sollte ich aus purem Trotz sitzen bleiben. Aber ich nicke nur uns stehe auf. Ein schwerer Stein liegt auf meinem Herzen. Er setzt sich erst in Bewegung, als ich neben ihm bin und er nach meiner Hand greifen kann. Vielleicht ist für ihn der Streit schon wieder vorbei. Vielleicht geht er nur gerade mit mir durch Hogwarts Gänge, denkt nicht mehr an die Auseinandersetzung. Das ist eben das Problem mit uns zweien. Wir sind uns so ähnlich, wir sind beide so stur, wie ein Esel, so impulsiv, wie ein Vulkan. Wir passen gut zueinander, aber ich weiß nicht, wie lange noch. Ich mein, wir sind ein Monat zusammen und streiten uns schon. Die Korridore sind leer. Toby drückt vorsichtig meine Hand. Ich presse meine Lippen zusammen, mein Herz klopft heftig, ich dränge Tränen zurück und erwidere unsicher seinen Druck. Ich merke, wie er sich etwas entspannt, aber er hält abrupt inne, als er mein Gesicht sieht. Für einen Moment blickt er nur in meine schwimmenden Augen, bevor er meine Hand loslässt. Mein Herz verkrampft sich. Doch er legt sie nur sanft auf meine Wange. Ich lege meinen Kopf in seine warme, weiche Hand. Er beißt sich auf seine Lippe, schluckt: „Ich hab dir weh getan." Simple Feststellung. Ich nicke nur. „Es tut mir leid", sagt er reuevoll. Ich schließe nur meine Augen. Er umschließt mein Gesicht mit seinen Händen. „Ems, schau mich bitte an." Ich öffne meine Lider. „Ems, es tut mir so leid. Ich wollte das nicht", wispert er. Mein Herz rast plötzlich in meiner Brust, ich fühle wieder die Blubberblasen statt der kleinen Messer an deren Stelle. Meine Mundwinkel ziehen sich in die Höhe. „Is okay", sage ich ruhig. Ein erleichtertes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Ich würd dich grad echt gern küssen", sagt er unvermittelt. Ich schicke das schelmische Funkeln zurück in meine Augen. „Worauf wartest du dann noch?", frage ich. Er grinst und zieht mich zu sich. Seine weichen Lippen landen auf meinen und ich fühle mich, als würden tausende und aber tausende Feuerwerke explodieren, als würde ich schweben. Eine Zahl für die Frequenz in der mein Herz schlägt kann es gar nicht mehr geben. Es ist kein sanfter Kuss, wie unser erster. Es ist ein Intensiver voller Leidenschaft. Es ist unbeschreiblich. Nach einer halben Ewigkeit lösen wir uns schweratmend. Ich grinse ihn glücklich an. Seine Augen mustern meine neugierig, sie leuchten gerade zu. „Merlin", meint er, „ich liebe dieses Grinsen."
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Glücksklee-grün wie die Hoffnung
FanficGLÜCKSKLEE-GRÜN WIE DIE HOFFNUNG 2. Teil der Karneolreihe/ Fortsetztung von Klatschmohn und Klatschmohnroter Sommer TEXTAUSZUG__„Dunkle Zeiten ziehen auf. Es kommen Tage, in denen wir Vertrauen und Loyalität brauchen um zu überleben. Und Entsch...