Mena will mich am Arm mitzerren, aber ich kann meine Füße nicht in Bewegung setzen. Mein Herz rast in meiner Brust, meine Hände zittern, während kalter Angstschweiß meine Stirn hinunter rinnt. Immer noch versucht sie mich zu bewegen. Wann hört das endlich auf? Ich spanne mich an, dann entspanne ich mich und endlich lösen sich die Fesseln, die um meine Füße gelegen haben und ich stolpere, bevor ich mit Marl weiter sprinte. Remus und Peter sind schon viel weiter vorne. Keuchend versuche ich die Gefahr, die sich rasend ausbreitet, als würde sie fliegen, um uns zu erwischen, zu ignorieren. ... als würde sie fliegen, um uns zu erwischen... fliegen... Flügel. Flügelschläge über uns. Nein, verdammt nochmal! Nicht schon wieder! Scheiß Dämonin, verpiss dich!
„Mena!", rufe ich panisch. Doch da stößt schon ein Schatten auf sie herab. Diese kreischt erschrocken auf. Der Speer schmiegt sich an meine Hand und ich springe und stoße den Speer in den Flügel der schwarzen Gestalt. Ich fühle wie eine feine Haut zu reißen scheint. Mit einem unwilligen Knurren wendet sie sich ab und mir zu. Ich spüre, wie alles stehen bleibt, mein Körper taub wird. Dieses Mal ist das kein Traum. Dieses Mal ist es real. „DU", zischt sie, die verfaulten Zähne unter den bläulichen Lippen gebleckt. Ich merke, wie der Löwe, der schon so lange in mir schlummert, aufwacht. „Ja?! Ich?!", rufe ich zurück mit einem plötzlichen Schwall an Wut. Das verfilzte Haar wirbelt umher, die knochige Gestalt, mit dem zerfetzten Umhang, den riesigen, dunklen Schwingen beginnt zu lachen. Schrill. Unmenschlich, so dass sich meine Nackenhaare sträuben. „Oh, oh, mutig ist sie", höhnt sie, „die kleine Spes." Ich knurre, als sie auf mich zu kommt und ich zurückweichen muss. „Du fürchtest dich vor dem Feuer, nicht wahr?", haucht sie hämisch, während sie ihre Mundwinkel zu einem Grinsen verzieht. Die roten Augen glitzern wahnsinnig. Mein Blick schweift zur Seite. Mein Herz stockt, als die Flammenwände auf mich zu kommen, ich die sengende Hitze spüre, die davon ausgeht und versucht, mein Gewand zu erreichen. In meinen Gedanken gehe ich Fluchtwege durch. Ich habe zwei Möglichkeiten, beide gehen eher tödlich aus. Meine Augen beginnen zu brennen. Das Feuer nur noch wenige Meter von mir entfernt. „Was willst du von mir?", fauche ich, auch wenn meine Stimme kümmerlicher klingt, als ich es will. Sie kichert: „Was ich will?" Ekel steigt in mir auf. „Nur dein Leben. Ich will nur sehen, wie dein Licht in die Dunkelheit fällt, sonst nichts." Ich blinzle meine Angst, meine Tränen weg. „Und warum?!", schreie ich sie an, vor Zorn und Furcht bebend. Wenn ich sterbe, will ich wenigstens wissen warum. Nun lacht sie, so irrsinnig, so wahnsinnig, dass es mir die Luft zum Atmen nimmt. „Warum?", gackert sie, sichtlich erheitert, „Meine Güte, Spes, einfach, weil es... Spaß macht. Verstehst du?" Ich starre sie nur entgeistert an. Was ist falsch mit der, was ist mit der ganzen Welt falsch? Was ist das verdammte Problem?
„Nein, ich verstehe es nicht", blaffe ich, „wo liegt denn da der Sinn? Was zur Hölle bringt es dir?" „Der Sinn", sie grinst immer noch, aber wenigstens hat sie aufgehört zu lachen, „der Sinn ist schon lange verloren gegangen, Spes, schon so lange." Sie schlägt mit ihren Schwingen, setzt am Boden auf, bevor sie auf mich zu geht und mich zurückdrängt. Ich spüre die Flammen im Rücken. Die Hitze, die schon schmerzt, auch wenn ich das Feuer selbst noch nicht berühre. Ich zwinge mich nicht zu schreien. Ich höre auf einmal, das Trappeln von Füße durch das Knistern und Knacken des Feuers hindurch. Hinter der Gefahr. Dann das Sirren eines Pfeiles. Knapp über der Dämonin schießt er vorbei. Alles scheint so schnell zu gehen. Jemand bricht links von mir hervor, doch die todbringende Gestalt schleudert sichtlich gelassen eine Hand voll Feuer auf ihn. Ich zucke zusammen, will helfen und hinlaufen, aber weiß nicht mehr wie. Ich kann nur da stehen bleiben und entsetzt zusehen, wie sein Gewand in Flammen aufgeht. Sein Schrei klagt schrill vor Schmerz durch den Wald, klingt in meinen Ohren nach, lässt meinen Magen sich umdrehen. Ein weiterer Pfeil von Marl, der den Flügel trifft. Die Dämonin kreischt auf, wütend, als hätte sie etwas verstanden und wirbelt herum. Der Schwung ihrer Flügel lässt mich stolpern, geradewegs in Flammen.
Gleißender Schmerz lähmt mich. Schießt durch jede einzelne meiner Zellen, lässt mein Blut kochen, meine Nervenzellen vor Schmerzen explodieren. Schwärze tanzt vor meinen Augen. Ein Schrei entfährt mir, als ich zurückstolpere, um dem orangenen Tod zu entkommen. Die Qual leckt mein Gesicht hinauf, tastet jeden einzelnen Millimeter meiner Haut ab. Ich winde mich im Schlamm und Dreck des Bodens. Stetig klingt sie ab, ist aber immer noch da. Immer noch präsent. Meine Wange pocht vor Hitze, ich spüre, wie sie Blasen wirft, anschwillt. Die Haut spannt unangenehm. Tränen laufen meine verbrannten Wangen hinab und kühlen sie zärtlich, lindern das Leid ein wenig. Ich kann gerade noch sehen, wie die hässliche Dämonin von einer unsichtbaren Macht eingesogen wird, wie von einem schwarzen Loch. Stück für Stück, stetig, bis sie kaum noch da ist. Noch ein letztes Mal kreischt sie, voll unbändiger Wut. Dann fallen die Flammen in sich zusammen und eine schlagartige Stille breitet sich über den Wald aus.
Ein Stöhnen, ein qualvolles Stöhnen, lässt mich mich aufrappeln und zu dem Jungen sprinten. Seine Haut ist aufgerissen, angeschwollen. Rot, blau, lila, schwarz, irgendein Mischmasch all dieser Farben. Ich falle neben ihm auf die Knie. „Hey", hauche ich verzweifelt und unterdrücke meinen eigenen Schmerz, „Hey, alles wird gut, ja? Alles-wird-gut." Meine Hände suchen nach meinem Zauberstab. Der Junge schreit, wimmert, keucht. Meine Eingeweide spielen verrückt. Der Gestank von Moder, nasser Asche und Glut und zerstörtem, verkohltem Fleisch steigt in meine Nase. Ich kämpfe den Würgreflex, der fest in meiner Kehle sitzt, nieder Der Großteil seines Gewandes ist verbrannt, ebenso seine Haut. Was hat Toby gesagt, macht man bei Brandwunden? Ich fingere an meinem Zauberstab herum, dann murmle ich: „Aguamenti maximi." Ein riesiger Schwall kalten Wassers ergießt sich über seinen Körper und ich merke, wie er sich, nachdem sein Körper sich aufgebäumt und gegen die Kälte gewehrt hat, entspannt. „Mena!", kreische ich, als Schmerz erneut in mir auflodert. Shit, shit, shit, nicht schon wieder die Wange. Schnelle Schritte, dann ist sie da. „Diptam", stottere ich, „schnell... brauche.. in.. in meinem Ruck-ck-sack." Sie murmelt schnell etwas und wenige Sekunden später schraube ich mit bebenden Händen, die schon dunkel vor Blut sind, das Fläschchen auf. „Wasser", zische ich ihr hastig zu, „halt bitte das Wasser." Sie nickt erneut und nimmt mir vorsichtig meinen Zauberstab ab. Ich fange vorsichtig bei seinem Gesicht an und bemühe mich nicht zurückzuzucken. Ein Teil seines Kiefers ist freigelegt. Der Knochen blitzt makellos weiß zwischen dem dunklen Fleisch hervor. „Tut mir l..leid", schluchze ich trocken, „Das... das kann jetzt weh- wehtun." Er keucht leise und bringt hervor: „Lass es... i...ich sterbe...d... doch sowieso." Ich schüttle heftig den Kopf: „Nicht wenn ich es verhindern kann. Nicht heute." Ich tröpfle die Essenz auf seine Stirn. Er schreit auf. Ich beiße mir auf die Lippen und mache weiter. Über die Augenlider, die Nase, den Mund und das Kiefer, weiter über den Hals und die Brust. Die Haut wird langsam klarer, wieder rosig, Lücken, die das Fleisch freigelegt haben, schließen sich langsam, als würden sie mit akkuraten Stichen zugenäht werden. Andere sind bei uns angekommen. Sie heben Zauberstäbe, ziehen die Luft ein, sprühen rote Funken und murmeln etwas von Nick, während ich bei seiner Brust angekommen bin. Ich höre Rauschen, jemand zieht mich von ihm weg. Ein Mann. „Wir kümmern uns um ihn. Danke. Aber du wirst hier nicht mehr gebraucht", sagt die tiefe Stimme. Ich nicke wie betäubt. Stände ich nicht so unter Schock hätte ich schnippisch auf die Aussage des Mannes reagiert, aber dieser Teil meines Gehirnes ist wie lahm gelegt. Das Bild des verbrannten Jungens hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich sage noch schnell, aber diesmal mit fester Stimme: „Du stirbst nicht. Nicht heute, mein Freund." Dann packt mich Mena. „Wir müssen zum See. Jetzt. Beeilen wir uns." Ihre Stimme bebt kaum merklich. Ich weiß, dass sie es gut meint, dass auch bei ihr der Schock noch tief in den Gliedern sitzt, aber wir müssen weiter. Ins Ziel. Nach Hause. Ihre Augen streichen über mein Gesicht, weiten sich erschrocken, aber ich hab keine Zeit, um zu fragen, was los ist. Um ehrlich zu sein, interessiert es mich nicht mal mehr. Ist doch schon alles egal. Ich laufe los. Sie mir hinter her und wir laufen und laufen und laufen quer durch den Wald, im Glanz der untergehenden Sonne, der Sicherheit entgegen. Nach Hause.
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Glücksklee-grün wie die Hoffnung
FanficGLÜCKSKLEE-GRÜN WIE DIE HOFFNUNG 2. Teil der Karneolreihe/ Fortsetztung von Klatschmohn und Klatschmohnroter Sommer TEXTAUSZUG__„Dunkle Zeiten ziehen auf. Es kommen Tage, in denen wir Vertrauen und Loyalität brauchen um zu überleben. Und Entsch...