Mal wieder

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„Mena", sage ich, meine Stimme schallt leise durch den leeren Gemeinschaftsraum. „Emmi", sie springt auf und umarmt mich, „Es tut mir leid. Ich hab die Jungs eh schon zusammen gestaucht, aber- sie sind solche Idioten und... ich hab auch Angst. Ich will das auch nicht machen. Warum ist die Welt so beschissen?" Ich lege meinen Kopf auf ihre Schulter und umarme sie. „Wir schaffen das", murmle ich leise, „Wir kommen da irgendwie durch. Wir kriegen das hin." Zitternd atmet sie aus und nickt. „Sicher?", flüstert sie. „Sicher. Ich versprech's dir. Wir schaffen das", sage ich eindringlich. Wir lösen uns voneinander und sie wischt sich über die Augen. Ich selbst habe keine Tränen mehr. Ich schlucke. Ich kann sie nicht verlieren. Nicht meine Schwester. „ich hab dich ganz doll lieb", sage ich. „Ich dich auch", schnieft sie. Ich lasse mich auf die Couch fallen und Marl sich neben mich. „Ist Toby dir nach gelaufen?" „Ja", nicke ich, „er war da. Irgendwie ist er immer da. Auch wenn er manchmal echt bescheuert ist." Stille. „Er mag dich. Ziemlich", kichert Mena leise. Ich ziehe die Augenbrauen nach oben: „Als ob." „Nix als ob, du. Der Blick wenn er dich anstarrt. Oder wie er vollkommen ausgezuckt ist und dir nach gerannt ist. Das nennt man ja wohl mögen." „Was auch immer", murmle ich und fahre mir mit dem Handrücken über die Augen. Als ob man sowas wie mich wirklich mögen könnte. Den Krüppel. Scarface. Ich meine, wer verliebt sich schon in ein Scarface?

„Magst du ihn?", fragt meine Freundin unvermittelt. „Hm?", mache ich verwirrt. „Ob du ihn magst!", wiederholt sie genervt. Ich zucke die Schultern: „Er ist nett und er macht sich Sorgen um mich und ich kann bei ihm lachen und heulen. Und wenn er mich ansieht ist es schon ein bisschen—ja. Kann man nicht wirklich beschreiben. Als würde mein Herz Bungee Jumpen. Ich weiß es nicht. Das ist alles so kompliziert. Wie immer halt." Sie mustert mich nachdenklich. „ich glaube, dass du dich nicht ganz auf ihn einlassen kannst, oder willst, weil du immer noch nicht mit ihm abgeschlossen hast." Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Es ist doch erst ein Jahr her. Seit sie ihn umgebracht haben. Wut und kalte Trauer liegen schwer in meinem Magen. Sie haben mir schon so viel genommen. Ich seufze leise: „Seit wann bist du so weise?" „Keine Ahnung", meinte sie leicht hin. Wieder ist es still. Dann meint sie: „Den Jungs tut es echt leid, was sie gemacht haben. Peter war ganz aufgelöst und Sirius hat angefangen sich selbst zu beschimpfen. Es ist- komisch. Sie so durcheinander zu sehen. Sogar Rem war etwas neben sich." „ich geh gleich zu ihnen rauf", flüstere ich und sehe wie Marl gähnt. „Geh schlafen Marlene, bevor du noch im Sitzen einpennst." „Okay", lacht sie leise und fährt sich durch ihr langes, blondes Haar. Dann steht sie auf und geht, vor Müdigkeit wankend, die Stufen zu unserem Schlafsaal hinauf.

Ich strecke mich, bevor ich mich ebenfalls erhebe und die Treppe zum Jungenschlafsaal hinauf eile. Ich öffne leise die Tür und rümpfe die Nase, als mir der beißende Geruch von Zigaretten in die Nase steigt. Ich wusste es. Schon in den Sommerferien hatte ich so einen muffigen Geruch an ihnen gemerkt. Ich schleiche vorsichtig durch das Chaos, bedacht darauf nichts umzustoßen und öffne schwungvoll das Fenster, um kalte Nachtluft herein zu lassen. Ich atme tief durch und betrachte mit einem Anflug von Traurigkeit meine Rumtreiber. Wie auf Sirius Gesicht ein bitterer Zug liegt und neben seinem Bett eine Schachtel Zigaretten. Wie James immer noch im Schlaf eine Butterbierflasche in der Hand hält. Wie Remus zusammen gerollt da liegt, als ob er sich zusammen halten müsse. Wie Peter das Kissen umarmt, mit verkrampften Fingern. Ich seufze. Was macht das hier aus uns? Was machen diese verdammten Zeiten nur aus uns? Ich fahre durch meine blonden Locken. Mein Blick wandert zum sternenklaren Nachthimmel. Bist du da? Hörst du mich? Kannst du auf mich aufpassen? Bitte? Und auf sie auch? Sie sind mein Leben. Sie sollen es nicht auch verlieren, sowie du deines. Wachst du über sie? Wenn nicht über mich, dann über sie? Und als eine Sternschnuppe klar und strahlend über das dunkle Firmament jagt, löst sich eine Träne aus meinem Augenwinkel und rollt meine Wange hinab. Danke. Und da weiß ich dass ich ihn habe gehen lassen. Auch wenn er immer bleibt, ist es jetzt Zeit für einen neuen Abschnitt.

oOo

Die folgenden Wochen verstreichen und ich arbeite unermüdlich an verschiedensten Verteidigungsarten, gegen alle möglichen magischen Viecher. Wenn sie das so aufbauen, wie beim Trimagischen Turnier, dann wird das sicher etwas damit zu tun haben. Die Hälfte des Novembers ist schon verstrichen und ich stehe unter Zeitdruck. Die Jungs übern mit Marl gerade Abwehrtechniken, während ich fiebrig über den Büchern hänge. Goldstachel, Erupment, Trektar, Chimära, Warblum, Mantikor, ... Wenn ich bloß wüsste, gegen was wir kämpfen müssten. „Leute, hat eigentlich wer VgddK gemacht?", fragt Sirius in die Runde. „Neee", kommt es unisono. „Und was machen wir jetzt?" „Uns Nachsitzen einhandeln, was sonst?", kommt es trocken von Rem. „Und du bist Vertrauensschüler", schnaubt James. „Ja mit Lily", stichelt der Werwolf mit einem kleinen Grinsen. „Danke für den Reminder", grummelt Jame und schickt einen Protego los um Menas Fluch abzuwehren. „immer wieder gern", neckt er ihn. Sirius lacht schallend auf: „Jame, lass dich nicht von ihm mit Evans ärgern. Ach, Schniefelus hatte schon so lange seine Ruhe." Ein teuflisches Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. „Jungs bitte", wirft Marl ein, doch umsonst. Sofort schmieden sie wieder Pläne, wie sie Snape bloßstellen können. Ich meine, ich mag ihn ja auch nicht, aber gehen sie nicht zu weit? „Wann findet die Aufgabe nochmal statt?", frage ich, um sie zu unterbrechen, auch wenn ich das Datum ganz genau weiß. „Am ersten Dezember", meint Peter. „Okay, es wird knapp, aber es geht sich aus", sage ich unbehaglich und da läutete es. Na toll. Mach dich gefasst auf Nachsitzen.

Wieso war es absehbar, dass wir nach dem Unterricht noch eine weitere Stunde bei Braims verbringen müssen? Ganz toll. Vielleicht sollte ich mal anfangen in VgddK auch Hausaufgaben zu machen. Noch nicht mal die Hälfte der Stunde ist vorbei, als es an der Tür klopft und eine Sechstklässlerin mit zartrosa Haaren öffnet. „Ja, was gibt es den Miss Chytil?", fragt Braims. Sie lächelt und meint: „Die Hogwarts Champions sollen sofort zur Eingangshalle kommen. Ihre Eltern sind da." „Oh na toll", grummelt unser Lehrer und wendet sich an uns: „Die Stunde holen Sie aber nach." „Natürlich Professor", lächelt Remus und streicht sein honigblondes Haar aus der Stirn, „Etwas andres steht ja außer Frage." Ich höre Marl: „Schleimer" murmeln und muss selbst mit den Augen rollen. Jaja du perfekter Vertrauensschüler, du. Wir folgen der Hufflepuff aus dem Klassenzimmer und ich stupse Marl an. „Wie glaubst du finden Paul und Pia das Schloss?" „Machst du Witze? Die werden sicher ausrasten und die Pia wir uns die ganze Zeit zu quasseln, wie ich sie kenne." „Sie ist halt eine Marlene 2.o" „Haha", macht Marl zynisch und wir folgen der Hufflepuff in die Eingangshalle. Was meine Eltern wohl dazusagen werden? Ich schlucke einmal heftig, bevor ich ein letztes Mal um die Ecke biege. „Mama, Papa", meine Stimme klingt rau. Mein kleiner Bruder winkt mir. Meine Mutter umarmt mich und ich lasse meinen Kopf auf ihre Schulter sinken. „Ist nich meine Idee gewesen", nuschle ich auf Deutsch, „Das waren die Idioten." Sie lacht leise und wischt sich über die Augen, als sie sich von mir löst. „Du passt auf dich auf, ja?" ich nicke. Was denn sonst? „Versprochen", meine ich, als ich meinen Vater umarme.

Dieses Scheißturnier muss gut ausgehen. „Und Emily noch was", meint meine Mutter ernst und mit vor Traurigkeit dunklen Augen, „es wird dir nicht gefallen." Ich schlucke. Ein flaues Gefühl liegt in meinem Magen. Gute Güte warum geht eigentlich alles durch den Magen? Jaja, ich weiß schon. Weil Wasser ein elektrischer Dipol ist, und so. Und was ist denn jetzt schon wieder passiert? Kann das nicht mal aufhören? „Was?", frage ich leise, beinahe ängstlich. Sie atmet tief durch und sagt: „Sarah ist tot. Sie haben sie umgebracht. Einfach so, keine richtige Todesursache. Sie ist einfach tot gewesen. " Was? Ein stumpfes Lachen entfährt mir: „Das ist ein Scherz, stimmt's? Nur ein Scherz. Das ist nicht wahr. Sag dass das nicht wahr ist!", meine Stimme bricht. Nein. Nicht sie. Nicht mein Mäuschen! Meine Sarah, mit der ich schon so viel Scheiße gemacht habe. „Es tut mir leid." Das ist nur ein Traum. Nur einer meiner beschissenen Träume. Ich will aufwachen. Jetzt! Ich schlage gegen eine der harten Wände. Meine Finger schmerzen. Ich bin immer noch hier. Ich träume nicht. Er hat sie umbringen lassen. Ich sehe zu Marl, die ihrer Mutter in den Armen liegt. Ihre Schultern beben. Sie hat es auch gerade erfahren. Ich lasse mich an der Wand hinunter rutschen. Nicht fair. Nicht fair. Das darf nicht wahr sein? Warum denn sie? Ich starre nur stumpf gerade aus. Ich hab langsam echt keine Tränen mehr. Als meine Mutter auf mich zukommt, springe ich auf, würge ein; „tut mir leid." Hervor und renne, mal wieder, los. Ich laufe wieder aus dem Schloss, wieder in Richtung Wald. Zum See. Mal wieder. Ich ignoriere meine brennenden Seiten. Ich höre ihr Lachen, ihr sarkastisches Gelabere, ihre Stimme wenn sie sich über etwas aufregt. Wie sie über mich lacht, weil ich mal wieder unfähig war. Und ich höre Amelie. Immer und immer wieder in meinem Kopf. Ich höre abrupt auf zu laufen und lasse mich zu Boden plumpsen. Ich ziehe meine Knie an, und schlinge meine Arme darum. Immer noch höre ich Amelie. Und meine Augen werden wässrig und mal wieder beginnen die Tränen zu fallen. Mal wieder.


Glücksklee-grün wie die HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt