Geben Sie seinen Worten Herz

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| oben ist Toby|

Die nächsten Wochen sind nur eines. Stressig. Die Lehrer hetzen uns herum, James ebenso, dann noch Vollmond und irgendwie ist dann schon der erste Monat herum. Die Tage werden immer kürzer und kälter, der Unterricht überfordert nicht mehr so sehr. Remus kämpft tapfer, aber ich merke seine Anstrengung jeden Tag zu meistern. Sein Immunsystem leidet unter dem Vollmond. In jeder Stunde hört man ihn sich schnäuzen oder ihn husten. Ich und Marl haben es uns zur Aufgabe gemacht ihn so gut wie es eben nur geht, zu unterstützen. Sei es ihn aufzuwecken, ihn zum Essen zu bringen oder ihm irgendwas abzunehmen. Marl ist an seiner Seite als Vertrauensschülergehilfin und ich versuche noch härter eine Lösung für unser Animagiproblem zu finden. James und Sirius sind wiedermal voll in ihrem Element als Streichekönige und Casanova schlecht hin. Also, ich glaub ein paar Mädchen haben sie schon abgeschlabbert. Echt...uaahah. *Schauder* Toby habe ich nicht gesehen, bis auf das eine Mal, wie ich Rem und Mena von so einem Treffen abgeholt habe. Professor Braims ist eigentlich ein recht guter Lehrer, er reagiert nur ein bisschen überempfindlich auf plötzliche Geräusche. Und naja, das Auge ist gruslig, also das Fehlende, versteht sich. Ich war bis jetzt noch nicht bei Professor Jackson nach den Stunden, aber mir ist aufgefallen, dass sie etwas abgehetzter aussieht, als letztes Jahr. Scheiß Krieg.

Als ich heute in die große Halle komme empfängt mich wütendes Geschrei. Ich runzle meine Stirn und haste zum Gryffindortisch, wo ein wutentbrannter Toby Remus anfährt. „Lupin, reiß dich verdammt nochmal zusammen! Dumbledor hat dir den Posten gegeben und nicht irgendeiner Tussi." Wut brodelt in mir hoch, schießt durch meine Adern und mit wenigen Schritten baue ich mich vor ihm auf. „Halt den Mund!", zische ich sauer. „Geh weg, das geht dich nichts an!" Ich recke wütend das Kinn: „Und ob es mich was angeht! Das ist mein bester Freund!" „Schnauze verdammt, niemand hat dir die Autorität für irgendwas gegeben!" „Halts Maul!", fauche ich, „ich brauche keine Autorität zu bekommen, um meinem Freund beiseite zu stehen!" „Ah und die Autorität einen Freund umbringen zu lassen, auch nicht oder wie?" Mein Herz setzt aus. „Ich hab sie doch nicht umbringen lassen", mein Protest klingt nur noch dünn. „Ach, nein?", giftet er, „tot ist sie trotzdem! Sieh's ein! Es ist deine Schuld." Es ist als hätte er mir ins Gesicht geschlagen. Mein Hals schnürt sich zu, mein Blick wird starr. Es ist deine Schuld. Schuld. Ich bekomme mit, wie Remus sich vor mich schiebt und knurrt: „Geh weg, Winterfield, verpiss dich einfach." „Nein, er hat recht", widerspreche ich schwach, „es war meine Schuld. Er hat recht." Mit diesen Worten haste ich aus der Halle. Ich bekomme nur am Rande mit, wie jemand zu Boden geht. Ich lasse meine Tasche fallen und beginne zu laufen. Weg von Toby, der großen Halle. Weg von allem. Die Wände im Schloss scheinen mich zu erdrücken, also renne ich hinaus auf die Ländereien, meine Füße tragen mich zu Hagrid. Ich stolpre, falle, rapple mich aber sofort wieder auf und setzte meinen Weg fort. Ich kann schon den Kürbisgarten sehen, die Krähen und irgendwie kommen langsam die Tränen. Ich stolpere auf das Tor zu und klopfe mit meinen Händen verzweifelt gegen das raue, verwitterte Holz. Deine Schuld. Ich höre Schritte, die dumpf über den Boden der Hütte trommeln. Mit einem Klacken öffnet Hagrid und strahlt mich an. „Emmi! Schön dich zu- was is los?", unterbricht er sich in der Mitte des Satzes besorgt, mein Gesicht hat anscheinend genug Auskunft gegeben. „To-oby", hickse ich, die Tränen beginnen zu rollen. „Was? Der Schülersprechertyp.. was is mit dem?" Ich beginne zu zittern. „Meine Schuld", flüstre ich und starre auf einen Punkt an der Mauer, „alles meine Schuld." „Momentchen, wart mal kurz, wir gehen um den See. Da kannst du mir's erzählen." Er wirft sich einen Mantel über und nimmt eine silberne Flasche mit. Wir machen uns auf den Weg zum schwarzen See. Immer noch rollen mir heiße Tränen hinunter, in meiner Brust herrscht ein kaltes, schmerzhaftes Gefühl vor. Es tut mir so leid, Cassy, es ist meine Schuld, es ist alles meine Schuld, es tut mir so leid. Stumm trabe ich neben Hagrid her, er strömt ein Gefühl von Sicherheit aus. Ich werde von Survivor flankiert, die immer wieder gegen meine Hand stupst und sich an mein Bein schmiegt. Ich fahre mit den Fingern vorsichtig durch ihr weiches, seidiges Fell. „Hier", brummt Hagrid und reicht mir die Flasche. Das Metall strahlt Wärme aus. „Was ist das?", meine Stimme klingt verschnupft. „Kakao", lächelt er. Vorsichtig schraube ich den Deckel ab. Hoffentlich stolpre ich jetzt nicht. Ich nehme einen Schluck. Ich schlucke, die Flüssigkeit fließt meine Kehle hinab und breitet eine Wärme in meinem Magen aus. „Hagrid", beginne ich mit einem Schmunzeln, „hast du da Feuerwhisky reingetan?" Er zuckt etwas beschämt die Achseln. „N bisschen schadet nie." Ich lache und nehme noch einen Schluck. „Und ich hab mich letztes Jahr über Jame aufgeregt", meine ich mehr zu mir selbst. „So- was is jetzt los?" Ich atme tief durch, schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und beginne zu erzählen. Von Anfang an. Nun ja, der Anfang ist vor einem halben Jahr. Bei der Schlacht. „Und irgendwie hat er recht", ende ich bitter, „es ist meine Schuld. Ich hab sie umgebracht, ich hab sie sterben lassen." „Nu hör doch mal auf!", poltert Hagrid. Ich lächle traurig: „Nein, Hagrid. Es ist so. Ich muss damit leben. Ist meine Schuld. Nicht die von jemand anders." „Es ist alles du-weißt-schon-wers Schuld!" „Und warum war er hier? Weil er MICH gesucht hat. Mich. Nicht Cassy. Nicht Remus oder James. Mich.", kontere ich. „Emmi. Es ist nicht deine Schuld, dass du die Speserbin bist." „Aber es ist meine verdammte Schuld, dass sie tot ist! Ich hätte sie abhalten müssen zu kämpfen oder sie zumindest schützen müssen! Irgendwas hätte ich tun müssen." „Schlimme Sachen passieren einfach." „Das hätte aber niemals passieren dürfen." Meine Stimme bricht. Survivor schmiegt fiepend ihre Schnauze an meine Seite. Ich schlucke schmerzhaft. „Lass uns über was andres reden", bitte ich ihn. „Ist in Ordnung. Du kannst mit sowas immer zu mir kommen, das weißt du, nich?" „Danke. Rubeus." Ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. Also marschieren wir weiter. „Du geht's nich in die Schule, oder?" „Nein", lache ich leise, „ich geh nicht." Wir kommen zu einem großen Felsen auf den wir klettern und ich setze mich vorsichtig auf die kalte Fläche. Ich starre hinaus auf den See. „Es ist so ruhig hier", murmle ich zufrieden und nehme noch einen Schluck Kakao. „Mhm." Survivor kuschelt sich an meine Beine. Nach zirka einer weiteren Stunde, in der ich stumm in die Ferne gestarrt habe, meint Hagrid: „Emmi, ich muss wieder zurück, aber ich lass dir den Wolf da, ok?" „Ja, ist okay", lächle ich. Hagrid erhebt sich und mit wenigen Schritten ist er schon beinahe wieder im Wald verschwunden. Ich selbst sitze nur da, mit Survivor zu meinen Füßen und genieße die Stille, die mich umgibt. Ich sitze einfach nur da, starre hinaus auf die graue, glatte Fläche des Sees, als interessiere mich das Ganze dort draußen nicht. Als wäre es mir egal. Aber das ist es nicht. Wird es nie sein. Alles deine Schuld. Deine Schuld! Tobys Stimme hallt in meinem Kopf. So ein Arsch. Ich dachte, er wäre nett. Dachte ich. Etwas heftiger kraule ich Survivors Fell und nehme einen beherzten Schluck Kakao. Danke Rubeus, das ist jetzt genau das Richtige. Wann ich beschlossen habe ihn Rubeus zu nennen? Ich weiß es nicht. Nach weiteren Stunden des Überlegens erhebe ich mich. „Komm Survivor. Wir gehen." Als hätte sie mich verstanden, steht sie auf und schüttelt ihr helles Fell. „Na dann geh wir, hm?" Mit einem leisen Kläffen springt sie elegant vom Felsen und ich folge ihr mehr oder weniger geschickt.

Ich schlendere mir ihr am Waldrand entlang, betrachte meinen Atem, der in weißen Dampfwölken aufsteigt, die bunten Blätter, die sanft von den Bäumen fallen und zu Boden segeln. Ich würde so viel dafür geben, einfach wieder ein Kind zu sein. Mich würde das alles nicht berühren. Ich wäre frei. Ich seufze leise und setze meinen Weg fort.

Ich weiß nicht genau, wie spät es ist, als ich durch das Tor laufe. Ich habe das Mittagessen verpasst, soviel ist sicher. Die Gänge sind wie ausgestorben. Ich treffe niemanden, als ich mich hinunter zu den Küchen schleiche. Ich blicke rasch über die Schulter, als ich vor dem Stillleben stehe, bevor ich die Birne kitzle und die Klinke, in die sie sich verwandelt hat, hinunter drücke. Ich betrete die Küchengewölbe mit den geschäftig herumwuselnden Elfen. „Miss Haimerl!", ruft eine zarte Stimme und die kleine Twinkey hat sich aus der Masse gelöst und kommt auf mich zu. „Hey Twinkey, wie geht's dir?" „Twinkey geht es hervorragend. Twinkey freut sich sehr Sie- Tut ihr leid- dich zu sehen. Was kann Twinkey dir bringen?", fragt sie fürsorglich. „Weiß nicht. Habt ihr noch etwas Kürbiskuchen? Und einen Kaffee mit Milchschaum bitte." „Natürlich" Sie ist schon in der Menge verschwunden und ich nehme an einem der Tische Platz. Wenige Minuten später ist die Elfe zurück. Sie stellt mir drei große Stücke Kürbiskuchen und eine riesige Tasse Kaffee mit Milchschaum und Zimt vor sie Nase. „Oh Merlin Twinkey, du bist die Beste!", rufe ich aus. Ich habe so einen Hunger. Ich habe Frühstück und Mittagessen verpasst. Ich verschlinge genüsslich den Kuchen. Nachdem ich fertig gegessen habe, höre ich schon das ferne Schellen der Glocke „Ich sollte zurück", sage ich zu Twinkey und umarme sie zum Abschied. Ich bin schon beinahe beim Porträt der Birne, als ich Twinkey sagen höre: „Miss Haimerl... Mr. Winterfield weiß oft nicht, wie sehr seine Worte verletzen können. Er ist sehr mächtig mit Sprache... Geben Sie seinen Worten Herz."

Glücksklee-grün wie die HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt