Blood and sugar

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Blood and sugar

Ich laufe am Kamm des Abhanges weiter. Die Baumwipfel unter mir sind eine Masse aus Grün. Der Himmel ist immer noch so strahlend und klar wie zuvor. Zu meiner Rechten fällt ein Abhang hinab, der weiter vorne zu einer steilen Felswand wird. Ich habe das Tal erreicht. Ich renne die Biegung ab, vielleicht finde ich dann ja jemanden. Ich schließe für einen kurzen Moment die Augen und genieße den kalten Wind in meinem Haar und auf meiner Haut. Mein Herz schlägt im Gleichtakt in dem meine Füße auf dem Boden aufkommen. Ich öffne sie und rutsche just über eine feuchte Stelle. Ich stolpere und schlittere mit meinem Knie über den Schlamm. Fluchend rapple ich mich auf. War ja klar. Ich sehe zum ersten Mal heute an mir hinab. Mein Outfit ist vollkommen schmutzig, der Rock zerfetzt. Eine Mischung aus Blut, Schmutz, Laub und noch mehr Schlamm. Wie ich jetzt aussehen muss. Verschwitzt, verdreckt, außer Atem, mit mehr als einem Kratzer im Gesicht. Ich schüttle nur den Kopf über diese unnötigen Gedankengänge. Wen interessiert es denn bitte schön, wie ich gerade ausschaue? Die Vögel vielleicht? Ich trete nahe an den Abhang hin, um mich umzusehen. Wo sind sie nur? Ich kneife meine Augen zusammen und versuche etwas am gekrümmten Rand auszumachen. Erst in vier bis fünfhundert Metern ist eine annehmbare Stelle, um ins Tal abzusteigen. Von dort aus suche ich den Waldrand ab. Moment! Da! Da ist wer! Zwei Leute. Ist -ist das Sirius?! Ja, ich glaub das ist er sogar! Wer ist da bei ihm? Wo sind die restlichen Rumtreiber? Ich kneife meine Augen fester zusammen, um das Mädchen erkennen zu können. Ist das Juliet? Egal, ich muss dort hin. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich laufe, voll neuer Energie, los. Meine Beine tragen mich neben den hohen Bäumen entlang. Erleichterte Freude durchfährt mich und lässt mein Herz weiter werden. Meine Beine fliegen über den Boden und ich bin nun schon beinahe in Hörweite. Meine Schritte verlangsamen sich stetig. „Komm, Ju!", höre ich Sirius' aufmunternde Stimme, „Wir finden Isabell noch." Das offenbar erschöpfte Mädchen nickt tapfer, soweit ich es sehen kann. Er streckt ihr seine Hand entgegen. Mich überfällt der absurde, überbesorgte Gedanke: „Sie stehen so nah am Rand." Ich laufe auf sie zu, will schon rufen. Sie hebt ihren Arm und streckt Sirius ihre kleine Hand entgegen, macht einige Schritte auf ihn zu. Mein Herz stockt. Sie rutscht ab. Wie in Zeitlupe schlittern ihre Füße über die Kante. Ich merke, wie ich schneller, viel schneller werde, obwohl ich weiß, dass ich sie nie erreichen könnte. Sie rudert mit den Armen, sucht nach Halt. Findet ihn nicht. Ihr Körper wird von eine übernatürlichen Kraft in die Tiefe gezogen. Nein! Ihre Hüfte schlägt kurz gegen Erde, bevor sie über die Kante rutscht. Ein schrilles Kreischen entfährt ihrer Kehle. Entsetzen verzerrt Sirius Züge, als er nach vorne schnellt. „JU! NEIN!" Die Panik in seiner Stimme lässt einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen. Sie fällt.

Meine Füße verheddern sich und ich stürze zu Boden. Der Wald schweigt. Ich sitze da, kann mich nicht bewegen. Sie-sie ist nicht wirklich... ich starre unbeweglich nach vorn. Mein Hirn realisiert den an der Klippe liegenden Sirius. Das braunhaarige Mädchen, das sich an seinen Arm klammert. Er hat sie. Oh mein Merlin. Er hat sie. Erleichterung durchläuft heiß meinen Körper. Ich bemerke die Tränen, die meine Wange hinab laufen. Er hat sie. Alles ist gut. Mit einem Ruck wuchtet er ihren Körper und den seinen oberen über den Rand der Felsen, rollt mit ihr von diesem weg. Ich sitze im Schlamm, mit nassen Wangen. Trotz verschwimmender Sicht kann ich sehen, wie sie sich, nachdem sie sich aufgerichtet haben, in den Armen liegen. Ich blinzle meinen Tränen weg, kläre meine Augen. Sirius Gesicht ist leichenblass, während er sie so fest hält, als wolle er sie niemals wieder loslassen und seine Nase in ihrem Haar vergräbt. Ich schließe kurz die Augen, bevor ich meinen Körper in die Höhe hieve und auf sie zu laufe.

Sie müssen meine Schritte gehört haben, denn sie blicken auf und lassen einander los. „Emmi!", ruft Sirius, seine Stimme voller Erleichterung. Ich falle ihm kurz in die Arme, löse mich aber wieder sofort von ihm und frage hastig: „Wo sind die anderen?" Er zuckt unbeholfen mit den Schultern: „Wir sind kurz nach Beginn von zwei dreiköpfigen Hunden getrennt worden, aber hey, dasselbe könnte ich dich auch fragen. Wo ist Marl?" „Wir haben uns aufgeteilt um euch zu finden", sage ich mit besorgtem Blick, „wir müssen ins Tal runter. Dort müssen wir uns treffen. Wir haben alle genug Durchhaltevermögen, das zu schaffen." Meine Stimme klingt sicher, aber ich hoffe, nein bete einfach nur, dass es wirklich so ist. Juliet schließe ich ebenfalls kurz in die Arme, denn verdammt, sie wäre gerade fast gestorben! „Wir müssen weiter", sage ich. Sirus nickt: „Noch was essen davor, oder...?" ich schüttle den Kopf: „Wenn ihr was wollt, esst während des Gehens, aber wir müssen weiter. Uns läuft die Zeit davon." Sirius wechselt einen Blick mit Juliet. Ich setze mich in Bewegung, während die beiden etwas aus den Rucksäcken holen und mir folgen. Bittere Sorge steigt in mir auf. Hoffentlich finden wir die andern. Ich jogge langsam neben Sirus und Juliet her. Wir schweigen uns an, nur ihr Kauen ist zu hören. Der Boden ist verdammt matschig und geht mir gewissermaßen auf die Nerven. Meine Laune ist in den Keller gesackt. Mein Körper ist müde, die Sonne am Himmel wandert in Richtung Westen, während wir den Hang hinunter ins Tal schlittern. Zum dritten Mal in zehn Minuten lande ich schmerzhaft im Gatsch. Wütend rapple ich mich auf und trete gegen einen Baumstumpf. „Beschissener Hang", fauche ich. Sirius sieht mich entnervt an: „Iss was, Emmi." „Ich hab keinen Hunger", knurre ich und mache mich weiter an den Abstieg. „Du bist unterzuckert!", erwidert er hartnäckig. „Ich will nichts essen, okay?", blaffe ich und beschleunige meine Schritte. „Du bist so stur!", schnappt er zurück, „Mann, ich will dir ja nur helfen!" „Ich brauch keine Hilfe!" Schweigen folgt und ich höre wie Sirius frustriert knurrt und eine Rascheln von Juliets Seite her. Ich mache große Schritte, um meinem Zorn Luft zu machen. Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ist doch meine Sache, wenn ich keinen Hunger hab! Diese ganze Scheiße ist sowie so ihre Schuld. Was müssen sie auch so dämlich sein? Ich beiße die Zähne zusammen, als ich den Schleier der Wut zu durchbrechen versuche. Ich hasse es. Sirius hat Recht. Ich BIN unterzuckert. Ich knurre in mich hinein. Jetzt haben wir den Salat. Ich gebe nur ungern zu, dass ich falsch liege.

Endlich sind wir in der tiefergelegenen Ebene angekommen und der Boden ist trockener, da die Bäume einen Großteil des Schnees abgehalten haben. Ich atme tief ein, nehme den Geruch von harz und Kiefernadeln, Tannennadeln auf. Juliet tippt mir auf die Schulter. „Hm", mache ich und wende mich ihr zu. Sie streckt mir einen golden verpackten Riegel entgegen. „Iss das. Du brauchst es." Ich ziehe einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln in die Höhe. „Danke", seufze ich ergeben und nehme ihn an mich, „Was ist das eigentlich?" „Ein Schoko-Beeren-Müsliriegel", erwidert sie. Ich reiße also kurzer Hand die Verpackung auf und nehme einen Bissen. Verdammt, ich bin wirklich unterzuckert. Sobald die Hälfte des Riegels in meinem Magen ist, spüre ich, wie sich meine Muskeln entspannen und die Aggression sich löst. Ich seufze zufrieden, während ich den Rest verschlinge und nach dem Sandwich in meinem Rucksack angle. Ich höre Sirius amüsiert schnauben und verdrehe die Augen. Jaja, er hat immer Recht.

Wir wandern weiter, bis Juliet Stimmen wahrnimmt und ich wie angewurzelt stehen bleibe, um zu lauschen. Sind sie das? Bitte, Merlin, bitte lass sie das sein. Bitte. Ich wechsle einen kurzen Blick mit Sirus, der grinst und wir stürmen gleichzeitig los. Wir haben sie gefunden.


Glücksklee-grün wie die HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt