Nicht für den Rest der Welt

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„Mr. Winterfield", höre ich die sanfte Stimme Dumbledors. „Was gibt es, Professor?", erwidert er, während er immer noch beruhigende Kreise auf meinen Rücken malt. Meine Brust hebt und senkt sich verzweifelt, Tränen fließen über meine Wangen und tropfen auf sein Shirt. Bitter schmecke ich Erbrochenes. „Darf ich Miss Haimerl für einen Moment in meine Obhut nehmen? Wir müssen sie zu den heutigen Geschehnissen befragen." Ich bebe. Ich spüre, wie Toby seine Schultern strafft, mich enger an sich zieht und mit fester Stimme antwortet: „Ich fürchte Professor, dass diese bis morgen warten muss." „Mr. Winterfield." „Nein. Sie geht jetzt nirgendwo hin, bei allem Respekt Professor, ich glaube nicht, dass sie in ihrem Zustand in der Lage dazu wäre." Ich fühle beinahe Dumbledors Überraschung. Niemals hätte er vermutlich erwartet, dass Toby so mit ihm reden würde. „Ich verstehe Ihre Sorge Mr. Winterfield, dennoch muss ich darauf bestehen, Emily zu befragen, solange die Erinnerungen frisch sind." Ich merke wie Toby zögert. Ich schmiege mich enger an ihn, klammere mich geradezu an ihn. Paulina. Tot. Die Moire. All das Blut. Ich wimmere leise. Toby beugt sich zu mir hinab. „Shh, Ems es ist gut, ich bin da. Hab keine Angst." Er drückt mir einen Kuss auf den Scheitel. „ich bin da." Dann dreht er sich wieder zu dem Schulleiter. „Nein, Professor. Das ist mein letztes Wort. Sie wird Ihre Fragen morgen beantworten." Mit diesen Worten hebt er mich in die Höhe, so, dass ich an seine Brust geschmiegt in seinen Armen liege und er trägt mich hinauf ins Schloss, weg von all dem Lärm, der Aufregung und dem Stress. Hinauf, in den Ravenclawschlafsaal, wo er mich in sein Bett legt und mich festhält. Meine Tränen solange wegküsst, bis sie versiegen und meine Sinne in die lang ersehnte Ruhe des Schlafes driften. Es ist vorbei. Endgültig.

oOo

Am nächsten Morgen sitze ich blass und ausgelaugt in Dumbledors Büro, warte darauf, dass er und Marlene eintreten. Mein Blick schweift müde über die Regale voller Antiobscuranten, die langgliedrigen silbernen und goldenen Instrumente, die dicken, in Leder gebundenen Bücher, die Gemälde der Schulleiter, die mich neugierig beobachten und zuletzt bleibt er an Fawkes hängen, der leise und melodiös in seiner Ecke ein Lied trällert, das mich mit Zuversicht und Hoffnung füllt. Es ist vorbei. Wir haben das Turnier abgeschlossen, wir werden nie wieder etwas mit der Dämonin zu tun haben. Es geht uns gut. Wir leben alle noch. Toby hat mir gestern erzählt, was passiert ist. Dass absolute Panik ausgebrochen ist, da Paulina zusammengesackt ist. Nick hat sie hinausgetragen. Wir sind verschwunden, für gut eine viertel Stunde. Nur eine viertel Stunde. In Silvmoire muss die Zeit langsamer vergehen. Viel langsamer. Toby hat von der Panik erzählt, die losgebrochen ist. Nick hat einen Schlaganfall erlitten. Es war zu viel für ihn und seinen kranken Körper. Noch kämpfen sie im Mungos um sein Leben. Oh Nick. Er war so stark. hat gekämpft. Immer. Er wird das schaffen. Hoffe ich.

Die Tür geht auf und Dumbledor tritt mit Mena im Schlepptau ein. Sie sieht genauso fertig aus, wie ich mich fühle. „Miss Haimerl, einen schönen guten Morgen. Ich hoffe sie haben sich ausgeruht", seine blauen Augen glitzern besorgt. „Mir geht es gut, danke Professor", erwidere ich. „Nun", fährt er sanft fort, „die gestrigen Ereignisse haben sich überschlagen, wie Sie ohne Zweifel mitbekommen haben. Ihre Freunde haben mir mitgeteilt, dass Sie beide unmittelbar nachdem Paulina Murow starb, verschwunden seid. Offenbar wie aus Zauberhand. Nach einer viertel Stunde tauchen sie vollkommen verstört wieder außerhalb des Labyrinthes auf. Ich würde nun gerne ihre Version hören. Wo seid ihr hin verschwunden?" Er klingt ernsthaft besorgt. Seine Augen mustern uns mit einem Hauch von Sorge und voller Verwirrung. „Es war ein Portschlüssel, Sir", beginne ich zögernd und gebe Marl zu verstehen, dass ich reden will, „er hat uns mitgenommen, bevor wir wussten was passiert war. Wir sind in einem Wald gelandet. Wir haben versucht uns zu orientieren." Bilder flackern vor meinem Inneren Auge auf von dem stillen, leblosen Wald. Dem Felsen, der in die Höhe ragt. „Wir dachten, vielleicht fänden wir auch den Mörder." „Den sie nicht fanden", führt Dumbledor weiter. Er erhebt sich und beginnt vor und zurück zu tigern. „Und dann sind wir zurück", sagt Mena, „wir wussten nicht, ob es dort sicher war, also, haben wir den Portschlüssel gesucht und sind hier gelandet." Als sie die Geschichte abgeschlossen hat, wird es still. Nach einer Weile durchbricht Dumbledor leise die Ruhe: „Das ist die offizielle Geschichte, ja. Und was ist wirklich passiert?" Schock durchfährt meinen Körper, doch ich fange mich wieder. „Das bleibt, wo es war." „Miss Haimerl, ich denke, ich verstehe nicht." „Sie verstehen mich sehr wohl, Sir. Das war passiert ist, ist nicht relevant für den Rest der Welt. Es betrifft niemanden und deswegen bleibt unsere Geschichte, dort wo sie sich ereignet hat." „Sind Sie sich sicher beurteilen zu können, was wichtig für den Rest der Welt, wie Sie es ausdrückten, ist, Miss Haimerl?" Ich sehe in die blauen Augen Dumbledors. „Lassen Sie es", befehle ich leise, „ich lasse niemanden in meine Gedanken, merken Sie sich das. Und ja, ich bin mir sicher das beurteilen zu können. Vielleicht gefällt Ihnen das nicht Professor, aber ich weigere mich ihnen zu sagen, was passiert ist, falls Ihnen das aufgefallen ist und ganz ehrlich, sollten Sie das respektieren. Es ist nicht Ihre Angelegenheit." Mein Ton ist ruhig, beinahe höflich, wenn man bedenkt, dass ich ihn gerade äußerst unhöflich abblitzen hab lassen. Schweigen breitet sich aus. Habe ich die Linie übertreten? Die unsichtbare Linie des Respekts? Nach einiger Zeit senkt Dumbledor den Blick bevor er sagt, mit einer neutralen Stimme, die so klingt wie immer: „Nun gut, Miss Haimerl, Miss Oelschlägel, ich denke, wir werden es auf der offiziellen Version beruhen lassen, denken sie nicht?" Erleichtert nicke ich. „Danke, Sir", sagen Marl und ich gleichzeitig. „Nun", fährt er fort, „dann will ich sie nicht davon abhalten für ihre ZAGs zu lernen." Als wir genervt stöhnen zwinkert er uns belustigt zu.

Nun ja. Man hat eben nicht wirklich eine Wahl, oder? Das Lernen tut mir aber auch gut, es hilft mir, mich von meinen Problemen abzulenken. Während ich die Zaubervereinigungen, Zauberstabbewegungen und Formeln auswendig lerne, scheint alles um mich herum zu verblassen. Mein Stammtisch in der Bibliothek ist überfüllt mit markierten Notizen, angekitzelten pergamenten und bekleckerten Textbüchern. Zum Glück ist der Platz so abgelegen, dass Madam Pince nur einmal pro Woche hier vorbeischaut. Zur Abwechslung lernen auch James und Sirius mit uns in der Bibliothek, weswegen sich diese Stunden nicht wie sonst manchmal in die Länge ziehen, sondern sogar ganz lustig sind. Und dann, nach quälenden Schulwochen ist der Tag gekommen, an dem die ZAG-Prüfer Hogwarts betreten. Das ist der Tag an dem sich der halbe fünfte Jahrgang Hogwarts' dazu entschieden hat, zu paniken.

Glücksklee-grün wie die HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt