Glückskleegrüner Sommer - All good

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Glückskleegrüner Sommer

1. All good

Mit gebräuntem Teint und strahlenden Augen komme ich aus dem zweiwöchigen Kroatienurlaub zurück. Lily hatte Recht. Kroatien hat mir gutgetan. Endlich bin ich weit weg von all den Sorgen, den meinen, sowie der der magischen Welt und dem Stress, weg von der Magie und deren Zwängen. Weg von all dem Rassismus und dem Hass. Zwei Wochen in meinem persönlichen Paradies voller Sonne, Meer und Sommer. Mit Toby habe ich ausgemacht, dass er mich besuchen kommt, damit ich ihn meinen Eltern vorstellen kann. Ich wache wie sonst auch früh am Morgen auf, ziehe mich an, beginne mit den Hausaufgaben, die wir über den Sommer aufbekommen. Toby kommt um neun herum, nach dem Frühstück und ich bin schon seit sechs am Morgen hellwach. Zwei Stunden später habe ich Verwandlung, Alte Runen und Zaubertränke fertig, war mit meinem Hund spazieren. Beim Frühstück kann ich kaum still sitzen. Ich habe ihn seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Zwei Wochen ist es her, seit er mir gesagt hat, dass er mich liebt. Und vielleicht klingt das jetzt mädchen-mädchenhaft, aber ich schwebe auf einer kleinen rosaroten Zuckerwattewolke zehn Zentimeter über dem Boden und laufe wie ein Honigkucheneinhorn grinsend durch die Weltgeschichte. Alles scheint so leicht zu sein, wie von einem goldenen Strahl Glückseligkeit beschienen.

„Willst du dir noch etwas Anderes anziehen?", will meine Mutter mit einem Blick auf mein Outfit wissen. Ich sehe an mir herunter. T-Shirt, dunkelblaue Hotpans, die bis zur Mitte meines Oberschenkels reichen, Pferdeschwanz. „Nein, eigentlich nicht", erwidere ich, „Mama, der hat mich jeden Tag in Schuluniform gesehen, es ist doch eh egal." Ich rolle mit den Augen und sehe auf die Uhr. Zehn Minuten noch. Ich stehe auf, um in den Garten zu gehen. Mein großer Bruder kommt die Treppe herunter. „Morgen", meint er. „Guten Morgen", schmunzle ich. Ich tigere also im Garten weiter auf und ab. Ich halte inne, als ich ein Ploppen vernehme. Ich sprinte zur Gartentüre und grinse breit, als ich sie öffne und Toby vor mir steht. Er fängt an zu Strahlen und breitet seine Arme aus. Ich falle ihm, meine Güte, wie kitschig, in die Arme und küsse ihn stürmisch. Als wir uns lösen ziert ein sanftes Lächeln sein Gesicht. Er lehnt seine Stirn an meine. „Hey", sagt er, „ich hab dich vermisst." „ich dich nicht, weißt du?", gluckse ich. Er piekt mir in die Seite. „Doch hab ich", gebe ich lachend zu, „und wie." Erneut presst er seine Lippen gegen meine. Und wieder wird alles leicht und einfach und wieder scheint meine Welt in Gold getaucht und mit glitzernden Sonnenstrahlen versehen. Wieder zählt nur dieser Moment, nur der Moment zarten, vollkommenen Glücks. Nur für einen Moment.

„Komm", sage ich, als ich mich von ihm löse. Ja, ich brauche immer noch Sauerstoff. „ich stell dich meiner Familie vor. „Das gestaltet sich sogar unkomplizierter, als gedacht. Meine Mutter macht keine komischen Anspielungen, mein Vater reißt keine schlechten Witze und mein kleiner Bruder ist relativ still. Tobys Hand umschließt fest die meine, als ich zu meinem älteren Bruder sehe, dessen Augenbrauen fest zusammengezogen sind. Nein. Wehe, er kommt jetzt mit der „großer-Bruder-Masche". Vor einem Jahr hätte Toby noch nicht viel zu befürchten gehabt, doch mein Bruder hat über das letzte Jahr trainiert. Er ist kein Muskelprotz, aber dennoch muskulös, definiert. Stark. Er ist genauso alt wie Toby und im Moment habe ich das Gefühl, dass er überlegt, wie er ihm am besten das Genick bricht. Wir setzen uns in den Garten, meine Mutter fragt Toby über sein Leben aus. Ich sehe nach, wann der nächste Zug fährt. „...mit Emily?" Mein Kopf schnellt in die Höhe. Was ist mit mir. „Sie ist genial, um ehrlich zu sein", vernehme ich Tobys Stimme, „Musterschülerin, außerdem hilft sie jedem, ist immer da wenn man sie braucht, steht immer hinter einem. Ich bin ziemlich froh, dass sie letztes Jahr im Zug in mich hineingerannt ist." Auf meine Wangen schleicht sich die Röte. Aww, das ist lieb. „Der Zug fährt in zehn Minuten, viertel Stunde", merke ich an. „Ok", meint meine Mutter, „Du rufst mich dann an, wenn ihr aus der Stadt wegfahrt? Du passt eh auf sie auf, nicht wahr?", fragt sie Toby, der nickt. „Ich hol meine Sachen", sage ich und laufe ins Haus und schlüpfe in meine Schuhe, schnappe meine Geldbörse. Toby wartet an der Gartentüre, unterhält sich mit meinem Bruder. Ich schnappe noch ein: „Geht das klar?", auf. „Was geht klar?", will ich neugierig wissen. Bitte nicht. Ich hab dich echt lieb Bruderherz, aber mach ja keinen auf: ich hau dir gleich eine in die Fresse. „Nichts Wichtiges", versichert mir Toby, „Komm wir verpassen noch den Zug." „Tschüss, bis später", winke ich und wir machen uns auf den Weg zum Bahnhof.

Es ist ein lustiger Vormittag. Wir lachen und reden, essen Eis, trinken Kaffee/Tee. Toby wird beinahe von einem Fahrradfahrer über den Haufen gefahren und eine blasierte blonde Kuh hat versucht ihn anzu... was auch immer das hätte werden sollen. Ich glaube, es war ein Flirtversuch. Später hab ich einem kleinen, verlorenen Jungen zu seiner Mutter zurückgebracht. Ich bin eben einfach ein verdammt noch mal netter Mensch. Ist so. Dann haben wir noch japanisch zu Mittag gegessen. Nun spazieren wir am Fluss entlang. Es ist warm, auch wenn ein kühler Wind weht, die Sonne strahlt vom Himmel herab. Ich lehne mich an Tobys Schulter, während wir weiterschlendern. Meine Hand ist in seiner. Ich fühle mich sicher. Sicher in einer Welt, die es schon lange nicht mehr ist. „Da vorne ist dann die Wasserschischule", erkläre ich und deute an der Allee entlang. Er nickt. Ich muss wieder an Alex denken. Meine Brust zieht sich zusammen. Sie ist immer Wasserschi gefahren.

Mein Herz bleibt stehen, als ich bei der Hütte ein Mädchen ausmache. Lange, braune Haare, gebräunter Teint. Ein Mädchen, dass ich seit fünf Jahren kenne, doch seit einem ganzen nicht mehr gesehen habe. Ich löse mich von Toby und beginne zu laufen. „ALEX!", rufe ich, meine Stimme wird vom Wind getragen, „ALEX!" Freude wallt in mir auf, lässt meine Füße schneller werden. Mein Herz hüpft und zittert und über schlägt sich, als ich näherkomme. Beinahe höre ich Tobys Rufe nicht mehr. Sie dreht sich um. Starrt mich für einige Sekunden an, als sähe sie einen Fremden, dann schreit sie: „EMILY!" und rast auf mich zu. Wenige Momente später liegen wir uns in den Armen, erdrücken uns. „Himmel", flüstere ich und drücke sie fester an mich, „Ich hab dich so sehr vermisst. So sehr." „ich dich auch!", antwortet sie, die Stimme voll überschwappender Nuancen von Freude und vergangenem Kummer. Mir ist zu heulen und zugleich zu lachen zu Mute. Und dann tue ich einfach beides. „Meine Schwester ist zurückgekommen", sagt sie leise. „War nie weg, immer da", flüstere ich, „Weil Freunde wie Sterne sind. Sie sind niemals weg, auch wenn du sie nicht sehen kannst." Ich schniefe und löse mich kurz von ihr, nur um sie noch fester zu erdrücken. „Luft", röchelt sie leise und lacht. „Tut mir leid", gluckse ich und wische mir über die Augen.

„Ems!", Toby kommt atemlos zum Stehen. Ich drehe mich um. Ich lächle ihn an. „Toby", ich wechsle ins Englische, „Das ist Alex, meine Schwester, Alex, das ist Toby mein Freund." Sie schaltet schnell und strahlt ihn an: „Hallo, schon dich kennenzulernen." Auch sie spricht nun englisch. „Hi", grinst er sie an. Alex lehnt sich zu mir hinüber und murmelt leise: „Du hast mir da noch eine Menge zu erzählen." Ich nicke grinsend. „ich hoffe ich hab jetzt euer Date nicht zerstört", hängt sie noch besorgt an. Ich schüttle lachend den Kopf. „nein, wir waren eh schon länger hier." „Ok, dann komm, holen wir uns was zu trinken." Ich nehme Toby bei der Hand, drücke ihm noch einen Kuss auf den Mund und murmle: „Ist das eh okay für dich?" Pure Höflichkeit, um ehrlich zu sein. Ich gehe sowieso mit ihr mit. Ich hab sie eine Ewigkeit nicht gesehen. „Du bist glücklich, ich auch, also ja", grinst er, „Außerdem ist sie eine spannende Person." „Eine spannende Person?", schmunzle ich. Er rollt mit den Augen: „Du weißt, was ich mein. Komm, gehen wir." Also folge ich ihr und wir setzen uns ans Ufer des breiten, träge vor uns dahinfließenden Flusses in dem sich die Nachmittagssonne spiegelt. Wir reden und lachen und es fühlt sich einfach so an wie früher. Als ich da so sitze und ihr zu höre, überlege ich, ob ich ihr von Hogwarts erzählen soll. Von all der Magie, von den Abenteuern und den guten, sowie schlechten Erinnerungen. Von den Rumtreibern und von dem, was gerade in unserer Welt geschieht. Und dann sehe ich ihre Augen, die dunklen, vor Freude glitzernden Augen, das strahlende Lachen und realisiere, dass sie ihr Leben einfach lebt. Ganz- normal eben. Ich denke daran, was mit Sarah passiert ist. Ich kann nicht noch jemanden in Gefahr bringen. Nicht noch jemanden, den ich liebe.

Für einen einzigen Moment wünsche ich mir, dass ich normal wäre. Ein Muggel wäre, so wie früher. Nur ganz kurz. Aber es wäre schade um all die schönen Augenblicke, all die Abenteuer, all die Menschen, die ich kennengelernt habe, um all die Magie, die ich verpasst hätte. Mir kommt nur der kurze, zufriedene Gedanke: All good.

Glücksklee-grün wie die HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt