Kapitel 26

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Ich kniete schon seit einer halben Ewigkeit vor Rons Grab und starrte wie benommen auf die vor mir liegenden Blumen. Erneut waren es die Frauen der Gruppe gewesen, die sie auf die frische Erde gelegt hatten. Es war schwer gewesen meinen besten Freund zu beerdigen, es war schwer gewesen den Menschen gehen zu lassen, der seit meiner Kindheit an meiner Seite gestanden hatte. Ich bereute es mehr als alles andere mich mit ihm gestritten zu haben. Ich bereute es ihn nicht beschützt zu haben. Während er von einem Beißer angegriffen wurde, saß ich bequem im Wohnwagen und scherzte mit Daryl. Währenddessen wurde das Schicksal meines besten Freundes besiegelt und ich tat nichts um es zu verhindern. Ich schaute hinab auf meine ineinander verschlungenen Hände während Tränen meine Wangen hinab liefen. In meinem Leben hatte ich nur zwei Freunde gehabt, beide starben. Sie waren meine Familie und nun waren sie fort. Sie waren an einem Ort, zu dem ich ihnen nicht folgen konnte. Auch wenn ich alles dafür geben würde. Im Hintergrund bemerkte ich wie die anderen die Zelte abbauten und alles in den Autos verstauten und plötzlich setzte sich Daryl neben mich. Er sprach nicht. Saß einfach da.

"Wir ziehen weiter, nicht wahr?"

Er nickte.

"Es ist schwer ihn einfach hierzulassen. So wie auch Noah."
"Ich weiß."

Ich wischte mir mit meinem Ärmel die Tränen von der Wange.

"Komm her."

Daryl zog mich in seine schützenden Arme. Ich atmete tief aus und versuchte die Tränen zu unterdrücken, doch erfolglos. Er streichelte behutsam über meinen Hinterkopf und versuchte mich zu beruhigen. Doch nur ein Gedanke schoss durch meinen Kopf.

"Was ist passiert, Daryl?"

Er löste sich ein wenig von mir und sah mich fragend an.

"Was meinst du?"
"Mit uns."

Seine Blicke wurden immer verwirrter.

"Vor einigen Wochen hatten wir uns noch bis aufs Blut gehasst. Du hast auf mich geschossen und ich habe auch daran gedacht dich einfach umzubringen. Ich hielt es keine fünf Minuten mit dir aus."
"Wer sagt dir das ich dich nicht immer noch hasse?"

Ich legte meinen Kopf schief.

"Du."
"Ich erinnere mich nicht daran dir soetwas gesagt zu haben."
"Was war das dann auf dem Dach? Als ich nicht springen wollte."

Daryl verschränkte die Arme vor der Brust, schüttelte seinen Kopf und zuckte mit den Schultern.

Daryl verschränkte die Arme vor der Brust, schüttelte seinen Kopf und zuckte mit den Schultern

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"Ich weiß nicht was du meinst."


Ich stieß ihn von mir.

"Schön. Da ist er wieder, das Arschloch das ich so sehr hasse."

Mit diesen Worten sprang ich auf und lief auf den Wohnwagen zu. Ich hatte mich nicht in ihm getäuscht. Er war und blieb ein Arschloch. Kurz bevor ich die Tür öffnen konnte, packte mich jemand grob am Arm, drehte mich um und drückte mich mit dem Rücken gegen den Wohnwagen. Daryl stützte seine Hände links und rechts neben meinem Kopf ab als ich ihn überrumpelt ansah. Wortlos kam er mir näher und etwas in meinem Inneren fachte Feuer. Ich blickte auf seine Lippen, die sich mir immer weiter näherten. Seine Hand wanderte langsam an meine Wange und umfasste sie mit einem starken Griff. Sein Blick lag direkt auf meinen Augen und in diesem Moment schrie ich im Inneren nach seiner Nähe. Doch Merles Satz raste wie ein Zug durch meinen Kopf. 'Er braucht seinen Spaß.' Vielleicht hatte Merle recht. Vielleicht hatte er recht. Es würde zumindest zu Daryls scheiß Verhalten passen. Er sah mich als Spielzeug an. Unsere Lippen waren nur noch Milimeter voneinader entfernt als ich hörte wie jemand eine Autotür zuschlug. Erschrocken wichen wir auseinander und Rick kam hinter dem Wohnwagen hervor.

"Bist du bereit, Anna?"

Ich fuhr mir durch die Haare und nickte. Hastig öffnete ich die Tür des Wohnwagens.

"Du hast Recht, es hat sich nichts verändert. Ich hasse dich auch, Arschloch."

Mit diesen Worten knallte ich ihm die Tür vor der Nase zu und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Dale und Glenn schauten mich fragend an.

"War Daryl schon immer so ein Vollidiot?"

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und schaute aus der rießigen Frontscheibe. Daryl schwang sich auf sein Motorrad und fuhr sofort los. Wir alle folgten. Dale sah mich kurz durchdringend an.

"Er ist nicht einfach."
"Was du nicht sagst."

Glenn saß am Tisch und reinigte seine Waffen als ich aus dem Seitenfenster neben mir blickte und einen Blick zurück auf Rons Grab warf. Meine Lippe zitterte als ich meine Hand an die Scheibe legte.

"Das muss schwer sein."
"Das ist es."

Ich wischte mir eine Träne von der Wange.

"Ich habe alles verloren. Ich bin alleine."

Dale löste eine seiner Hände vom Lenkrad und legte sie auf meinen Oberschenkel. Etwas, dass mir das Gefühl gab hier sicher zu sein.

"Du wirst nie mehr alleine sein, Kleines. Du hast uns."

Ich nickte und wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln.

"Wohin fahren wir nun?"
"Rick sagte es gäbe ein Zentrum für Seuchenkontrolle. Er meinte, wenn es noch Hoffnung geben sollte, dann dort."

Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

"Es sind fünf Jahre vergangen. Es gibt keine Hoffnung mehr."
"Doch, und du weist es genauso gut wie ich."

Fragend blickte ich ihn an.

"Du siehst die Hoffnung, jedes Mal."
"Ich verstehe nicht."
"Daryl."

Ich schaute aus der Frontscheibe auf Daryls Rücken und musterte die Flügel auf seiner Weste.

"Ich weiß nicht was du meinst."
"Ich sehe wie ihr euch anschaut. Ihr denkt vielleicht das ihr euch hasst. Doch ihr habt diesen Schimmer in euren Augen jedes Mal wenn ihr beieinander seid. Ihr habt Hoffnung."

Ich schüttelte meinen Kopf.

"Die einzige Hoffnung die ich habe, ist das er von seinem Motorrad fällt."
"Ich glaube du bist dir selbst nicht mehr sicher was du denken sollst."
"Ich weiß sehr wohl was ich denken soll. Daryl ist und bleibt, das größte Arschloch das ich jemals kennenlernen musste."

Ich sprang auf und stampfte zur Bank bevor ich mich darauf fallen ließ. Glenn schaute kurz zu mir auf und verzog seine Lippen zu einem kleinen Grinsen.

"Ihr solltet darüber reden."

Er schraubte weiter an seiner Pistole herum.

"Daryl und du."
"Wir haben nichts zu besprechen. Du hast selbst gehört was Merle gesagt hat, Daryl braucht seinen Spaß, er ist auch nur ein Mann. Ich komme ihm gerade recht."
"Merle konnte man nicht ernst nehmen."

Ich lehnte mich zurück und schnaubte.

"Ich nahm ihn ernst, weil er Recht hatte. Daryl will Spaß aber nicht mit mir."
"Seine Blicke sagen das Gegenteil."

Sprachlos sprang ich auf.

"Warum rede ich überhaupt mit euch darüber. Ihr habt keine Ahnung."

Wütend wollte ich in das Schlafzimmer abhauen. Doch an der Türschwelle blieb ich stehen. Ron lag in diesem Bett, so viele Male. Ich spürte ein Ziehen in meinem Brustkorb und hatte das Gefühl mein Herz würde jeden Moment stehen bleiben. Langsam taumelte ich rückwärts und ließ mich erneut auf den Beifahrersitz fallen.

"Du kannst es nicht, nicht wahr?"

Ich nickte, lehnte meinen Kopf an die Fensterscheibe und schloss meine Augen.

Still alive || Daryl Dixon FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt