Kapitel 107

1.4K 70 6
                                    

Seit einigen Stunden saß ich auf dem Beifahrersitz und starrte stur aus dem Fenster. Als ich bemerkte, dass Nila auf dem Rücksitz eingeschlafen war nahm ich die Decke die mir Daryl gegeben hatte und legte sie ihr über. Sie klammerte sich an den Teddy während sie tief und fest in ihren Träumen versank. Ich strich ihr liebevoll über den Kopf bevor ich mich wieder umdrehte. Erneut lehnte ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und schloss meine Augen. Doch sofort tauchten die Bilder von Mikey in meinen Gedanken auf. Ich sah seine milchigen Augen, seinen zerfetzten Hals und den zuckenden Gang. Alles in mir zog sich zusammen. Ich riss meine Augen auf, fuhr durch meine Haare und lehnte meinen Kopf gegen die Kopflehne des Autositzes.

"Ich hätte ihn niemals umgebracht. Ich wusste wie viel er dir bedeutet hatte."

Daryls Stimme durchdrang die Stille.

"Ich wollte nie das soetwas passiert."

Schweigend schaute ich hinab auf meine Hände die noch immer blutbeschmiert waren.

"Es tut mir schrecklich leid, Anna."

Tränen liefen meine Wangen hinab, doch ich wischte sie sofort davon.

"Ich hatte nur Angst dich an ihn zu verlieren."
"Das hättest du nicht."
"Das weiß ich."

Ich schnaubte.

"Jetzt wo es zuspät ist."
"Anna..."

Ich schüttelte meinen Kopf, rollte mich auf dem Sitz zusammen und lehnte meinen Kopf gegen den Sitz. Meine Arme umklammerten meinen Bauch während ich meine Augen schloss. Doch ich spürte wie sich die Tränen einen Weg durch meine dichten Wimpern wandten. Scheinbar schien das Baby meine Trauer ebenfalls zu merken. Es bewegte sich stärker und trat mit seinen kleinen Füßen gegen meinen Bauch. Schmerzend sog ich die Luft ein und drehte mich auf dem Sitz so das ich Daryl anschauen konnte. Noch immer zusammen gerollt ruhte mein Kopf am Sitz als mich Daryl besorgt musterte.

"Was ist los?"
"Er oder sie tritt."

Bei jedem weiteren Tritt zuckte ich schmerzend zusammen.

"Das Kleine merkt wie schlecht es dir geht."

Daryl legte seine Hand auf meinen Bauch und streichelte ihn sanft.

"Hör auf deine Mum zu ärgern, Kleines. Es geht ihr schon schlecht genug."

Tatsächlich spürte ich wie die Tritte sanfter wurden. Stattdessen fühlte es sich nun an als würde es seine Hand an meinen Bauch legen, genau an der gleichen Stelle wie Daryl.

"Danke."

Er schmunzelte nur bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Doch seine Hand blieb an der gleichen Stelle liegen.

"Ich wünschte ich könnte dir diesen Schmerz irgendwie nehmen."

Ich schaute Daryl lächelnd an.

"Es ist ein schöner Schmerz."
"Ich mag es nicht dich leiden zu sehen."

Ich senkte meinen Blick. Doch Daryl versuchte mich abzulenken.

"Was denkst du wird es? Ein Mädchen oder ein Junge?"
"Das ist egal. Hauptsache gesund."

Daryl schmunzelte und nickte.

"Das ist alles was zählt."

Ich kuschelte mich in den Sitz als ich Daryl musterte. Seine markanten Züge hatten sich kaum verändert. Nur seine Haare waren gewachsen, so wie sein Bart. Seine Muskeln waren von Dreck und Staub überzogen und doch ließen sie mich innerlich verrückt spielen. Daryl hatte es geschafft die Finger von mir zu lassen, die gesamte Zeit über. Doch ich wollte ihn ein wenig ärgern. Meine Gedanken ablenken. Langsam legte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel. Das tat ich häufig, doch nun ließ ich sie langsam höher steigen. Er räusperte sich, spannte seinen Körper an und setzte sich aufrecht hin.

"Anna..."

Daryls Stimme war nicht mehr als ein angesprengtes Hauchen.

"Du solltest mich nicht ärgern, wenn ich dich nicht bestrafen kann."

Ich schmunzelte bevor ich mich leicht aufrichtete und seine Wange küsste.

"Ich weiß."

Daryl legte seine Hand um meine Wange.

"Wir schaffen das alles irgendwie. Das weiß ich."

Ich nickte langsam bevor ich seine Hand wieder auf meinen Bauch legte und meine Augen schloss. Erneut sah ich Mikey vor mir. Ich sah den Moment vor mir als wir uns kennenlernten, wie wir gemeinsam lachten und scherzten. Ich sah die Momente unserer Freundschaft. Bis hin zu dem Moment als mir diese Freundschaft genommen wurde. Tränen liefen meine Wangen hinab als ich erneut spürte wie das Kleine strampelte. Ich sog scharf sie Luft ein als Daryl die Tränen von meiner Wange strich. Langsam öffnete ich meine Augen und sah wie er besorgt auf die Straße schaute.

"Der Stress scheint nicht gut zu sein für euch beide."
"Etwas anderes gibt es in dieser Welt nicht."

Daryl strich bedrückt über meinen Bauch bevor er tief durchatmete.

"Es wird immer etwas anderes geben. Liebe zum Beispiel."

Ich schaute zu ihm auf bevor ich meine Hand auf seine legte. Ich hatte Angst. Doch das hatte ich ihm nie gesagt. Ich hatte vor so vielen Dingen Angst. Aber ich blieb stark. Besonders für Nila. Ich schloss wieder langsam meine Augen und konzentrierte mich auf Daryls sanfte Berührungen.

"Anna."

Ich schaute müde auf.

"Was ist los?"

Ich spürte wie Daryl langsamer fuhr. Ich richtete mich auf und strich meine Haare zurück als ich auf die vor uns liegende Straße schaute. Doch was ich dann sah ließ mein Herz für einige Sekunden aussetzten. Ich sah zwei Männer die ein Schild am Straßenrand aufstellten. Die große Schrift lautete.

Folgt der Straße.

Ich erkannte die beiden Männer sofort. Glenn und Rick. Sie waren hier, sie waren wirklich hier. Wir hatten sie gefunden.

Still alive || Daryl Dixon FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt