Kapitel 83

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Seit einigen Stunden nun waren wir bereits wieder durch den Wald unterwegs. Ein genaues Ziel hatten wir nicht. Doch Rick hatte bestimmt einen Plan, von dem scheinbar noch niemand etwas wusste. Ich trug meinen Rucksack und sprang über einen Ast nach dem anderen. Ich hob meinen Kopf an und sah die vielen Sterne die durch die Baumkronen leuchteten. Wie ein kleines Kind blieb ich stehen und schaute hinauf. Ich spürte Daryls Blicke direkt auf mir. Schmunzelnd senkte ich meinen Blick, klemmte mir eine Haarsträhne hinters Ohr und lief weiter. Ich sah wie mich auch Glenn und Rick stolz musterten. Sie beschützten mich. Wie einen Welpen. Doch plötzlich hörten wir ein knackendes Geräusch. Sofort packte Daryl mein Handgelenk und jeder sprang hinter einem Baum in Sicherheit. Ich zog ruckartig meine Waffe und schaute Rick und die Anderen fragend an. Er grinste leicht bevor er nickte. Ich atmete tief durch bevor ich aus meiner Deckung sprang und die Waffe anhob. Doch kurz bevor ich abdrükte bemerkte ich das sich auf meiner Augenhöhe nichts weiter befand als leeres Nichts. Ich senkte meinen Blick auf den Boden. Doch dort war kein Beißer. Stattdessen saß ein kleines, blondes Mädchen auf dem Waldboden und spielte mit einer Puppe und einem kleinen pinken Teddy. Sie schaute mit ihren eisblauen Augen langsam zu mir auf als ich sofort meine Waffe senkte. Augenblicklich setzte ich mich vor ihr auf den Boden und schaute sie besorgt an. Die Kleine war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Sie musste zum Zeitpunkt des Ausbruchs noch ein Baby gewesen sein. Vielleicht blieb sie deswegen zu ruhig als ich mit der Waffe auf sie zielte, sie kannte es nicht anders. Doch ich fragte mich noch immer weshalb sie hier alleine war, im Wald, mitten in der Nacht.

"Was machst du hier?"
"Ich spiele mit meinen Puppen."
"Das sehe ich."

Ich sah wie meine Gruppe noch immer hinter dem Baum blieb um die Kleine nicht zu erschrecken.

"Warum bist du hier draußen im Wald?"
"Drinnen ist es langweilig und hier kann ich die Sterne besser in den Bäumen sehen."
"Drinnen?"

Sie nickte.

"Zuhause, in der Siedlung."
"Du bist nicht alleine?"

Sie schüttelte ihren Kopf.

"Ich wohne mit ganz vielen Menschen zwischen Mauern die uns vor den Monstern beschützen."

Sie schaute mit einem breiten Lächeln zu mir auf. Ein Lächeln das etwas in mir auslöste das mir innerlich warm werden ließ.

"Spielst du mit mir?"
"Natürlich."

Sie gab mir den Teddy als ich sah wie Daryl langsam hinter dem Baum hervor kam. Er setzte sich vorsichtig neben uns als sie ihn fragend anschaute.

"Wer ist das?"
"Das ist Daryl, mein- ein Freund."

Sie nickte bevor sie wieder hinab auf die kleine Puppe schaute.

"Hat deine Puppe auch einen Namen?"

Sie nicke eifrig.

"Und wie heißt sie?"

Die Kleine schaute hinab auf die Puppe in ihrer Hand und strich ihr über die Haare.

"Anna."

Ich schaute sie überrascht an.

"Ich heiße auch Anna."
"Dann heißt du genauso wie meine Schwester."

Fragend zog ich eine Augenbraue an.

"Du hast eine Schwester? Wo ist sie? Ist sie auch hier draußen?"
"Ich habe eine Schwester. Aber sie ist nicht bei uns. Mum und Dad sagen sie ist im Himmel und passt von dort auf uns auf."

Ich spürte wie mich ein leichter Schmerz durchzog. Auch meine Schwester schaute vom Himmel auf mich herab und passte auf mich auf. Sie hatte nichteinmal die Möglichkeit bekommen die Welt zu sehen, viel zu früh wurde ihr diese Chance genommen, was bei dieser Welt wohl nicht allzuschlimm war.

"Mum und Dad sagten mir das sie auch blaue Augen hatte und blonde Haare so wie du."
"Viele Menschen haben das."
"Aber meine Schwester war die schönste. Die Schönste und Schlauste von allen."

Ich schmunzelte.

"Ich bin auch ganz schön schlau musst du wissen."

Sie lächelte als sie zu mir aufschaute. Ihr Lächeln löste etwas in mir aus das ich mir nicht erklären konnte. Immer und immer wieder. Als würde dieses Kind mir Hoffnung geben die ich schon lange verloren hatte. Sie hatte keine Angst. Obwohl sie Nachts in einem Wald saß, in dem sie jeden Moment von einem Beißer zerfleischt werden konnte. Doch plötzlich hörten wir ein knackendes Geräusch hinter uns und wir wussten das es nicht von unserer Gruppe kam. Unsere Freunde wussten wie man sich leise verhalten musste. Ruckartig sprange wir auf, zogen unsere Waffen und zielten auf die vor uns stehenden Personen. Einen Mann und eine Frau. Beide mittleren Alters. Sie wirkten müde und abgehetzt. Als hätten sie stundenlang nach etwas, oder jemandem, gesucht. Doch es durchzog mich schlimmer als alles andere jemals zuvor. Es war als würde mit einem Mal meine gesamte Welt explodieren. Als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegreißen. Meine Welt stand still, vollkommen still während ich meinen Atem anhielt. Das Blut in meinen Adern gefror und brachte meine Lungen zum Brennen. Zitternd ließ ich meine Waffe fallen und spürte wie meine Beine nachgaben. Als wäre ich mit einem Mal gelähmt. Ich hielt mir beide Hände vor den Mund und spürte wie mich Daryl auffing. Er legte seinen Arm um meine Taille und versuchte mich aufrecht zu halten. Doch ich war gefangen in meiner stillstehenden Welt, die langsam ihre Farben verlor und mich umher schleuderte. Es traf mich, schlimmer als es eine Kugel jemals könnte. Vor mir standen meine Eltern.

Still alive || Daryl Dixon FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt