Kapitel 38

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Ich saß auf meinem Bett und starrte hinab auf meine blutbeschmierten Hände. Ich hatte gerade eine Operation, das wovon ich immer geträumt hatte. Menschen das Leben retten, doch wieso fühlte ich mich so schrecklich. Lag es vielleicht daran das ich einem Mann in dieser Welt seine einzige Chance nahm. Er würde nie wieder wegrennen können. Sich nicht vor Beißern schützen können. Plötzlich stand jemand im Türrahmen.

"Darf ich?"

Daryls Stimme klang sanft. Ich nickte. Er setzt sich neben mich und hielt ein Handtuch in seiner Hand. Zärtlich nahm er meinen Arm und begann das Blut abzuwischen.

"Du wärst eine unglaubliche Ärztin geworden."
"Das war es was ich immer machen wollte. Menschen retten."
"Das kannst du immernoch."

Ich schaute zu ihm auf. Er nahm das Handtuch und wischte mir das Blut aus dem Gesicht.

"Ich bin stolz auf dich, Kleine."
"Ich weiß nicht ob es das Richtige war."

Daryl schaute mich fragend an.

"Dieser Mann wird nie wieder wegrennen können. In einer Welt in der es hauptsächlich daran geht, zu flüchten."
"So darfst du nicht denken. Hier sind wir sicher."
"Ich frage mich ob ich ihn gerettet oder getötet habe."

Daryl nahm mich in seine Arme.

"Du hast ihn gerettet."

Ich schloss meine Augen und genoss es in seinen Armen zu liegen. Alles für einen Moment zu vergessen.

"Du bist unglaublich. Du bist siebzehn und hast alleine einen Mann operiert."
"Das war nichts sonderlich unglaubliches."
"Du glaubst nicht mehr an dich. Doch du bist noch immer etwas besonders. Muss ich erst deinen Lehrer herholen das er es dir sagt. Muss ich dich einen Test schreiben lassen um dir zu beweisen das die Streberin noch immer existiert."

Ich lachte.

"Mr Jefferson schrieb mir keine Tests. Ein Professor von einer Hochschule musste Tests für mich aufsetzt weil die anderen zu leicht waren."

Daryl streichelte meine Wange.

"Sei stolz auf dich."

Ich nickte und lehnte mich bei ihm an als ich hastige Schritte auf der Treppe hörte. Kurz gefolgt vom Schreien meines Namens. Carol stand in der Tür.

"Herzstillstand."
"Scheiße."

Ruckartig sprang ich auf, rannte zur Tür hinaus und nahm drei Stufen auf einmal. Ich stürmte in die Zelle. Maggie kauerte am Boden. Ich stieß sie zur Seite und legte mein Ohr auf die Brust des Mannes. Ich hörte keinen Herzschlag. Maggie begann zu schreien. Glenn hielt sie fest umklammert.

"Ist er-"

Ich schaute sie panisch an.

"Ich kriege das wieder hin."

Sie schluchzte.

"Ich verspreche es. Ich schaffe das."

Mit großen Augen sah sie zu mir auf. Ich biss mir auf die Lippe und wandte mich an Hershel. Ich legte meine Hand auf die Stelle an der sein Herz war und drückte in kurzen, zeitlichen Abständen zu. Eine Herzmassage. In den Büchern hatte ich gelesen wie sie funktionierte. Doch noch nie hatte ich sie tatsächlich durchgeführt. Ich war nervös. Ich versuchte es immer weiter. Ich kniete mich vor das Bett und wartete ab. Nichts geschah.

"Sie sterben nicht. Nicht heute. Nicht wenn ich es verhindern kann."

Ich klemmte seine Nase zu, öffnete seine Mund und versucht ihm das Leben mit einer Mund zu Mundbeatmung zu retten. Ich probierte es viele Male. Ob mit Herzmassage oder Mund zu Mundbeatmung. Doch die Situation schien aussichtlos. Als ich die Hoffnung bereits aufgegeben hatte zog Hershel hastig die Luft ein. Er rang verzeifelt nach Luft. Ich legte meine Finger um sein Handgelenk, schloss meine Augen und zählte die Zeit ab.

"Sein Puls stabilisiert sich."
"Was bedeutet das?"

Ich schaute zu Maggie die noch immer zusammen mit Glenn am Boden kauerte.

"Er ist außer Gefahr. Er wird es überleben."

Ich stieß an die gegenüberliegende Wand und sah wie sich seine Brust wieder langsam auf und ab bewegte. Maggie rutschte an das Bett und nahm die Hand ihres Vaters.

"Daddy..."

Glenn streichelte den Hinterkopf seiner Freundin. Ich richtete mich langsam auf und veruschte einen klaren Kopf zu bewahren. Ich hatte ein Leben gerettet. Erneut, genau hier und jetzt. Vielleicht war mein Leben doch so gekommen wie es sein sollte. Ich hatte Freunde, war eine Art unausgebildete Ärztin und war verliebt. Alles war so gekommen wie es sein sollte. Doch vielleicht auch ganz anders. Meine Eltern hatten sich Freunde für mich gewünscht die gut in der Schule waren, aus einem ordentlichen Elternhaus und kein Ärger mit dem Gesetz hatten. Doch so waren meine Freunde nicht. Sie waren Killer und Diebe. Meine Eltern wollten das ich eine spitzen Ärztin werde mit dem besten Abschlusszeugnis wie möglich, angestellt im besten Krankenhaus. Nun war ich eine unausgebildete Ärztin die einem Mann das Leben rettete, ohne Zeugnis. Meine Eltern wollten einen einen perfekten Freund für mich, der ebenfalls ein gutes Stipendium bekommen hatte, ein erfolgreicher Mensch werden würde, der keinen Ärger mit dem Gesetzt und keine Verwendung für Rauchen, Drogen und Alkohol hatte. Doch so war Daryl nicht. Daryl hatte kein Stipendium. Er war ein erfolgreicher Killer und Dieb. Er hätte wenn es noch ein Gesetz geben würde, mehr als nur Ärger mit diesem. Er hatte Verwendung für Rauchen, Drogen und Alkohol. Meine Eltern würden mich und mein Leben nicht wieder erkennen. Doch zum ersten Mal wurde mir eines klar. Ich wollte genau dieses Leben. Ich wollte hier sein. Bei meinen Freunden, bei Daryl. Hier konnte ich das tun was ich immer machen wollte. Menschen retten. Zudem hatte ich das was ich mir immer gewünscht hatte. Freunde. Liebe. Menschen die sich um mich sorgten, die um mich trauern würden. Menschen die mich liebten.


Still alive || Daryl Dixon FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt