Kapitel 5

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Langsam öffnete ich meine schweren Augen. Ich schaute auf eine helle, einfache Holzdecke. Mein Körper schmerzte und dröhnte. Als würde er in wenigen Augenblicken explodieren. Ich fühlte mich schwächer als jemals zuvor. Mein Körper war wie gelähmt als ich an mir herab schaute. Ich lag in einem großen, unbekannten Bett. Zugedeck von einer dicken Decke und eingekuschelt in weiche Kissen. Panisch setzte ich mich auf und spürte wie mich ein scharfer Schmerz in meinem Bein durchzog. Ruckartig kehrten die Erinnerungen zurück. Der Pfeil, die Gruppe an Männern, Lydia, Ron und Noah. Sie huschten durch meine Gedanken. Ich zwang mich auf die Bettkante und bemerkte das ich ein dünnes Leinenkleid trug das mir nur knapp über den Po ging. Ein Kleid das ich nicht kannte und ich wollte nicht darüber nachdenken wer mich umgezogen hatte. Mein Blick wanderte zu dem dicken Verband der um meine Oberschenkel gebunden war. Eine Infusion steckte in meiner Armbeuge und der dünne Schlauch endete in einer Infusion die am Regal über dem Bett hing. Ich biss mir auf die Lippe und riss den Schlauch schmerzend heraus. Blut tropfte auf das einst reine, weiße Kleid während ich einen Schrei unterdrückte. Doch dann fiel es mir ruckartig auf. Meine Waffen, meine Klamotten, meine Freunde. Alles war fort. Ich stellte mich schnell auf meine Füße und wankte sofort. Ich fiel gegen die Wand und versuchte mich mit meinem Arm abzustützen. Meine schwachen Augen suchten nach einer Lösung. Ich war erfolgreich. Eine Schrotflinte luckte, von einem Tuch bedeckt, hinter einem Regal hervor, das neben der Tür stand. Ich drückte unter quälenden Schmerzen das Regal von der Wand weg und zog die schwere Waffe hervor. Mein Kopf pochte während das Blut von meinem Arm auf den Boden tropfte. Mein Kleid war mittlerweile an einigen Stellen dunkelrot verfärbt. Ich humpelte durch das Zimmer und stützte mich an den Wänden ab während mich jeder Schritt wie ein Messerstich durchzog. Die Waffe jedoch hielt ich fest umschlungen. Immerhin war ich eine Kämpferin. Ich lief durch ein wunderschön eingerichtetes Landhaus. Es sah unberührt aus und es wirkte als wäre hier nie etwas geschehen. Ich begann mich zu fragen ob das hier wirklich geschah oder ob ich mich in einem Traum befand. Ein Traum von einer normalen Welt. Schmerz durchschoss mich und ich zwang mich auf meine Knie. Das war kein Traum, dieser Schmerz, er war real. Ich war wirklich hier. Alleine. Ich zwang mich zurück auf meine Füße und schaffte es irgendwie zur Haustür. Helles Licht blendete mich als ich hinaus trat. Einige Zeit blinzelte ich die Helligkeit davon und erst als ich mich an das grelle Licht gewöhnt hatte, konnte ich erkennen wo ich mich befand. Ich stand auf einer Veranda und blickte auf ein großes Feld eingezäunt von einem dichten Wald. Doch ich kannte diese Umgebung nicht. Ich fühlte mich hilflos und verloren. Wie ein kleines, ausgesetztes Kind. Doch dann sah ich sie. Ein Wohnwagen, zwei Autos und ein Motorrad. Davor saß eine Gruppe an Menschen. Sie saßen auf Stühlen und Bänken. Sie redeten und lachten. Ich stolperte die Treppe hinab und fing mich am Geländer ab als ich drohte den Halt zu verlieren. Ich hielt die Schrotflinte erhoben und ging langsam auf sie zu. Ich kannte diese Menschen nicht. Keinen davon. Doch ich sah wie ein Junge, der vielleicht einige Jahre jünger war als ich, Lydia auf seinem Schoss hielt.

 Doch ich sah wie ein Junge, der vielleicht einige Jahre jünger war als ich, Lydia auf seinem Schoss hielt

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Dann erkannte ich ein weiteres Gesicht und pure Wut schäumte in mir auf. Der Vollidiot der auf mich geschossen hat. Der Asiate und auch der Dunkelhäutige saß dort. Noch hatten sie mich nicht entdeckt. Doch das wollte ich ändern. Ich zielte auf die Vase welche auf der Veranda stand und schoss. Sie zersprang laut in tausend Teile. Ich drehte mich wieder zu der Gruppe um und sah wie sie erschrocken zusammen zuckten und sich ruckartig duckten. Dann schauten sie gleichzeitig in meine Richtung. Ihre Augen weiteten sich, doch ich hielt die Waffe erhoben. Einer der Männer stand langsam auf und kam vorsichtig auf mich zu. Er trug eine, fast neu wirkende, Sherriff Uniform, hob die Hände an und setzte einen Fuß vor den Anderen.

"Mein Name ist Rick Grimes. Ich-"
"Ihr Name interessiert mich nicht."

Er blieb wie angewurzelt stehen und sah mich mit großen Augen an, als er bemerkte dass ich die Waffe nicht senkte.

Er blieb wie angewurzelt  stehen und sah mich mit großen Augen an, als er bemerkte dass ich die Waffe nicht senkte

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Doch plötzlich kam der Vollidiot mit erhobener Armbrust auf mich zu und zielte direkt auf meine Stirn.

"Leg' die Waffe weg."
"Und was wenn nicht? Willst du dann wieder auf mich schießen?"
"Das werde ich."

Er schaute mich herausfordernd an als ich lachend meine Augenbrauen anzog.

"Geht man so mit einer Lady um."
"Ich kann auch anders mit dir umgehen wenn du das willst."

Ich verdrehte die Augen und schnalzte verächtlich mit meiner Zunge.

"Ich will meine Freunde, meine Waffen und Lydia. Dann sind wir verschwunden und ihr seht uns nie wieder."
"Lydia?"

Mit einer Kopfbewegung deutete ich auf das Baby in den Armen des Jungen. Er schaute zu mir auf und ich musterte sein junges Gesicht.

"Ihr Name ist Judith."

Ich schaute das kleine Baby ungläubig an und deutete mit meiner Waffe ruckartig auf seinen Kopf. Seine schulterlangen dunklen Haare fielen ihm in sein Gesicht als er wieder auf sie herab blickte. Er trug einen Cowboy Hut und ein karriertes Hemd, das eindeutig einige Größen zugroß war. Langsam blickte er zu mir auf und schien von meiner Waffe nicht abgeschreckt zu sein.

"Sie ist meine Schwester."
"Deine Schwester?"
"Und meine Tochter."

Ich schaute ruckartig zurück zum Sherriff. Auch er hatte keine Angst, sondern ich sah etwas anderes in seinen Augen schimmern. Etwas, dass ich nicht zuordnen konnte.

"Du hast sie gerettet und dafür bin ich dir unendlich dankbar. Aber sie gehört zu uns."

Es war Dankbarkeit. Dankbarkeit spiegelte sich in seinen Augen. Die Dankbarkeit darüber, dass ich seine Tochter gerettet hatte. Plötzlich fühlte ich mich schwach, unendlich schwach. Als würde die Mauer die ich um mein Herz gebaut hatte plötzlich in sich zusammen fallen. Vielleicht lag es aber auch an dem Blutverlust, denn meine Armbeuge blutete noch immer. Ich konnte nicht unterscheiden was zu meiner Schwäche führte.

"Sie war doch das Einzige, was uns noch ein wenig Hoffnung gab."
"Und trotzdem bleibt sie bei uns."

Ich schaute den Mann mit der, noch immer erhobenen, Armbrust wütend an.

"Weißt du wie es sich anfühlt, als zwölfjährige bei der Verwandlung seines Lehrers dabei zu sein, von ihm angegriffen zu werden. Ich war ein Kind. Ich sah Leid und Tod, direkt vor meinen Augen. Ich musste erwachsen werden und das viel zu früh. Ich verlor alles was ich jemals geliebt hatte, meine gesamte Familie. Ich musste stark werden um zu überleben. Ich war gerade einmal zwölf. Ein kleines Kind das viel zu schnell erwachsen werden musste."

Tränen liefen meine Wangen hinab und waren der Beweis für meine endgültige Schwäche.

"Nun bin ich siebzehn. Vor dem Ausbruch dachte ich, ich würde in diesem Alter mein Stipendium bekommen. Vielleicht sogar endlich Freunde haben. Mich verlieben. Ich wäre ein normaler Teenager gewesen."

Die Waffe zitterte in meinen Händen.

"Und was bin ich stattdessen geworden. Ein Monster. An meinen Händen klebt Blut das ich nie wieder abwaschen kann. Ich habe Sachen gesehen und erlebt, die kein Kind auf dieser Welt erleben sollte. Ein Kind musste töten und lernen was es hieß diese Schuldgefühle, diese Ängste in sich zu tragen."

Der Mann senkte langsam seine Armbrust.

"Doch in Wahrheit bin ich nicht so stark wie ich dachte. Die Tatsache, das ich kein Problem damit hätte, euch alle zu töten. Macht mich schwach. Es macht mich schwächer als jemals zuvor."

Mein Körper bebte unter den Blicken der erstarrten Menschen.

"Manchmal wünschte ich mir, mein Lehrer hätte mich damals in Stücke zerfetzt. Damit ich all das hier, niemals hätte erleben müssen."

Still alive || Daryl Dixon FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt