Kapitel 60 - * wild muse *

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Meine Laune sank auf den Tiefpunkt und ich ging ein paar Schritte. Ich holte von dem Café in der Nähe Kaffee und Waffeln für alle, um mich zu beruhigen. Mein Magen knurrte. Ich setzte mich wieder zu den Jungs und ignorierte Cubes Blicke. Ich reichte nur die Stärkung durch.
Der Shoot war wichtig für ihre Karriere und am Set arbeiteten alle hochkonzentriert. Das hieß, ich musste mich durchbeißen. In dieser Stadt ging es verrückt zu. Während in Europa der Krieg herrschte und davon immer mehr zu uns kam, machte jeder weiter als wäre nichts. Nichts war mehr wie es schien aber alle spielten mit. Auf der Zeitung, die neben mir lag war ein Bild von einer Fabrik. Im Industrie gebiet hatte es viele Tote nach einem Bombenanschlag der Russen gegeben. Es waren angeblich banden aber nach dem was ich wusste, glaubte ich nicht nur an einen Bandenkrieg der aus dem Ruder gelaufen war.

»Ich muss das irgendwie hinkriegen.« - setzte ich mich selbst unter Druck. Seit Wochen waren Sin mit ihren Songs und Alben auf Platz eins der Street- und Club Charts. Ihr Sound lief in Clubs und auf den Straßen New Yorks. Live waren sie ungeschlagen. Sie scheuten keinerlei Kontakt zu ihren Fans und waren immer greifbar. Dimitris Vermarktungsstrategie - Auftritte in Garagen, in Schwimmbädern oder an so skurrilen Orten wie Highschool Dächern. Hauptsache so nah wie möglich an den Fans. Kleinere Konzerte, dafür mehrere. Manchmal spielten sie sogar bis zu sechs Garagenkonzerte an einem Wochenende. Es kam einfach an und so saß Dimitri manchmal Nächte lang an neuen Konzepten, entwickelte Ideen und Songtexte. Scheinbar war ich nicht mehr, als eine Art Inspiration für ihn. 

Zwei der Jungs hatten noch Einzelshoots bevor ich und Cube dran kamen. Mir wurde schlecht. »Du hast Recht Angel«, gab Cube von sich und stand entfernt neben mir. »Es geht mich nichts an. Verzeih... Mit so viel Sex in der Lyrik und der Erotik im Shoot, hätte ich an deiner Stelle auch Angst! Wir machen das schon länger, also helfe ich dir. Bleib locker... Sollen wir uns schon warm machen«, zog er mich auf. Ich gab Cube genervt aber spielerisch einen Stoß in die Seite, als er mir deutlich zu nah war und seinen Arm um mich legte. Er wollte mir zwar nur helfen aber das machte es bloß noch schlimmer. Leider bekam ich genau in dem Moment Dimitris Aufmerksamkeit und die Szene geriet ihm in den falschen Hals.
»Angel! Kommst du mal? Auf ein Gespräch bitte...« donnerte seine Stimme. Ich ahnte schon, dass mich eine Gehirnwäsche ereilen würde. 

Dimitri nahm mich beiseite und wir gingen ein Stück, an einen Ort, wo uns abgeschottet von Bäumen und Büschen, weder jemand sehen noch hören konnte. »Kannst du mir mal sagen, was das eben sollte?«
»Warum die Standpauke, wenn du noch nicht mal weißt, was los war?«
»Ich sehe genau was los ist und es gefällt mir nicht. Beim ersten Shooting, habe ich gesehen was du kannst. Und ich weiß, du wirst es noch besser hinbekommen.«
»Da waren die Jungs bekleidet und es war irgendwo in einer Halle ohne das zisch Leute zusehen. Ich mach es ja, also was willst du von mir?«
»Sieht mir nicht danach aus. Cube so anzugehen, wird das Shooting erschweren. Wirst du in der Lage sein, dich die paar Stunden in den Griff zu bekommen und cool zu bleiben?«, fragte er und sah mir in die Augen.
Die Panik nahm mich gänzlich gefangen und doch versuchte ich ihn zufrieden zu stellen aber ich versagte.
»Ich versuche es, das war nicht so wie es für dich aussah. Frag ihn doch...«, senkte ich traurig den Blick. Ich hasste es, wenn er so mit mir sprach. Automatisch setzte eine Trotzreaktion ihm gegenüber ein, ähnlich wie bei Cube. Das war erst seit dem ich Dimitri kannte, die Seite kannte ich an mir sonst nicht.
»Versuchen? Das sah eben anders aus. Viel fehlt heute nicht, damit du zur Kratzbürste wirst. Iris macht ihren Job besser als du! Wieso kannst du dich nicht auch einfach darüber freuen? Macht es dir keinen Spaß? Nun es kann nicht immer was Angenehmes sein und heute brauch ich dich zu 100 Prozent. Der Fotograf ist nur wegen dir hier.«
»Wegen mir?«
»Er wollte dich wieder vor der Kamera, seit dem Job in der Fabrik. Dieses Shooting mit Sin, macht er nur, weil ich ihm deine Dienste angeboten habe. Er ist Aktfotograf und fotografiert normalerweise nur Frauen. Sin sind hin und wieder eine Ausnahme.«
»Wieso tust du sowas? Ich hatte schon keine Lust auf das erste Shooting.«
»Ich bin dein Boss und dir zu nichts verpflichtet. Ich bin niemandem verpflichtet«, schlug er neben mir gegen den Sockel einer Statur. »Du verhältst dich wie eine Diva und vielleicht bin ich selbst Schuld, weil ich dich zu nah an mich ran lasse.« Was sagte er da?
»Eine Diva? Ich habe Angst du unsensibler Mistkerl!... Diesmal bereue ich, dass ich mich so schnell habe umstimmen lassen nach den letzten Wochen«, stieß ich ihn von mir. »Merkst du das nicht? Es ist kaum eine Woche her, dass die hälfte der Leute die zuschauen mich gedemütigt haben. Ich kann mich für dich zusammenreißen..., aber hier treffen heute zisch Albträume auf einmal auf mich ein. Ich hab Angst, okay? Und ich versuche es. Ich meine, ich mach doch das blöde Shooting. Die Auseinandersetzung mit Cube eben hatte nichts mit dem Job zu tun. Sie war privat. Du musst mich nicht vorführen, als dürfte ich keine Meinung dazu haben, das hilft mir nicht...«
»Was auch immer es ist, klärt es nach dem Shooting.« Ich war angespannt. Es war das vierte Shooting seit dem ich für ihn arbeitete aber sowas, war sonst nicht dabei. Diese Art der Nähe, verlangte mir alles ab. Es war zu viel auf einmal. Die Jungs, die Menschen, die Kamera, er. Tief atmete ich ein.

Loyalty - heart virus (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt