Kapitel 3 ~ * savage *

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Mitten in der Nacht, weckten mich Schüsse. Laute stimmen der Studenten, erboste Offiziere und bewaffnete Wachen ergaben ein unverständliches, aufgebrachtes Durcheinander. Sie trampelten über die Gänge, wie eine Herde aufgeschreckter Ochsen. Vom Innenhof kamen erneut Schüsse und ich fuhr hoch um nach zu sehen. In mir machte sich ein unangenehmes Gefühl von Vorahnung breit. Die Scheibe war gefroren und ich hauchte in die Kälte des Winters, um zwischen den Gittern vor den Fenstern rauszuschauen.

»Das ist nicht sein Ernst. Verdammt Dimitri...«

Er wollte fliehen. Das war das 3. Mal in einem Monat. Die Verletzungen vom letzten Versuch waren noch deutlich zu erkennen und waren kaum verheilt. Der Schusshagel alarmierte mich ihm zu helfen und ich wusste er war auf dem Weg zu mir. Ich hielt einen Moment inne und hörte das Klacken der Tür zu meinem Sektor. Ich war ihr einziges Druckmittel. Dimitri war mittlerweile wie ein wildes Tier und zu allem Fähig. Ein mechanisches Aufschnappen verhallte in den Gängen. Mehrere Offiziere konnte man an ihren Stimmen identifizieren.
Ich griff nach meiner Waffe und schob sie mir in den Bund. Am Körper trug ich nicht mehr, als eine Trainingshose. Ich griff nach dem Steinrahmen des zugemauerten Fensters über der Tür und zog mich daran hoch. Diesmal hatte ich die Chance mich in dem Chaos zu verstecken. Als wenige Minuten später die Tür aufging, ging meine Illusion auf und sie dachten ich bin bereits geflohen.
»Zum Teufel! Wie konnte das passieren? Sie dürfen auf keinen Fall entkommen! Haltet diese Bastarde auf!«

Als sie sich in den Gängen nach draußen aufteilten, verließ ich mein Versteck und folgte ihnen. Ich kam ungesehen durch die verwinkelten Flure. Mein Weg führte zu einem der Trucks auf das Außengelände. Dort beobachtete ich Dimitri, der sich heftig prügelte und flüchtete in Deckung an den Lagerhallen. Ich fand etwas Schutz vor dem Schusshagel, um dann nach einander die Gegner abzufangen. Dimitri sah übel aus, doch es war, als würde er von Woche zu Woche stärker werden. Die eisige Kälte des Winters, machte den Söldnern zu Schaffen. Dimitri hingegen kochte.
Als ein weiteres Schussfeuer losging, sah ich hinter ihm eine gewaltige Gestalt auftauchen. Sie schien auf unserer Seite zu sein.
Eine ganze Horde stürmte auf die Beiden zu. Schnell zog ich die Waffe, die Dimitri mir beim letzten Fluchtversuch zukommen ließ und schoss. Ich traf. Jedes Mal. Und es fühlte sich gut an. Das war das einzige in dem ich besser war als er.
Die letzten Male waren wir zwar immer ein Stück weiter gekommen und mir schien, als gehörte das alles zu einem Plan aber dieses Gelände war voller Söldner. Soldaten, die ausgebildet wurden für Geld zu töten. Einst hatte er gesehen, wie jemand der Hölle entkommen war und nun eiferte er dem nach. Es gab kein anderes Ziel. Zu sehen, dass jemand fliehen könnte, machte ihn schier wahnsinnig.

Die Gestalt, die mit uns kämpfte, kam mir bekannt vor.
Die Gegner waren diesmal unachtsam und nicht so viele. Sie waren beim Militärsportturnier. Jeder hier war mit Vorsicht zu genießen und dieses Wagnis zu Vertrauen war ungewöhnlich für ihn. Dimitri hatte schnell wieder ein Dutzend Gegner auf sich und machte kurzen Prozess. Sein Gesicht und seine Hände waren voller Blut. Schwer auszumachen, ob es das seine oder das der Gegner war. In einer kurzen Stille stieß ich weiter zu Dimitri und dem Fremden vor. Ich war nicht mehr weit von ihnen entfernt.

»Dante! Du bist hier. Sehr gut, dass erspart uns Zeit.« Ich schnaufte.
»Das war der 3. Versuch. Verdammt, steckt da irgendeine Logik hinter?«
»Das war das letzte Mal. Heute werden wir diesem Drecksloch entkommen. Die anderen Male, sollte es nur so aussehen, damit ich uns etwas Schützenhilfe klarmachen kann. Lauft zum Trainingsgelände, lauft rüber. Ich folge euch. Es werden sich uns noch ein Paar Männer anschließen.« Nun aus der Nähe erkannte ich den Fremden.
»High, dass ist das Monster aus dem Bunker über dir, der dem du das letzte Mal geholfen hast ... Für den du dir diese Verletzungen im Gesicht eingefangen hast.«
»Er wird mit uns kommen. Wir haben auch Moby und Ly auf unserer Seite. Die waren mein Ziel im ersten Fluchtversuch. Sie werden in den Kerkern unter dem Trainingsgelände festgehalten. Sie warten, ich hatte ihnen eine Nachricht zukommen lassen. Den Rest wirst du später kennenlernen, wenn wir mehr Zeit haben.«
»Du hast dich absichtlich erwischen lassen, um den Leuten zu helfen?« Er grinste.
»Was ich vorhabe geht nur mit ihnen. Niemand wird uns jemals wieder einsperren, wenn wir erst hier raus sind. Und wenn uns die Flucht gelungen ist Dante, werden wir die Gesellschaft eines Tages dafür büßen lassen, was sie jedem Einzelnen von uns und unseren Familien angetan haben. Wir brauchen die Jungs und sie uns. Jeder hat seine Rolle. Lauf und vertrau mir. Diesmal werden wir es schaffen aber wir müssen die Männer noch rausholen. Hoffentlich schafft es auch der andere Teil vom Team. «
Die Leute die Dimitri mitnehmen wollte, waren Großteils aus den Hochsicherheitszellen. Soldaten die eben so unberechenbar waren wie er aber gewisse Fähigkeiten hatten. High war groß und unheimlich stark, sie ließen ihn oft für illegale Showkämpfe raus und erzielten hohe Wettgelder. Er wirkte wie ein Hawaiianischer Kriegsgott. Mehr wusste ich über ihn nicht.
»Herr Gott ... Dimitri, es wird eine Hetzjagd geben. Sie werden uns nur aufhalten. Dein Verbündeter ist nicht grade unauffällig.« Er packte mich und schnaufte.
»Du bist ein Albino Mann und ich ein russischer Perser mit Narben im Gesicht. Unauffällig ist keiner von uns... Vertrau mir Dante!«, sah er mich an. Dieser Blick, ich wusste, dass es ab hier nur noch einen Weg für ihn gab. Ich vertraute ihm aber denen nicht. Ich sah zu dem Hünen neben ihm und nickte.

Loyalty - heart virus (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt