Kapitel 9 ~ * keep your distance *

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Die Musik hat eine wunderbare Kraft, in einer unbestimmten Art und Weise die starken Gemütserregungen in uns wieder wach zu rufen, welche vor längst vergangenen Zeiten gefühlt wurden.

c) Charles Darwin

Seit Langem zog ich mich mal wieder zum Schreiben von Songs ins Kiss zurück. Heute hatte ich hier meine Ruhe, niemand der mich ablenken konnte. Der Beat dazu, lag mir bereits im Ohr und ein Wort reihte sich an das andere. Zumindest für eine Weile. Dann war Sie wieder in meinen Gedanken. Unzufrieden schnaufte ich und lehnte mich zurück.

Die Musiker die Auftraten, waren ganz gut und ich konnte mich entspannen.
Die exotische Tänzerin, tauchte dann leider außer der Reihe, morgens um kurz vor fünf Uhr auf. Ich hatte es lange geschafft ihr auszuweichen. Heute löste sie unglücklicher Weise eine Kollegin ab und bediente die letzten Gäste. Einen der Vorhänge hatte ich zugezogen. Man konnte mich nicht direkt sehen, ich dafür alle anderen.

Außer mir, zwei meiner Männer, die an der Bar Karten spielten und ihr, war bald keiner mehr da. Sie redete mit ihnen, schenkte ihnen ihre Drinks nach, spielte eine Runde mit ihnen Rommé und legte dann ihre Schürze ab, um in Richtung Bühne zu gehen. Ein junger Mann, etwa in ihrem Alter tauchte auf. Schlank und mit Brille. Sie kannten sich offensichtlich sehr gut. Er und zwei Techniker die kurze Zeit später auftauchten, halfen ihr die Bühne für ihren Auftritt am folgenden Abend vorzubereiten.

Sie probte... Um diese Zeit?

Unglücklicherweise war ich interessiert daran, wie sie arbeitete. Die Helfer brachten Glasscheiben statt der Gitter, am Rand der Bühne an. Alles war in Schwarz und Gold gehalten, wirkte sehr edel und harmonisch zu dem dunklen Ambiente des Kiss. Sie schlüpfte in ein schwarz-goldenes Kleid, wie Akrobatiktänzerinnen es sonst bei Wettbewerben trugen. Aus der Tasche, die sie mitgebracht hatte, holte sie eine Violine und eine Kamera. Die Kamera stellte sie am Rand der Bühne auf.
Am Ton von den Boxen konnte man viel mehr rausholen, dachte ich.
Sie stellte die Anlage an, während der Techniker und der mir unbekannte Junge das Licht und den Ton verbesserten aber dabei nicht so gut arbeiteten, wie die Kleine es verdient hätte. Konzentriert und sanft spielte sie ein paar Lieder und koordinierte dann die Abläufe für die nächste Show. Sie blühte dabei förmlich auf und inspirierte mich zu weiteren Projekten.

Als sie zum letzten Mal in dieser Nacht spielte und die Show durchgeplant war, lehnte ich mich zurück und konnte nicht mehr wegschauen. Sie tanzte zeitgleich. Eine Mischung aus klassischen Ballettdrehungen und Hip Hop Elementen. Sie spielte die Violine... und wie sie sie spielte.  Es war elegant und hatte dennoch Temperament. Ich musterte einige Male ihr hübsches Gesicht. Indessen ging die Sprinkleranlage an und sie stand nass bis auf die Haut auf der Bühne.
»Sie wird jeden Abend besser«, hörte ich die Worte meiner Männer über den Knopf in meinem Ohr. Die Kleine war talentiert, dass sahen selbst meine Orks. Nachdenklich zog ich mich zurück. Ich verschwand bevor sie mich bemerken konnte.

Erst Tage später, nach einem verlorenen Kampf in der Arena, zog ich mich wieder ins Kiss an die Bar zurück und betrank mich. Ich trank viel zu viel. Der kleine Geist, war heute zum Glück nirgends zu sehen. Das musste nichts heißen. Sie tauchte oft auf, wenn ich gar nicht damit rechnete.
Ich verschwand zwischendurch auf der Herrentoilette und versuchte mit kaltem Wasser, das getrocknete Blut von meiner Schläfe und der Lippe zu wischen. Ich war alleine und vor mir auf der Ablage unter dem Spiegel, grinste mich das weiße Zeug aus dem Glasflakon an. Weißer Staub. Fluchend schlug ich gegen die Wand. Das dauerte mir alles schon viel zu lange. Mit jedem Nein, wollte ich sie mehr für mich gewinnen ohne sie zu verschrecken. Bisher versagte ich dabei in jeder Hinsicht.
»Verdammtes Mädchen. Du bisst schlimmer als dieser verfluchte Staub...«

Als ich zur Bar zurückkehrte, begann der Staub zu wirken. Eine Frau im roten Kleid und mit blonder, wallender Mähne sprach mich an.
»Hey schöner Mann, hast du mal Feuer?« Ich steckte mir selbst grade eine Zigarette an und warf genervt einen Blick. Erkannte in der Person neben mir, den blonden Vamp wieder der manchmal mit einer rothaarigen Freundin hier auftauchte, sich hemmungslos mit teurem Champagner zukippte, um sich dann den Männern an den Hals zu werfen. Ihr Gesicht war durch das ganze Make-up, kaum dazu fähig ihr Lächeln wiederzugeben. Nie hatte mich ein Lächeln so angewidert. Der knallrote Lippenstift blieb am Rand ihres Glases kleben und wirkte alles andere als anziehend. Sie wirkte wie eine Plastikpuppe.
»Nicht für dich...«, entgegnete ich ihr forsch, sog das Menthol ein und ignorierte sie. Meine Abfuhr wirkte schnell und sie ließ mich in Ruhe. Ich legte meine Lederjacke ab, es war grade viel zu warm in dieser Gruft.

Loyalty - heart virus (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt