Kapitel 69 ~ *silently inside me*

391 15 2
                                    

Wir blieben auf der Straße vor seinem Auto stehen und er bot mir an, mich nach Hause zu fahren. Ich schaute aber rüber zu dem kleinen Mädchen. Sie saß noch immer da und beobachtete die Menschen, die auf den Wegen entlang liefen.
»Ich würde sie gern begrüßen.«
»Dann geh schon, ich warte hier«, räumte er ein.
»Ist nicht nötig, Du musst nicht fahren. Ich finde auch alleine nach Hause.«
»In dem Aufzug? Niemals!« Wenn er nur wüsste.
»Na gut, dann bin ich gleich wieder da, Chef...«, betonte ich zum zweiten Mal an diesem Abend. Er hob eine Augenbraue hoch, griff nach meinem Arm und zog mich an sich.
»Nicht frech werden Prinzessin...«, hauchte er auf meine Lippen, küsste mich aber nicht. Obgleich ich fühlte, dass er es gerne getan hätte. Schnell wich ich vor ihm zurück, wenn ich geahnt hätte, was dieser Abend mit meinen Gefühlen anrichtet, wäre ich getürmt.

Ich schaute mich kurz um und lief dann über die Straße rüber zu meiner kleinen Freundin, die mir schon oft aus der Patsche geholfen hatte, in den letzten Tagen. Wir redeten oft und ich sah sie mittlerweile fast täglich. Ich setzte mich zu ihr und bekam ein Lächeln geschenkt.
»Angel!«, freute sie sich und drückte mich so herzlich, dass alle Schmerzen vergessen waren. »Geht es dir wieder besser?«, fragte sie besorgt und musterte mein Gesicht. Wenn sie mich so anhimmelte war alles besser. Ich nickte. Wenn sie sich anlehnte, genossen wir beide die Zuwendung. Ihre Umarmung, machte mir nichts aus. »Ist das dein Freund?« Schielte sie an mir vorbei und lehnte sich vor. Ihr Interesse galt Dimitri, der an sein Wagen gelehnt stand und eine rauchte. Sie hatte mich gesehen als ich von ihm zu ihr gelaufen war.
»Keine Ahnung Süße. Eigentlich ist er mein Chef.«
»Wie kann man denn da keine Ahnung haben?«, fragte sie irritiert und brachte mich zum Lächeln.
»Weißt du, manchmal mag man jemanden sehr, doch ist nicht mit ihm zusammen. Es ist kompliziert.« Neugierig musterte sie ihn.
»Er sieht böse aus.«
»Ist er aber nicht. Vielleicht etwas zu ernst.«
»Hast du ihn lieb?«, fragte mich ihre süße Kinderstimme und ich erinnerte mich an die letzten Monate. Einen Augenblick ließ ich die Gedanken zu und auch die Gefühle, was ich besser nicht hätte tun sollen. Da waren Gefühle für ihn, die so stark waren, dass sie mich manchmal zu ersticken drohten.
»Sehr sogar.« Um ihre Fragerei zu unterbrechen, kitzelte ich sie aus. Laut gluckste sie auf und rutschte auf der Treppenstufe weiter weg. »Verrätst du mir denn heute deinen Namen?« Immer noch kichernd nickte sie.
»Juli, wie der Monat.« Ihr Lächeln zeigte mir eine Zahnlücke, ihr vorderer Schneidezahn fehlte. Ein Milchzahn. Zuckersüß. Man konnte sich in ihren braunen Augen verlieren. Sie war niedlich und vor allem hübsch, auch unter dem ganzen Schmutz. Ich zog sie an mich und kuschelte mit ihr. Man musste sie einfach liebhaben und herzen. Ich gab ihr wie jeden Tag, wenn ich herkommen konnte mein Essen, Obst und etwas Süßes. »Du siehst hübsch aus«, sagte sie mit vollem Mund.
»Du bist aber viel hübscher!«, brummte ich spielerisch.
»Nein du!«
»Du bist das hübscheste kleine Mädchen, dass ich kenne.« Ich stupste sie auf die Nase und seufzte. »Ich muss leider wieder los...« Sie lächelte.
»Kommst du morgen wieder?« Ich umarmte sie ein letztes Mal und strich durch ihr zerzaustes, langes, braunes Haar.
»Ich versuche es, dann bring ich dir eine Bürste mit für deine Haare.« Ihre Augen leuchteten auf.
»O ja, das wäre toll.« Ich verabschiedete mich endgültig und kehrte zum Auto zurück.

»Du weißt, sie wäre in einem Heim besser aufgehoben...«, merkte er an.
»Bist du dir da wirklich sicher? In diesem System aktuell? Da rutscht jeder Kriminelle durch. Die Polizei wird in der ganzen Stadt von den Russen geschmiert. Ich weiß es von Joel und Iris. Sie kommt aus einem Kinderheim«, antwortete ich ihm und stieg ins Auto, als er mir die Tür aufhielt. Er ging rum, stieg ebenfalls ein und fuhr los.
»Wie meinst du das?« Ich erinnerte mich an eines der Gespräche mit ihr. Nach und nach öffnete sie sich mir und wir wurden sowas wie Freunde. Bei jedem Treffen etwas mehr.
»Sie ist weggelaufen vor dem Heimleiter. Ihre Worte waren: - nachts, wenn alles leise war, kam ein schwarzer Mann an mein Bett und hat versucht mich zu entführen. Er hat mich ständig beobachtet- ich werde sie sicher nirgends hinbringen.« Dimitri musterte mich eindringlich und schaute zum Fenster raus. »Im Ernst?« Ich nickte. »Solche Kerle verdienen die Todesstrafe...« Er versuchte nicht weiter, mir irgendeinen Vorschlag zu unterbreiten. »Was ist mit ihren Eltern?« Ich schloss mein Jäckchen, mir war irgendwie kalt.
»Weiß ich nicht, darüber spricht sie nicht.«
»Ist genauso verschlossen wie du was?«
»Manche Sachen brauchen keine Worte. Müsstest du doch am Besten wissen.« Er warf mir lediglich einen Blick zu.

Loyalty - heart virus (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt