15.Harrys Entscheidung

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Nachdem Louis geendet hatte, herrschte einen Moment Schweigen, dann hob Harry den Blick und sah den Jungen an, der auf seiner Matraze saß, den Kopf gesenkt hielt und seine Hände im Schoß musterte.

Nachdem Harry lange geschwiegen hatte erhob sich Louis und murmelte: "Ich mach mich dann mal auf den Weg nach Hause...wir sehen uns ja sicherlich in der Schule...wenn du noch willst." Mit schweren Schritten ging er aus Harrys Zimmer, hielt in der Tür nocheinmal inne, als hoffte, er Harry würde ihn doch zurückrufen, doch er tat es nicht.

In seinem Kopf klangen Louis Worte noch immer nach und er ging sie immerwieder durch, um besser verstehen zu können. Seine Tür klickte zu und Harry saß wieder in der Dunkelheit. Unten konnte er Louis hören, wie er sich von Anne und Robin verabschiedete und dann das Haus verließ. Harry atmete einmal tief ein und schloss die Augen. Louis Geruch hing noch immer in der Luft und wenn er sich konzentrierte, dann schmeckte er auch noch seinen Geschmack auf den Lippen.

Er konnte nicht leugnen, dass er ebenfalls Gefühle für Louis hegte und auch nicht, dass sie sich durch die Geschichte keineswegs geändert hatten. Louis konnte nichts dafür, dass er ein Vampir war. Sollte Harry sich deswegen von ihm abwenden?

Er zog sich aus und legte sich ins Bett, zog die Decke über seinen Körper und rollte sich ganz eng zusammen. Eine einsame Träne lief ihm den Nasenrücken herunter, weil er nicht wusste, was er fühlen sollte. Liebte er Louis? Könnte er damit leben, dass er ein Vampir war und niemals alt werden würde, während er selbst erwachsen wurde? Konnte er damit leben, zu wissen, dass der beste Freund von Louis mehrere Menschen auf dem Gewissen hatte und vielleicht irgendwann wieder töten würde, weil er sich doch nicht in den Griff bekam?

"Harry, hast du schlecht geschlafen? Du siehst nicht gut aus", stellte Anne fest, als er am nächsten Morgen mit ihr und Robin zusammen am Frühstückstisch saß. Seine Augen waren geschwollen und juckten, denn er war die halbe Nacht wach gewesen und hatte im Kopf sperrige Gedanken hin- und hergewälzt. Heute würde er Louis in der Schule wieder sehen und noch immer war er sich nicht sicher, wie er mit ihm umgehen sollte. "Schatz, was ist los?", fragte Anne und strich Harry über die dunklen Locken. "Ist es wegen Louis? Habt ihr euch gestritten?"

"Hm naja sozusagen. Louis hat mir seine Geschichte erzählt und ich bin nicht mehr so sicher, wie ich jetzt mit ihm umgehen soll", murmelte Harry. "Wirkt sich denn seine Vergangenheit auf die Freundschaft zwischen euch aus?"

Gute Frage. Tat sie das?

Eigentlich schon, denn schließlich blieb Louis immer ein Vampir - das würde sich nie ändern. Auf der anderen Seite war er auch schon ein Vampir gewesen, als Harry ihn zum ersten Mal gesehen hatte und genau genommen hatte sich Louis nicht verändert, es war nur Harry selbst, der nun über mehr Hintergrundwissen verfügte. Trozdem fühlte Harry noch immer dasselbe, wenn er an Louis dachte und das hatte nichts damit zu tun, dass er wusste, was Louis war. Denn er hatte sich in den Punk verliebt, der ihn mit seinen blauen Augen anstarrte, der ihm die Stadt gezeigt und ihn in den Arm genommen hatte.

"Nein, ich glaube nicht", antwortete er und Anne lachte: "Dann ist es doch gut. Dann mach dir nicht so viele Gedanken. Wenn du Louis magst, dann bleibe mit ihm befreundet, egal, was er dir erzählt hat. Wenn es seine Vergangenheit ist, dann hat er mit Sicherheit damit abgeschlossen und alles wird gut."

Hoffentlich hatte seine Mum recht.

Harry packte sich eine Banane ein und ging dann in den Flur, wo er in seine Schuhe schlüpfte, sich Jacke und Mütze aufzog und dann mit dem Rucksack über der Schulter das Haus verließ.
Noch immer wusste er nicht, wie er Louis gegennübertreten sollte.

Draußen war es noch dunkel und ziemlich kalt, sodass Harry durchgefroren war, als er an der Schule ankam. Auf dem Hof herrschte schon reges Treiben und er konnte Liam und Niall sehen, die mitten auf dem Hof standen und ihn breit angrinsten. Kaum war Harry bei ihnen angekommen, fragte Niall: "Naaaaa wie war dein Date?"

"Aufschlussreich", sagte Harry ernst und ließ den Blick über den Hof schweifen. "Wenn du Louis suchst, der steht da hinten am Eingang zur Mensa und starrt schon die ganze Zeit zu uns rüber. Ich glaube, er hat darauf gewartet, dass du zu uns kommst", murmelte Liam und nickte mit dem Kopf in Richtung der Schulmensa. Harry folgte seinem Blick und tatsächlich lehnte Louis an den großen Fensterscheiben, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sein kritischer Blick wurde weich, als er bemerkte, dass Harry ihn ansah. Das Blau seiner Augen wirkte plötzlich nicht mehr kalt, sondern wurde warm und freundlich. Seine Lippen formten ein 'Hallo' und verzogen sich dann zu einem unsicheren Lächeln. Harry konnte nicht verhindern, dass sich sein Magen zusammenzog und sich eine wohlige Wärme in seinem Körper ausbreitete.

"Gott, bist du verknallt...", kicherte Niall und zeigte mit dem Finger auf Harry, der bei diesen Worten schluckte und sich eingestehen musste, dass Niall Recht hatte. Ja, er war verdammt nochmal in Louis verliebt. Langsam nickte er und murmelte: "Ja, ich glaube das bin ich."

"Habt ihr euch geküsst?", fragte Liam neugierig und fixierte Harry mit seinen Hundeaugen. "Ja und es war wirklich toll", antwortete er automatisch, ohne dabei den Blick von Louis abzuwenden, der ihn fixierte und dem man ansehen konnte, dass ihn die Ungewissheit über das, was noch zwischen ihnen war, quälte. "Ich bin gleich wieder da", sagte Harry, schob sich zwischen den Schülern hindurch und ging direkt auf Louis zu, dessen Gesichtausdruck ängstlich wurde, nachdem er sich ihm näherte.

Als Harry direkt vor ihm stehenblieb, lächelte er mild: "Hi. Hast du gut geschlafen?"

"Nein...ich schlafe nie und du Harry?"

"Auch nicht...ich habe viel nachgedacht", antwortete Harry, brach ab und sah sich um. Überall waren Schüler, die ihnen zuhören könnten. Obwohl alle einen gewissen Sicherheitsabstand zu Louis einhielten, war die Gefahr zu groß, dass man sie belauschte. "Können wir irgendwo hingehen, wo wir in Ruhe reden können?" Louis nickte und ging Harry voran ins Schulgebäude, wo er einen Flur entlangging und vor einer Tür hielt, hinter der sich das Lager des Kunstraumes befand. Dort wurden Papiere, Acrylfarben, Pinsel und andere Utensilien aufbewahrt und der Raum wurde selten betreten. Louis öffnete die Tür und zog Harry hinter sich hinein. Es war schummrig und roch nach alten Farben und Lacken.

Louis wandte sich Harry zu und fragte: "Also, zu welchem Schluss bist du...." Weiter konnte er nicht sprechen, denn Harry hatte die Arme um seinen Hals geschlungen und seine Lippen fest auf die des Punks gepresst. Hungrig küsste er Louis und drängte ihn an die Wand, bis er dagegen stieß. Louis erwiderte den Kuss etwas überrumpelt aber dankbar, dann hielt er Harry an den Schultern fest und drückte ihn von sich. "Hör zu, Curly....ich bin unglaublich glücklich darüber, was du da gerade getan hast....aber bitte sei dir darüber bewusst, was du tust....du küsst einen Vampir", hauchte Louis und es war das erste Mal, dass er sich selbst als solcher bezeichnete. Harry machte einen Schritt auf Louis zu und strich ihm sanft über die Wange: alle Zweifel und Ängste waren plötzlich wie weggeblasen. Sein Herz hatte die Führung übernommen und er konnte nichts dagegen tun.

"Ich habe mich in dich verliebt Louis und zwar bevor ich wusste, was du bist...ich kann jetzt nicht einfach weitermachen, als sei da nichts...ich liebe dich, Louis...." Der Punk lächelte breit und neigte den Kopf, um seine Lippen erneut auf Harrys zu drücken. "Du machst mich unglaublich glücklich, dass du das sagst...und ich verspreche dir, dass ich mich beherrschen und dir nicht wehtun werde", hauchte Louis, zog Harry in eine feste Umarmung und vergrub seine Nase in den dunklen Locken.

Umzug mit FolgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt