44. Nähe in der Kapsel, Abstand in der Nacht

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Das London Eye war hell beleuchtet und spiegelte sich im Wasser des Flusses, als Harry und Louis über die Brücke auf die andere Seite hinübergingen. "Ich dachte, wenn wir schonmal da sind, dann müssen wir einfach mal mit diesem Ding fahren." sagte Louis begeistert und beschleunigte seine Schritte ein wenig. Es war mittlerweile richtig kalt geworden und Harry froh, dass sie gleich in der beheizten Glaskapsel sein würden. Weil die ganzen Touristen beim Abendessen waren, mussten sie nicht lange warten und bekamen sogar eine ganze Kapsel für sich, weil der Mann, der sie eingelassen hatte meinte: "Ihr wollt sicher ein wenig Zweisamkeit."

Zischend schloss sich die Tür hinter ihnen und die ganzen Geräusche der Stadt, das Summen des Verkehrs, das Rauschen des Flusses und des Windes wurden ausgesperrt. Harry trat an die Scheibe heran und sah, dass die Kapsel sich schon über dem Wasser befand und sich unmerklich nach Oben bewegte. Die Fahrt würde eine halbe Stunde dauern und für einen Moment überkam Harry ein mulmiges Gefühl, als er sich bewusst wurde, dass er sich in einer versiegelten Glaskapsel befand – mit einem Vampir, der seit Tagen nicht mehr genug gegessen hatte. Louis, der einen siebten Sinn für Harrys Gedanken und Gefühle entwickelt zu haben schien, hielt einige Meter Abstand zu ihm und lehnte sich auf der anderen Seite der Kapsel an das Metallgeländer. "Du hast Angst." flüsterte er und in seinem Blick lag Traurigkeit, als er das sagte. Harry biss sich auf die Unterlippe und sah ihn entschuldigend an, dann nickte er und senkte den Kopf. Schweigen erfüllte die Kapsel und Harry klammerte sich an das Metallgeländer hinter sich, lies Louis dabei keine Sekunde aus den Augen, wärend die Kapsel sie immer höher über die Stadt trug und die Lichter in der Dunkelheit sie wie ein Meer aus Sternen aussehen liesen. Doch Harry hatte dafür jetzt keinen Blick übrig – seine Aufmerksamkeit galt Louis, der eine Hand in die Innentasche seiner Jacke schob und eine Kanüle mit seinem Blut herauszog, sie aufschraubte und mit einem Zug leerte. Es war, als wollte er Harry beweisen, dass von ihm heute Nacht keine Gefahr ausging. Mit gesenktem Kopf und schweigend schraubte er den Deckel wieder auf das Röhrchen und sah Harry dann an. In seinem Blick lag so viel Unsicherheit, dass es Harry augenblicklich Leid tat, zugegeben zu haben, dass er Angst hatte. Vorsichtig streckte Louis eine Hand aus und blieb vor Harry stehen. Er wartete darauf, dass der Lockenkopf einen Schritt auf ihn zuging um ihn nicht zu bedrängen. "Ich tu dir nichts. Ich werde dir nie etwas tun, das habe ich dir versprochen...und glaube mir, wenn ich sage, dass ich mich in dieser Kapsel noch besser im Griff habe, als gestern abend in deinem Zimmer, als wir....naja du weißt schon." Diese Worte überzeugten Harry und er ergiff rasch Louis schmale Hand. "Tut mir Leid, dass ich an dir gezweifelt habe..." flüsterte er und umarmte den Punk fest. "Ich hätte wissen müssen, dass du mir nichts Böses willst, aber irgendwie habe ich mich gerade ziemlich ausgeliefert gefühlt." gestand er und sah zu Louis auf, der ihn mild anlächelte. "Ich kann es doch verstehen – schließlich habe ich schoneinmal die Kontrolle verloren...aber ich liebe dich und ich würde es mir niemals verzeihen, wenn dir meinetwegen etwas Schlimmes passieren würde." sagte Louis, drehte Harry in seinen Armen, sodass er ihn mit dem Rücken an seine Brust drücken konnte und schob ihn an die gewölbte Glasscheibe. "Und jetzt genieß mit mir zusammen diesen fantastischen Ausblick." flüsterte er und Wange an Wange standen sie da, hatten die Arme umeinander gelegt und sahen hinaus auf das nächtliche London, das blitzend und funkelnd und lebendig, wie eh und je unter ihnen lag.

Kurz bevor die Fahrt zu Ende war und sie wieder an der Einstiegsplattform angekommen waren, drehte Harry sich zu Louis um, lächelte ihn an und strich ihm über die Wange. Er war so dankbar für diesen Ausflug, dass es schwer war, das in Worte zu fassen, weswegen er Louis einfach an sich zog und ihm einen zärtlichen Kuss gab. "Hm wofür war das denn Curly?" fragte Louis und küsste Harry gleich nocheinmal, als könnte er nicht genug von ihm bekommen. "Das war als Dankeschön für den heutigen Tag." flüsterte Harry und sog seine Unterlippe zwischen die Zähne. "Mach das nicht. Das sieht so süß bei dir aus..." bettelte Louis und hob Harry kurz in seine Arme. "Dein Niedlichkeitsfaktor steigt sonst so hoch, dass ich mich kaum beherrschen kann..." - "Das musst du doch auch nicht." entgegnete Harry und hoffte, dass Louis die Anspielung verstand. Was war nur los mit ihm? Er war mit Louis gerade mal zwei Wochen zusammen und hatte sein erstes Mal erst vor Kurzem gehabt und doch konnte er nicht genug von dem schmalen Wuschelkopf bekommen. Louis ergriff Harrys Hand und trat mit ihm zusammen hinaus in die Nacht, als sie aussteigen durften.

Es war noch kälter und Harry zitterte, wärend die Kälte Louis gar nichts auszumachen schien, denn er machte nichteinmal seine Jacke zu. "Frierst du nicht?" fragte Harry und schlug den Kragen hoch. "Nein, das ist ein Vorteil meiner Spezies. Willst du meine Jacke?" Noch bevor Harry darauf antworten konnte, hatte er sie schon abgestreift und sie ihm über die Schultern gelegt. "Ich will nicht, dass du krank wirst. Wir wollen doch morgen ins Theater." - "Ich muss jetzt erst einmal ins Bett, ich bin hundemüde." flüsterte Harry und strauchelte tatsächlich ein wenig. Kurzerhand nahm Louis ihn huckepack und trug ihn bis zur nächsten U-Bahn Station, was für ihn keine große Sache war. "Ich kann später bestimmt nicht schlafen." sagte Harry, wärend Louis ihn die Treppen hinunter in die Station trug: "Wenn du neben mir liegst, bin ich hellwach...." - "Nana, was ist denn mit dir los? Ich habe deine Anspielungen schon verstanden, Harry....kannst du nicht genug bekommen?" schnurrte Louis und Harry konnte nicht verhindern, dass er rot anlief. Es war ihm ein wenig peinlich, dass er sein Verlangen nicht zügeln konnte, doch Louis hatte einfach eine unglaubliche Anziehungskraft auf ihn, der er nicht widerstehen konnte. Und auch nicht widerstehen wollte.

In der Bahn schlief er beinahe an Louis Schulter ein und wurde von ihm die Treppe hinauf in ihre kleine Ferienwohnung bugsiert. Er konnte Louis amüsiert kichern hören, als er ihn ins Bett legte und Harry nicht verhindern konnte, dass ihm immerwieder die Augen zufielen, obwohl er sie mit aller Willenskraft versuchte, offenzuhalten. "Wieso lachst du?" nuschelte er. Louis grinste nur und zog Harry die Jacken und Schuhe aus, öffnete den Reißverschluss seines Pullovers und machte sich daran, Harry komplett aus seinen Klamotten zu schälen. "Weil du so müde und benommen bist, dass du gar nichts mehr mitbekommst, das ist irgendwie süß." sagte er. Mit einem Ruck war Harry seine Jeans los und wurde von Louis zugedeckt, der sich über ihn beugte und ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen drückte. "Bleib da...." nuschelte Harry und hielt ihn am Ärmel fest und lies ihn nicht los, bis Louis sich ebenfalls die Klamotten ausgezogen hatte und neben ihm unter die Decke gekrochen war. Er schlang die Arme um Harry, schmiegte sich an seinen Rücken und kraulte ihm den Kopf: "Ich liebe dich Harry...." flüsterte er und fügte noch hinzu: "...und wenn ich könnte, dann würde ich mein ganzes Leben mir dir verbringen..." doch diese Worte hörte er leider nicht mehr, denn der Schlaf hatte ihn genau in diesem Moment übermannt.

Louis POV:
Wärend seine Hand durch die dunklen Locken fuhr und er Harry beim Schlafen beobachtete, wünschte sich Louis zum ersten Mal, kein Unsterblicher zu sein. Noch nie – nicht einmal bei Thomas, den er wirklich aufrichtig geliebt hatte – war es ihm passiert, dass er den Wunsch verspürte, wieder ein Mensch sein zu können. Altern zu können und in der Lage zu sein, mit einem anderen Menschen sein ganzes Leben zu verbringen. Vielleicht war es auch die Rosarote Brille, die seinen Blick momentan verschleierte, aber trozdem fühlte er sich mit Harry so lebendig, wie schon lange nicht mehr. Erst jetzt, wo es ihm so gut ging, fiel Louis auf, dass er sich eigentlich in den letzten Jahren nur schlecht gefühlt hatte. Seltsam, dass man das manchmal erst im Nachhinein erkannte.

Alles an Harry war einfach wunderbar. Wenn er seine Hand hielt, dann passten sie so gut zusammen, als wären sie genau füreinander gemacht. Lächelnd wickelte sich Louis eine von Harrys Locken und den Finger und war sich sicher, dass ihn diese Haare manchmal in den Wahnsinn trieben, doch er liebte sie einfach. Genau wie die Grübchen in seinen Wangen, die sich bildeten, wenn er lachte – all diese Kleinigkeiten machten Harry aus und er liebte einfach alles an ihm.

Harry seufzte im Schlaf, drehte sich auf den Rücken und wandte das Gesicht Louis zu, der schluckte und den Blick über die helle Haut streifen lies. Wenn er ihn jetzt biss, dann würde Harry fast nichts spüren, zumindest im ersten Moment nicht. Er könnte ihn verwandeln und sie könnten für immer zusammensein. Er näherte sich langsam Harrys Kehle und seine scharfen Augen konnten das leichte Pulsieren der Hauptschlagader unter der Haut sehen, wärend seine Nase den süßen Duft erschnüffelte – besser als jedes Parfüm stieg es von Harry auf. Mit leicht geöffneten Lippen berührte Louis Harrys Hals, besann sich im letzten Moment allerdings anders und drückte ihm einen sanften Kuss auf den Kehlkopf, bevor er rasch aufstand und sich ans Fenster setzte, um hinunter auf die Straße zu schauen. Er brauchte jetzt für einige Momente Abstand zu seinem Freund.

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Naaa wer von euch hat die Anspielung auf "Little Things" erkannt???
LG

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