50. Auf dem Weg nach Hause

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Benommenheit erfüllte ihn. Seine Glieder waren so schwer, dass Harry sich nicht vorstellen konnte, sie jemals wieder bewegen zu können. Er lag einfach da: auf dem Holzboden im Globe Theatre, öffnete immerwieder die Augen und lies sie dann doch wieder zufallen, weil sie einfach zu schwer waren. Er konnte Louis spüren, der ihm ein neues Oberteil anzog und ihn dann vorsichtig in seine Arme hob. Die Rippen taten ihm weh und Harry entfuhr ein schmerzhaftes Ächzen, woraufhin Louis schnell ein: "Tut mir Leid Curly..." flüsterte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. In Louis Armen war es schön und Harry wünschte sich, er könnte ewig darin liegenbleiben. Sein Körper tat weh, alles brannte und zog heftig und er hätte am Liebsten geschrieen, doch kein Laut kam ihm über die Lippen. Das Knarzen einer Tür ertönte und mit einem Mal konnte er die frische Nachtluft riechen, als Louis mit ihm hinaus ins Freie trat. "Ah, da bist du ja!" rief eine Stimme, die wie Zayn klang, doch das war nicht möglich. Zayn war doch in Edinburgh. "Setz dich mit ihm auf den Rücksitz, ich fahre." sagte der Mann und Harry spürte, wie er auf einem weichen Polster abgelegt wurde. Eine Autotür schlug zu und das laute Geräusch schmerzte ihm in den Ohren, sodass er die Augen zukniff. "Ich bin da Harry..." erklang nun Louis Stimme, wie aus weiter Ferne, der seinen Kopf auf seinen Schoß legte und ihm beruhigend durch die Haare strich. Das Auto setzte sich in Bewegung, was nicht unbedingt zur Besserung seines Zustandes beitrug, denn das Ruckeln der Räder auf dem Asphalt, schien Harry direkt in den Körper zu fahren und er wimmerte leise, weil ihm jeder Knochen wehtat. Außerdem war ihm unglaublich heiß und sein ganzer Körper schien zu brennen, als wäre seine Haut überall mit feinen Schnitten überzogen.

Louis POV:
Harry tat ihm so Leid. Er lag in seinem Schoß, hatte die Augen geschlossen, doch die Augäpfel hinter seinen Lidern huschten rasch hin und her. Immerwieder kniff er die Lippen zusammen, jammerte und wimmerte leise und warf den Kopf hin und her, als hätte er einen schlimmen Albtraum. In diesem Moment würde Louis alles für Harry tun, doch er wusste, dass es nichts gab, was dessen Schmerzen im Augenblick lindern könnte . So strich er ihm nur sanft übers Gesicht, flüsterte ihm beruhigende Worte zu und hoffte einfach, dass Harry die Verwandlung bald überstanden hatte. Zayn fuhr das Auto auf die Schnellstraße und lenkte es aus der Metropole hinaus. Erst jetzt, fiel Louis ein, dass Zayn und er sich eigentlich voneinander verabschiedet hatten: "Wieso bist du hier? Und woher wusstest du, dass wir in Schwierigkeiten stecken? Ich dachte du wolltest dich umbringen?" fragte er und sah Zayn durch den Rückspiegel an. "Ich hatte auch wirklich vor, mich umzubringen und machte mich auf den Weg in die Highlands, nachdem du die Wohnung verlassen hattest. Ich wollte mich in der Wildnis von der Welt verabschieden und war gerade auf einen Felsen geklettert, als ich ein ungutes Gefühl bekam. Ich kann nicht sagen, was es war – vielleicht ein Instinkt. Aber ich wusste, dass ihr in Gefahr seid und ich euch helfen musste, also stellte ich meinen Plan hinten an und machte mich auf den Weg nach London. Irgendwie hatte ich schon immer den Verdacht, dass William nicht ganz so nett ist, wie man glauben mag und scheinbar hat sich mein Verdacht ja bestätigt." sagte Zayn und seufzte: "Jetzt habe ich allerdings meine einzige Holzkugel verbraucht, um William zu töten..." - "Das ist bestimmt ein Zeichen, dass du bleiben und weiterleben sollst." sagte Louis hoffnungsvoll und lächelte Zayn matt an. "Du hast ja gemerkt, was Harry und mir passiert, wenn du nicht da bist. Wir brauchen dich als unseren Bodyguard und Babysitter." Zayn grinste, das konnte Louis durch den Rückspiegel gut sehen und es erleichterte ihn, dass Zayn es sich scheinbar anders übelegte. Oder zumindest gerade dabei war. Harry stöhnte in seinem Schoß und biss die Zähne zusammen, sodass sich eine Sehne an seinem Kiefer deutlich abzeichnete. Er zitterte und wand sich hin und her, als hätte er heftige Krämpfe. Seine Hände krallten sich in den Stoff des weißen Hemdes, das er trug und er ächzte immer schlimmer. Louis strich ihm durch die Haare und sah zu Zayn: "Was können wir für ihn tun?" fragte er ängstlich, doch Zayn sagte nur: "Nichts. Er muss da allein durch...wir können gar nichts tun." Louis senkte den Blick und sah Harrys Gesicht an. Immerwieder zuckte er und langsam stieg seine Körperthemperatur an, sodass seine Haut zu glühen schien. Es tat Louis unglaublich Leid, weil er sah, dass sein Freund Schmerzen hatte. "Harry, ich bin bei dir. Es wird besser werden, das verspreche ich dir..." flüsterte er und küsste ihm die heiße Stirn.

Sie fuhren die halbe Nacht hindurch. Zayn steuerte das Auto auf direktem Weg nach Edinburgh hinauf. Harry war irgendwann in einen tiefen Schlaf gefallen und Louis hatte sich zwischen den Vordersitzen hindurchgezwängt und sich neben Zayn auf den Beifahrersitz fallenlassen. Er sah zu dem dunkelhaarigen Punk hinüber und klopfte ihm auf die Schulter: "Ich freue mich wirklich sehr, dass du es dir anders überlegt hast. Ich hätte dich sehr vermisst und Harry glaube ich auch." gestand Louis seinem Freund. Zayn lächelte müde und festigte seinen Griff um das Lenkrad, dann sagte er: "Ja, wie es aussieht wirst du mich noch eine Weile ertragen müssen...." - "...wenn du ab jetzt eine bessere Laune an den Tag legst, dann macht das Leben sicherlich auch mehr Spaß." sagte Louis und lächelte, als Harry hinter ihnen ein erstickendes Geräusch von sich gab und sich der Wuschelkopf schnell umdrehte, um nach ihm zu sehen. Harry lag auf der Seite, die Augen immernoch geschlossen und hatte sich eine Hand fest auf die Brust gepresst, wärend er keuchend versuchte zu atmen und nach Luft schnappte. "Ich glaube, sein Herz hört gerade auf zu schlagen..." vermutete Zayn und schielte über den Rückspiegel zu Harry. "...ich war bei meiner Verwandlung in einer Art Koma, ich habe nicht wirklich mitbekommen, als mein Herz gestolpert ist und dann aufgehört hat zu schlagen, aber ich stelle es mir ziemlich unangenehm vor..." Louis griff zwischen den Sitzen hindurch und legte prüfend eine Hand auf Harrys Brustkorb. Tatsächlich schlug sein Herz einen unregelmäßigen Rhytmus, stockte, blieb stehen und raste dann doppelt so schnell weiter. Harry ergriff Louis Hand und zog die Knie an die Brust. "Lou...." nuschelte er und wimmerte. "Harry, ich bin da...es wird alles gut...bald ist es vorbei." sagte er tröstend zu dem Jungen, der auf dem Rücksitz innerlich Kämpfe ausfocht.

Die Straßen waren frei und so kamen sie gegen 5 Uhr am Morgen in Edinburgh an. Es war noch stockdunkel, als Zayn den Wagen vor dem Haus parkte und Louis Harry aus dem Auto zog. Der Lockenkopf hatte hohes Fieber, vermutlich schon weit über 40 Grad, doch die Verwandlung schien bereits fortgeschritten zu sein, denn er regte sich immernoch ganz leicht, wärend ein Mensch bei dieser Themperatur längst gestorben wäre. Louis zog Harry in seine Arme und ging mit ihm die Treppe hinauf in die Wohnung. Noch immer wimmerte Harry leise und hing kraftlos und schwer in Louis Armen. Im Treppenhaus kam ihnen ein Nachbar entgegen, der schon auf dem Weg zur Arbeit war und Harry mit kritischem Blick musterte. "Hier gibt es nichts zu sehen." sagte Zayn streng und sie schoben sich an ihm vorbei. In der Wohnung angekommen, legte Louis seinen Freund in sein Bett und setzte sich dann auf die Matraze. Er zündete eine Kerze an und musterte Harrys Gesicht: er sah schon nicht mehr ganz so schlimm aus, wie noch vor einigen Stunden. Seine Haut war glatter und ebenmäßiger geworden und seine Lippen waren wieder rosig. Liebevoll streichelte Louis Harrys Wange und seufzte: gestern Abend hatte er sich noch gewünscht, mit Harry sein ganzes Leben verbringen zu können. Dass dieser Wunsch so schnell in Erfüllung gehen würde, hätte er nicht gedacht und es wäre ihm ehrlich gesagt auch lieber gewesen, wenn Harry erst mit 18 Jahren zum Vampir geworden wäre, dann wären sie immerhin gleich alt gewesen.

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