18.Mittagessen

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"Wir haben schon immer einen Sinn für Geschäfte gehabt", antwortete eine tiefe Stimme und mit einem Mal stand Zayn ebenfalls im Zimmer. Er hatte seine Jeans gegen eine Jogginghose getauscht und lehnte lässig im Türrahmen.

"Was für Geschäfte?", fragte Harry, doch Louis schüttelte nur den Kopf: "Harry, belassen wir es doch einfach dabei, dass Zayn und ich uns nicht viel Sorgen um unsere Finanzen machen müssen, ja? Wir sind nicht reich, aber wir kommen durch und das seit 142 Jahren."

Zayn und Louis lebten schon seit 142 Jahren als Vampire! Diese Zahl kam Harry unglaublich groß vor und er konnte sich nicht vorstellen, was man in all den Jahren wohl mit sich anfing. Er selbst wusste ja noch nicht einmal, was er in den Sommerferien geplant hatte, oder ob er nach dem Schulabschluss eine Lehre machen wollte, oder zum College ging.

"Jetzt haben wir dich grade ganz schön beeindruckt und du bist sprachlos, was?" Zayn grinste und Harry fiel auf, dass es das erste Mal war, dass er Zayn lachen sah. Es stand ihm viel besser, als das grimmige Gesicht, das er sonst immer aufsetzte. Vielleicht legte er in den eigenen vier Wänden seine Maske ab und wurde er selbst, überlegte Harry.

Louis setzte sich auf die Matraze am Boden, lehnte sich gegen die Wand und sah Zayn an: "Hey, du kannst ja auch freundlich gucken", stellte er fest und der Gesichtausdruck des dunkelhaarigen Vampirs wurde augenblicklich wieder ernst, als er murmelte: "Ja, aber das ist selten geworden. Viel Spaß euch noch." Mit diesen Worten machte er kehrt und ging in sein Zimmer zurück. Harry sah ihm nach und verspürte Mitgefühl für ihn.

"Ich würde ihm gerne helfen", sagte er, setzte sich zu Louis und kuschelte sich in seinen Arm. Louis küsste Harry kurz und sagte dann: "Du würdest ihm am Besten helfen, wenn du eine Möglichkeit findest, wie er sich töten kann."

"Willst du denn, dass er stirbt?", fragte Harry entrüstet, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass Jemand seinem besten Freund den Tod wünschte. Rasch schüttelte Louis den Kopf: "Nein, natürlich wünsche ich mir das nicht. Aber dieses Trauerspiel geht schon seit 1989 und langsam geht es mir wirklich auf die Nerven. Er ist mit nichts mehr aufzuheitern und manchmal denke ich, es wäre wirklich besser, wenn er sein Leben beenden könnte. Dann hätte er endlich seinen Frieden." Harry nahm Louis Hand und verflocht seine Finger mit den bleichen Fingern des Punks. "Wie könnt ihr denn sterben? Ich hab die Twilight Filme...."

"Twilight? Oh bitte komm mir nicht damit Harry", unterbrach Louis ihn: "Tut mir Leid, das sollte nicht abwertend klingen – zumindest nicht dir gegenüber. Außer, dass wir ebenfalls Blut trinken haben wir mit den Vampiren in diesem Film nichts gemeinsam. Wir können durch einen Holzpflock sterben, der uns ins Herz gestoßen wird", sagte Louis schlicht und machte eine Bewegung, als hielte er einen Pflock umklammert, der in seiner Brust steckte. Harry dachte einen Moment nach, dann sagte er leise: "Aber dann könnte sich Zayn ja einfach mit einem Pfeil erschießen...." Louis wandte sich mit erschrockenem Blick zu Harry um: "Das darfst du ihm aber nicht sagen....sonst macht er das womöglich noch....und ich habe ehrlich gesagt keine Lust darauf meinen besten Kumpel aus dem Weg zu schaffen, sollte er sich getötet haben."

Harry schwieg einen Moment, es klang zwar hart, was Louis gesagt hatte, aber natürlich würde er Zayn beerdigen müssen, sollte dieser sich tatsächlich das Leben nehmen. "Jetzt will ich aber nicht über Selbstmord reden", brummte Louis, drückte seine Lippen verlangend auf Harrys und sie kippten ihn hinunter auf das Bett.

Der Kuss war anders als die heimlichen Küsse, die sie bisher in der Schule oder auf der Burg geteilt hatten. Hier waren sie unter sich und ungestört, konnten sich vollkommen fallenlassen. Harry vergrub die Hände in Louis Haaren und zog sich enger an ihn, wärend Louis fordernd seine Zunge zwischen Harrys Lippen schob. Eine Gänsehaut breitete sich über seinen Körper aus und er keuchte gedämpft auf, als der Punk seinen Unterleib nach vorn gegen den Harrys drückte. "Du bist so...unschuldig", hauchte Louis und sah Harry tief in die Augen: "Oder hast du schonmal....?" Rasch schüttelte der Jüngere den Kopf. Daraufhin sagte Louis gar nicht, sondern küsste seinen Freund nocheinmal, bevor er sich aufrichtete und tief ausatmete. "Und ich brauche jetzt was zu Essen", sagte er und stand ungelenk auf. "Willst du was trinken, dann bringe ich dir ein Glas Wasser mit", fragte er und Harry stand ebenfalls auf: "Ich komme mit, wenn es dir nichts ausmacht." Er wollte sehen, wie Louis sich sein "Essen" zubereitete und folgte ihm in die kleine Küche.

Louis ging zu Kühlschrank und öffnete ihn. Als Harry einen Blick hinein erhaschen konnte, klappte ihm tatsächlich der Mund auf. Ordentlich aufeinandergestapelt lagen Blutbeutel auf den einzelnen Ablagefächern, an denen überall ein kleiner Zettel befestigt war auf dem die Blutgruppen notiert waren.

Louis griff sich einen Beutel, der im Fach A-positiv lag und klappte die Tür wieder zu. Harry folgte ihm mit neugierigem Blick, lehnte sich dann an die Arbeitsplatte und fragte: "Schmecken die Blutgruppen unterschiedlich?" Louis nickte, wärend er in einer Schublade nach einer Schere kramte, den Beutel aufschnitt und den Inhalt in einen Becher laufen ließ. "Ja, Zayn hat am Liebsten Blutgruppe 0 getrunken. Ich mag am Liebsten die positiven Blutgruppen", erklärte Louis und Harry grinste: er selbst hatte B-positiv. "Kannst du Blutgruppen riechen? Ich bin nämlich auch positiv. Vielleicht magst du mich deswegen?"

Louis grinste Harry an und nahm einen Schluck aus seinem Becher, dann küsste er Harry sanft auf die Wange: "Es wäre mir neu, dass ich Blutgruppen riechen kann, aber vielleicht passiert das ja unterbewusst und ich habe mich deswegen in dich verliebt", sagte er, und füllte Harry ein Glas mit Wasser, das er ihm reichte. Gemeinsam gingen sie zurück in Louis Zimmer. "Boah, tut das gut", seufzte Louis und nahm noch einen großen Schluck. Harry warf ihm einen neugierigen Blick zu: Louis schien gerade vollkommen mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt zu sein, hatte genüsslich die Augen geschlossen und trank in großen Schlucken.

Als der Becher leer war, leckte er sich über die Lippen und grinste Harry an, der erschocken zusammenzuckte. Louis Eckzähne waren spitz und ein wenig länger geworden. "B-bleibt das so?", fragte er und deutete auf seinen Mund. "Was? Ach die Zähne meinst du? Nee, sobald  der letzte Tropfen Blut aus meinem Mund verschwunden ist, gehen sie wieder zurück – schau." Louis bleckte die Zähne, reinigte sie mit der Zunge nocheinmal ab und als er Harry dann die Zähne erneut zeigte, waren sie wieder auf ihre ursprüngliche Größe geschrumpft.

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