32. Erwischt!

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Gegen Nachmittag machte sich Harry auf den Weg nach Hause. So gerne er bei Louis war, seine Familie wollte er nicht vernachlässigen, außerdem hatte Anne heute Abend die Nachbarn zum Essen eingeladen, weil sie ihnen beim Umzug so kräftig geholfen hatten und da musste er dabeisein. Bisher hatten beide Familien keine Zeit gehabt und so war erst jetzt ein gemeinsamer Termin zustande gekommen. Harry freute sich zwar auf das Essen, allerdings war er nicht sonderlich scharf darauf zusammen mit Erwachsenen stundenlang am Tisch zu sitzen. Zwar hatten auch die Nachbarn einen Sohn, aber den fand Harry ziemlich unsympatisch und außerdem war der schon 22 Jahre alt und damit deutlich älter als Harry.
Louis brachte ihn nach Hause und sie verabschiedeten sich voneinander, als sie vor der Haustür standen, wobei Harry bemerkte, dass die Nachbarin sie durch ihre Vorhänge hindurch beobachtete. "Sehen wir uns morgen?" fragte Harry und hielt Louis Finger fest. "Klar. Viel Spass heute Abend." sagte er und grinste dabei fies -er wusste genau, dass Harry keine Lust auf diese Erwachsenengespräche hatte. "Ich habe dir meine Handynummer ins Handy gespeichert. Du kannst mir ja schreiben, wenn es dir zu öde ist." Erstaunt sah Harry ihn an: "Du hast ein Handy?" - "Klar, was denkst du denn? Nur, weil ich aus dem vorletzten Jahrhundert komme, heißt das ja nicht, dass ich mich nicht mit Technik auskenne." lachte Louis, drückte Harry nocheinmal einen Kuss auf die Lippen und wollte sich gerade davonmachen, als Harry ihm nachrief: "Aber wieso hast du mir dann diesen Zettel in der Schule zugesteckt!?" - "Weil's romantischer ist." grinste Louis und machte sich auf den Heimweg.

Anne war schon früher von der Arbeit gekommen und bereitete in der Küche das Abendessen vor. Harry umarmte sie fest zur Begrüßung und ging ihr dann zur Hand. "Und wie wars bei Louis? Was habt ihr so gemacht?" erkundigte sie sich, wärend sie gemeinsam am Tisch saßen und Karotten schnibbelten. "Och, was man halt so macht. Wir haben ein bisschen gechillt...." wich Harry der Frage aus: er würde seiner Mum mit Sicherheit nicht auf die Nase binden, dass er mit Louis geschlafen hatte. "Wir essen heute im Wohnzimmer. Robin hat den großen Tisch dort aufgebaut. Hier in der Küche haben wir einfach zu wenig Platz. Würdest du dann bitte schonmal den Tisch decken, Liebling?" fragte sie ihn und Harry nickte. Das Geschirr, das sie immer benutzten, wenn Gäste da waren, war im Schrank ganz hinten und Harry musste sich auf einen Stuhl stellen, um unfallfrei an die großen Teller zu kommen. "Harry!" sagte Anne mit einem Mal scharf, nachdem er sich nach den Tellern gestreckt hatte und er hätte sie vor Schreck beinahe fallengelassen. "Was? Hab ich die falschen Teller?" fragte er und sah von seinem Platz auf dem Stuhl zu ihr hinunter. Sie machte ein erschrockenes Gesicht, nahm ihm die Teller ab und schob die Ärmel seines Pullovers nach oben. "Mum, lass das..." - "Was hast du da, Harry?" fragte sie und drehte seine Handgelenke so, dass sie die Hämatome im Licht der Küche gut sehen konnte. "Nichts." sagte Harry schnell und versuchte sich aus ihrem Griff zu winden, doch sie hielt ihn fest: "Lüg mich nicht an. Was ist mit deinen Handgelenken passiert?" - "Hab mich gestoßen..." murmelte Harry und sah betreten zu Boden, denn er wusste, dass Anne ihm nicht glaubte. "Gestoßen. An beiden Handgelenken gleichzeitig?" - "Ja?" - "Harry Edward Styles, verarschen kann ich mich allein. Da hat dich doch Jemand festgehalten, ich sehe doch den Abdruck von Fingern....zieh den Pullover aus, ich will sehen, ob noch etwas ist." verlangte sie und Harry wusste, dass er nichts mehr dagegen sagen konnte. Ihm wollte so schnell keine Ausrede einfallen und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich den Pullover über den Kopf zu ziehen und zuzulassen, dass Anne ihn von oben bis unten inspizierte. Sie musterte den blauen Fleck an der Schulter, der im Laufe des Tages einen ordentlichen lilafarbenen Ton angenommen hatte, dann strich sie ihm die Haare aus dem Nacken und legte die kleinen, roten Würgemale frei, die Louis offenbar dort hinterlassen hatte. Ihre Stimme wurde plötzlich ruhig und bittend, als sie zitternd sagte: "Harry, bitte sage mir was passiert ist..." Sie sah ihn von unten besorgt und mit Tränen in den Augen an. "Sag, war das Louis? Bist du deswegen gestern nicht nach Hause gekommen? Hat er dich vielleicht gezwungen bei ihm zu bleiben?" Harry schluckte: was sollte er sagen? Ja, es war Louis gewesen, aber nicht auf die Art, die Anne vermutete. In seinen Augen schienen sich seine Gedanken ablesen zu lassen, denn sie schüttelte nur leicht den Kopf und sagte dann: "Du wirst diesen Junge nicht wieder sehen." - "Was?! Nein, Mum, das kannst du nicht machen. Du verstehst das nicht!" schrie Harry sie an, doch Anne schüttelte den Kopf: "Wenn er dich so zurichtet, dann kann ich es nicht zulassen, dass er nocheinmal die Möglichkeit dazu bekommt, dich zu verletzen Harry. Sicherlich hat er dir erzählt, dass es nur eine einmalige Sache war und das nie wieder vorkommen wird, aber glaube mir, wenn ich sage, dass sich solche Kerle nie ändern...ich spreche aus Erfahrung." Völlig erstarrt, blickte Harry seiner Mum in die Augen. Sie hatte Erfahrung? War sie in einer früheren Beziehung geschlagen worden? Das hatte er nicht gewusst und es traf ihn härter, als er erwartet hatte, allerdings traf es ihn noch härter, dass sie ihm verbieten wollte, Louis wieder zu sehen. "Mum bitte, verbiete mir nicht, ihn wiederzusehen. Bitte ich muss ihn sehen. Ich liebe ihn." bettelte er und konnte nicht verhindern, dass ihm die Tränen über die Wange liefen. "Glaub mir Harry, das geht mit der Zeit vorbei. Du brauchst ersteinmal Abstand." sagte sie und wollte ihn in ihre Arme ziehen, doch er wehrte sich und riss sich los. "Nein! Ich muss Louis wiedersehen! Ich brauche keinen Abstand!" schrie er seine Mutter an, die jetzt strenger wurde: "Nein, Harry! Du hast die Ferien über Hausarrest! Du wirst Louis nicht wieder sehen. Ich lasse nicht zu, dass dich Jemand misshandelt!" Sie standen einander gegenüber und sahen sich einen Moment lang an. Harry hatte die Fäuste geballt und sich wütend auf die Lippe gebissen, dann drehte er sich um und rannte aus der Küche.

Auf der Treppe stolperte er beinahe, weil die Tränen ihm die Sicht nahmen und in seinem Zimmer angekommen warf er die Tür mit einem solchen Schwung zu, dass zwei Bilderrahmen im Flur von der Wand fielen und das Glas darin zersprang, doch Harry war es gerade völlig egal. Er zog sich den Pullover wieder über den Kopf und warf sich auf sein Bett, wo er schluchzend den Kopf im Kissen vergrub. Hausarrest wärend der ganzen Ferien! Wie sollte er das nur aushalten? Harrys Gedanken drehten sich im Kreis, doch er fand keine Lösung. Mit zitternden Händen zog er sein Handy aus der Hosentasche und tippte eine SMS an Louis:

' Mum hat die blauen Flecke gesehen und denkt, du würdest mich misshandeln. Habe Hausarrest wärend der ganzen Ferien und darf dich nicht mehr sehen. Ich bin verzweifelt. Xx Harry'

Nach wie vor weinend starrte er auf den Bildschirm und wartete darauf, dass Louis antwortete, was auch sofort geschah:

'Oh nein Curly, das tut mir so Leid. Schreib mir, wenn deine Eltern Morgen auf der Arbeit sind, dann komme ich vorbei und wir suchen nach einer Lösung. Kopf hoch, Honey, wir schaffen das. Ich liebe dich! Xx Louis'

Ein wenig aufgeheitert darüber, dass Louis morgen vorbeikommen wollte, schaffte es Harry, sich zu beruhigen und irgendwann klopfte es an der Tür und sein Stiefvater trat ein. "Harry...deine Mutter meint es nur gut....versuch sie doch zu verstehen." sagte er und setzte sich zu ihm ans Bett. Harry wich seinem Blick aus und schüttelte den Kopf: "Nein, weil sie das alles falsch verstanden hat. Louis hat mir nichts getan und er hat mich erst recht nicht misshandelt." motzte Harry seinen Stiefvater an und verschränkte die Arme vor der Brust. "Harry, das mag sein, aber lass uns das doch bitte morgen besprechen. Unser Besuch kommt in 30 Minuten und ich will, das du ordentlich angezogen unten bist, wenn sie kommen." sagte er, klang dabei aber verständnisvoll, streckte den Arm aus und strich Harry beruhigend über den Kopf, bevor er noch sagte: "Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Lass die Sache sich ersteinmal setzen." sagte er und verließ das Zimmer wieder. Harry blieb einfach liegen und bewegte sich nicht. Er hatte keine Lust, jetzt nach Unten zu gehen und vor den Nachbarn so zu tun, als sei alles gut. Irgendwann überwand er sich allerdings doch, zog sich ein lässiges Hemd an und als es an der Haustür klingelte, tappte er die Treppe hinunter und als er unten angekommen war, hatte er es geschafft einen halbwegs normalen Gesichtsausdruck aufzusetzen.

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