20.Ferienpläne und Kopfkino

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"Morgen Harry!" rief Niall ihm schon von Weitem und winkte ihm mit einem Sandwich, das er in der Hand hielt zu. Harry schulterte seine Tasche und bahnte sich einen Weg durch die Schülerschar zu Liam und Niall hinüber, die vor ihren Spinds standen und auf ihn warteten. "Heute ist der letzte Schultag vor den Ferien!" jubelte Liam und klopfte Harry auf die Schultern. "Fährst du weg?" fragte der Wuschelkopf und öffnete die Metalltür seines Spinds um die Bücher herauszuholen, die sie für heute noch brauchen würden." Er schüttelte den Kopf: "Nein, meine Eltern arbeiten, aber ich habe mich quasi für jeden Ferientag mit Louis verabredet." - "Dann bin ich ja froh, dass ich mit meiner Mum nach Irland fliege. Wir besuchen meine Tante dort, sonst müsste ich die ganze Zeit mit euch Turteltäubchen rumhängen....." - "Fährst du auch weg, Liam?" unterbrach Harry den Iren und wandte sich an seinen Kumpel, der gerade anhand des Stundenplans kontrollierte, ob er auch die richtigen Bücher eingepackt hatte. Etwas aus seiner Routine gerissen, hob er den Kopf und sagte abwesend: "Ja, mein Dad und ich gehen Angeln und fahren mit dem Wohnmobil ein bisschen durch die Gegend." Er klappte den Spind zu und schwang sich ebenfalls die Tasche über die Schulter, dann gingen sie zu dritt nebeneinander den Flur entlang. "Hast du Louis heute schon gesehen?" fragte Liam, als sie sich die volle Treppe hinaufkämpften und ihnen eine komplette Schulklasse entgegenkam, die es ihnen schwermachte in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. "Nee noch nicht, aber vielleicht hat er heute ja ein wenig später Schule." überlegte Harry. Niall, der sich gerade den letzten Rest seines Sandwiches in den Mund geschoben hatte, sagte dumpf: "Wie, du kennst seinen Stundenplan noch nicht auswendig? Schande über dich, Harry." seine blauen Augen funkelten, als er ein Grinsen unterdrückte. Harry schlug ihm spielerisch auf die Schulter und sagte gar nichts. So wie Niall es ausdrückte, schien Harry so zu wirken, als sei er ein verliebtes, kleines Mädchen.

Im Klassenzimmer war es voll und laut, wie immer und Niemand nahm so wirklich Notiz von den drei Jungen, die ins Zimmer traten und an ihren Klassenkameraden vorbei zu ihren Plätzen gingen. Als Harry gerade seinen Rucksack auf seinem Tisch abstellte, drehte sich seine Banknachbarin Melissa zu ihm um. Bisher hatte sie noch nie mit ihm gesprochen, was ihn nicht gestört hatte, deswegen verwunderte es ihn, wieso sie gerade jetzt mit ihm sprechen wollte: "Hey Harry." sagte sie und grinste ihn breit an. "Hey." antwortete er neutral und packte seine Sachen aus. Melissa lies nicht locker und zupfte ihn am Ärmel: "Hey Harry, sag mal: meine Mädels und ich haben uns gefragt – naja – also wir haben dich gestern in der Mensa zusammen mit diesem," sie verzog angewidert das Gesicht: "Punk gesehen und haben uns gefragt, ob ihr vielleicht ein Paar seid?" Irritiert wandte Harry sich dem Mädchen zu und musste feststellen, dass die komplette Mädchenclique hinter Melissa ihre Gespräche beendet hatte und nun Harry mit großen Augen neugierig anstarrte."Ähm...also ich weiß zwar nicht, was euch das angehen sollte, aber ja ich bin mit Louis zusammen." antwortete er leise und hoffte, die Sache wäre damit beendet, doch da hatte er sich geirrt. Die Mädels quietschten begeistert und seufzten: "Oh, ist das süüüüüß..." Einige schlugen die Hände vor den Mund, andere griffen sich ans Herz und alle blinzelten Harry gerührt an. Er erwiderte ihren Blick irritiert, denn so hatte noch nie Jemand auf die Neuigkeit reagiert, dass er schwul war, griff nach seinem Rucksack und stellte ihn langsam auf dem Boden ab, dann setzte er sich, sich genau darüber bewusst, dass sie ihn immernoch anstarrten. "Wieso ist das süß?" fragte er dann vorsichtig und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war ihm ein Rätsel, wieso die Mädels ein Pärchen, das aus zwei Jungs bestand süß finden sollten. Melissa schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern, dann antwortete sie: "Keine Ahnung, aber es ist voll süß." Harry wandte sich Liam zu, der das Gespräch mitbekommen hatte und ihn ziemlich verwirrt ansah. Hinter sich konnte er die Mädels tuscheln hören: "...ich hätte nie gedacht, dass er schwul ist..." - "...mit diesem Punk...also da gibt es ja wirklich hübschere...." - "..ich frage mich, ob sie wohl schon...." Rasch wandte Harry sich ab und verglich die Ergebnisse seiner Hausaufgaben mit denen Liams. Er war nicht sonderlich erpicht darauf zu hören, was die Mädels über sein Sexleben zu besprechen hatten.

Wärend des Unterrichts konnte er sich heute nicht konzentrieren. Immernoch spürte er die Blicke der Mädels im Rücken, konnte ihr Flüstern hören und außerdem musste er daran denken, dass sie sich über Sex unterhalten hatten. Er hatte noch nie mit Jemandem geschlafen und wenn er ehrlich war, hatte er bisher keinen Menschen kennengelernt mit dem er es sich vorstellen konnte – bis er auf Louis traf. Ob Louis mit ihm schlafen würde? In Harry kribbelte alles, wenn er daran dachte und sich ausmalte, wie es wohl wäre, wenn Louis ihn anfassen und küssen würde....Harry kniff die Lippen zusammen und wischte sich die feuchten Hände an der Hose ab. Sein Mund war ganz trocken, und er konnte nicht verhindern, dass der kleine schmutzige Film in seinem Kopf unentwegt weiterlief und sich in eine Richtung entwickelte, die in einer Englischstunde gerade äußerst unpassend war. Harry schlug die Beine übereinander und versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch immerwieder tauchte das Gesicht von Louis vor seinem geistigen Auge auf: Louis mit zerwühlten Haaren, leicht geröteten Lippen und genussvoll geschlossenen Augen, den Mund leicht geöffnet und.... "Harry..." zischte Liam und zerrte Harry so ziemlich grob zurück in die Realität zurück. "Was?" fragte er. "Du siehst aus, als würdest du gleich einschlafen...." sein Sitznachbar grinste Harry amüsiert an und dieser versuchte sich den restlichen Unterricht lang darauf zu konzentrieren, seine Gedanken nicht mehr in Richtung Louis wandern zu lassen.

Umzug mit FolgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt