[3], die ihn

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Der Gang zu seinem Büro war lang und doch war er viel zu kurz, um mir Sätze zurecht legen zu können. Mein  Körper war angespannt und unruhig zupfte ich die ganze Zeit an meinem Top herum. Die viel zu große Jacke, die ich zuvor noch getragen hatte, hatte ich inzwischen Lina gegeben. Zugegebener Maßen wär sie nicht das richtige gewesen um seinem neuen Chef unter die Augen zu treten. Hecktisch löste ich den Dutt, der eher einem Vogelnest geähnelt hatte, sodass meine Haare in alle Richtungen flogen, nur nicht dahin wo sie sollten. Nervosität machte sich in meinem Magen breit und ließ ein ungutes Gefühl zurück. Tief atmete ich ein und schloss meine Augen dabei. Eigentlich hatte ich nie ein Problem damit gehabt jemanden gegenüber zu treten. Wortgewandt und selbstsicher begegnete ich all meinen Problemen. Aber doch nicht wenn sie so unerwartet kamen. Dieser Chef war nach Angaben Jung und wenn er es gewollt hätte so hätte er mir diesen Job zur Qual machen können und das ziemlich lange. Also musste ich wohl gut herüber kommen, um eine gute Zeit mit ihm haben zu können. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und bemerkte, wie meine Haare immer noch vor meinem Gesicht hingen. Hastig wischte ich sie aus ihm und kontrollierte meine Frisur mit einem Blick in mein Handy. Besser als zuvor, aber immer noch die reinste Katastrophe. Doch Zeit blieb mir keine mehr übrig. Meine Hand berührte die graue Tür und ein kühler Ton ertönte. Dreimal klopfte ich an und wartete auf eine Antwort, die erst viel später kam. Ich betrat ein Büro, welches ich eigentlich schon hundert mal betreten hatte und stellte fest, dass dieses Büro scheinbar nicht mehr existierte. Die Wände auf denen normalerweise alles möglichen hing, waren ausschließlich weiß und außer einem Bürotisch und einem schwarzen Stuhl befand sich nichts mehr in ihm. Dieser Raum erinnerte in gewisser Weise an ein Gefängnis. Es war einer dieser Räume, in denen man lieber nicht für längere Zeit blieb. "Frau Lunack", ertönte plötzlich eine tiefe Männerstimme auf der anderen Seite des Raumes und meine Aufmerksam richtete sich nur noch auf den Mann, der verträumt aus dem Fenster sah.
Ein schwarzer Anzug trug er und drehte sich mit einem Lächeln zu mir um. Er richtete sich seine dunkle Krawatte zurecht und streckte seine Hand über den Schreibtisch um meine zu schütteln. "Leonardo Mudrack", stellte er sich vor und setzte sich hin, während ich vergeblich nach einem Stuhl suchte. Diesen konnte er sich mit seinem Gehalt wohl nicht mehr leisten. "Sie kommen zu spät", gab er von sich, während er die oberste Schublade seines Schreibtisches öffnete und eine Zigaretten Packung aus ihr nahm. Gemütlich steckte er sich eine Zigarette in den Mund, und sah mich abwartend an. Er wollte wohl eine Entschuldigung aus meinem Mund hören. Wenn es das einzige war. "Ich hatte eine Panne. Es tut mir Leid, es wird nie wieder passieren." Sein Lachen ertönte durch den ganzen Raum und amüsiert lehnte er sich zurück. Ein Feuerzeug fand den Weg zu seiner Zigarette und kurze Zeit später drang der Geruch von Rauch zu mir durch. Ich hielt mir meine Hand vor den Mund und unterdrückte ein Husten. Rauchen war tödlich, es stank und machte süchtig und jetzt eine Frage. Warum rauchten Menschen? "Lügen sie oft?", fragte er während er seinem Bart entlang strich. Ich zog eine Augenbraue hoch und schüttelte meinen Kopf. "Wie kommen Sie darauf, dass ich sie anlügen würde?" Desinteressiert klopfte er die Asche von seiner Zigarette in einen Aschenbecher und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Meine Hand ballte sich reflexartig zu einer Faust und neugierig musterte ich ihn. Locker saß er auf diesen Stuhl. Aber trotzdem wirkte er ziemlich Autoritär. "Frau Lunack, ich muss zugeben ich sah keine Anzeichen einer Lüge, was mich zu meiner Frage führte", meinte er während er ein weiteres Mal den Rauch inhalierte und die Zigarette an den Aschenbecher anlehnte. Seinen Stuhl schob er zurück und stand auf. Seine Art wirkte in jeder Hinsicht mysteriös, doch ich wusste nicht was ich mit dem anfangen sollte, oder wo ich ihn einordnen konnte, diesen Leonardo Mudrack. "Denn ich habe sie heute Morgen gesehen", hauchte er mir entgegen und ging um mich herum. Dabei lachte er. Seine Augen musterten mich, während meine immer größer wurden. Wo hatte er mich bitte gesehen?
"An einer Kreuzung. Sie sind mir vor mein Auto gesprungen." Einmal in meinem Leben fiel meine Maske und wer musste es sehen? Mein Chef. "Von was sind Sie weggerannt? Und bitte dieses Mal ehrlich." Leonardo Mudrack ein Chef, der mir jetzt schon auf die nerven ging. "Das ist persönlich." Er rollte mit seinen Augen und seufzte laut auf. Wie ein kleines Kind , das unbedingt sein Ziel erreichen wollte, verhielt er sich. "Meine liebe Frau Lunack" "Alaska", unterbrach ich ihn. Sein Gesichtsausdruck, der zuerst noch angespannt und unfreundlich war, bekam ein weiteres Mal einen anderen Ausdruck. Ihm schien mein Name zu gefallen. "Alaska", wiederholt er und nickte zufrieden. "Ich möchte sie wirklich nicht Ausfragen, aber mir wäre es wirklich wichtig zu wissen, wo die Leiterin meiner Marketing Abteilung bei der Besprechung war." Leise entfloh mir ein paar kleine Schimpfwörter. Dieses Treffen war an diesem Tag gewesen? Verwirrt fuhr ich mir durch die Haare. Ich war mir ziemlich sicher gewesen, dass in meinem Kalender etwas anderes stand."Also wo waren sie heute, wo ich sie gebraucht hätte? Ich habe nämlich behauptet sie hätten einen wichtigen Grund gehabt. Ich hoffe er ist auch wichtig." Alles war relativ. War das Glas auf seinem Tisch halb voll oder leer? Das war reinste Ansichtssache. Für mich war mein Grund wichtig, aber ziemlich sicher konnte ich sagen, dass er dies verneinen würde. Er setzte sich wieder und holte eine Akte aus einer Schublade heraus. Das Geräusch des Umblätterns ließ mir eine Gänsehaut aufkommen. Seine Augen betrachteten die Papiere genauestens, bis er sie wie aus dem nichts wieder schloss. "Arbeiten sie hier gerne?", fragte er und verschränkte seine Finger provokant miteinander. "Natürlich", log ich und setzte ein Lächeln auf. Kurz blieb er still, dann fuhr er fort. "Sie sind gut. Beinahe hätte ich wieder nicht gemerkt, dass sie lügen." Keine Stunde war ich ihm dem selben Raum gewesen und schon wusste er besser, als jeder andere was ich vorhatte. Es war unheimlich und fasziniert zugleich. "Warum denken Sie schon wieder, dass ich Lüge? Mir gefällt es hier sehr gut."
Sein Gesichtsausdruck verzog sich schmerzlerfüllt und seine Hand griff nach seiner Zigarette. Bewegungen verliehen seinen Aussage noch mehr Bedeutung. "Alaska, bitte verkaufen Sie mich nicht für blöd. Ihr alter Boss fand sie eine gute Arbeitskraft und daran will ich auch gar nicht zweifeln. Aber ich sehe doch schon an ihrem Blick, dass sie jetzt lieber wo anders wären. Seinen sie ganz ehrlich zu mir. Mögen Sie diesen Job oder sind sie nur hier um jemanden stolz zu machen? Oder doch nur wegen dem Geld?" Seine Worte trugen so viel Wahrheit in sich und trotzdem ging ich nicht weiter darauf ein. Es hätte nichts gebracht, außer das ich mich meinem Chef geöffnet hätte. "Meine Mitfahrgelegenheit war verhindert und deshalb musste ich hier her laufen. Meiner Meinung nach war das eine Panne und deshalb habe ich sie auch nicht angelogen. Wenn sie mich Endschuldigen würden. Aber ich glaube ich sollte weiterarbeiten." Meine Beine trugen mich zur Türe und in dem Moment, in dem ich die Türklinke anfasste äußerte er etwas was mich immer mehr zweifeln ließ. "Frau Lunack" Mein Blick wendete sich nach hinten und ich sah ihn in seine Augen. "Denken Sie darüber nach, was sie hier tun und wer sie wirklich sind."
Ich nickte und verschwand schnellen Schrittens aus seinem Büro. Hinaus und direkt zu Linas Büroabteil. Einfach nur weg von hier. "Und wie war er so?", fragte sie mich, als ich sie erreicht hatte. "Seltsam. Komisch. Verrückt. Eigenwillig. Gruslig", fing ich meine Liste an und hörte erst auf, als sie mich mit einem Handzeichen dazu aufforderte. "Über was wollte er, denn mit dir reden?" Meine Gedanken gingen die Minuten zum Gespräch zurück und ehrlich gesagt, hätte ich keine Ahnung was er mit diesem Gespräch bezwecken wollte. Er war mir ein Rätsel. Anders als andere. "Alaska?" Ihre Stimme zwang mich in die Realität zurück und ein wenig verwirrt, sah ich sie an. "Er meinte nur ich solle das nächste Mal pünktlich sein", gab ich ihr bekannt und nahm meine Jacke an mich. Während ich das Gespräch innerlich durchging.
Wer war ich? Was machte ich hier? Das waren doch leichte Fragen. Ich war Alaska Lunack und wartete auf eine bessere Zeit, die nicht kommen würde. Jedoch war das kein Leben. "Endschuldige mich bitte", meinte ich und verschwand Richtung Toiletten. Mir war auf einmal so schlecht. An der Wand entlang ließ ich mich auf den Boden nieder. Meine Augen schlossen sich und mir fiel wieder ein was ich schreiben könnte.
Wie ich Ihnen alles erklären könnte und es war einfacher als zuerst gedacht.

Der Maskenball (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt