[40] .

32 5 1
                                    

Ich hielt sein Handy in der Hand und hörte der Monotonen Stimme der Sprechanlage zu.

Sie haben keine neue Nachricht. Sie haben eine gespeicherte Nachricht.

Nach den zwei Sätzen ertönte ein längerer Piepston und dann seine Stimme, die die Stille erloschen und mir eine Gänsehaut aufkommen ließ. Ungläubig sah ich Leo an, der mir allerdings nur stumm entgegen nickte. Was so viel bedeuten sollte wie: Du täuscht dich nicht, das ist Carlos Stimme. Und ja es war seine Stimme. Seine unglaublich beruhigende Stimme.

Hey, Leo! Ich bin's Carlo. Jaa der Carlo der einst dein bester Freund war. Bist du weggezogen bist. Weißt du noch? Damals gab es nur uns zwei. Wir waren so was wie Brüder. Aber hey, man verändert sich. Wir sind wohl beide reifer geworden.

Sein Lachen ertönte durch den Lautsprecher und ließ mich schmunzeln, egal wie sehr es schmerzte. Ich hatte wirklich geglaubt es nie wieder zu hören, obwohl ich dieses Lachen so abgrundtief liebte. Aber so schnell wie es begonnen hatte, hatte es auch schon wieder aufgehört.

Okay, vielleicht bist du reifer geworden, ich werde niemals erwachsen sein. Du weißt doch, ich werde es Peter Pan nach machen und für immer ein Kind bleiben. Never grow up. Unser Motto. Trotzdem habe ich gehört, dass du das Unternehmen deines Vaters übernehmen wirst. Stimmt das? Wie alt bist du denn jetzt eigentlich? 23? Ja du bist 23 und ich auch. Allerdings bin ich frei und du in einem Büro. Das wolltest du doch nicht. Was ist aus dem Leonardo Mudrack geworden den ich kannte?

Eine kurze Pause, dann sprach er weiter. Ich wollte auch nicht in einem Büro arbeiten, ich wollte auch frei sein.

Aber auch egal. Ich hab eine Bitte an dich. Du musst wissen ich werde nicht mehr lange Leben. Ich habe Krebs und egal wie viele Monate ich noch übrig habe, ich werde es nächste Woche tun. Damit meine ich dass ich mir selbstverständig mein Leben nehmen werde. Das ist das was ich will. Ich kann das einfach nicht mehr.

Ich zog die kühle Sommerluft ein und presste meinen Rücken an die Wand, des Wohnblockes an den wir uns gelehnt hatten. Hier wohnte Ben. Aber bevor ich ihm wieder gegenüber stand, wollte ich unbedingt wissen warum Leo hier war. Hier bei mir.

Schließ den Mund wieder. Wenn du diese Nachricht bekommen hast ist eh schon alles zu spät. Dann bin ich eh schon tot und niemand kann etwas dagegen machen. Nicht mal du Leonardo Mudrack, der Person der alle Türen offen stehen. Denn dein Handy wirst du erst eine Woche nachdem ich diese Nachricht auf dein Handy gesprochen habe wieder bekommen. Glaub mir ich habe an alles gedacht. Verstehst du? Das ist mein Schicksal.

Man hörte ihn bei den letzten Worten ausschnaufen und eine Zeit war es dann einfach nur noch still. Was er sich wohl in dieser Zeit gedacht hatte? Vielleicht hatte er zurück geblickt und sich gedacht, wie unfair diese Welt doch war, ihn jetzt schon so leiden zu lassen. Immerhin hatte ich das auch oft gedacht, als ich ihn im Krankenhaus besucht hatte. Das alles war doch nicht fair.

Leonardo. Es tut mir leid, dass ich dich noch einmal um etwas bitten muss. Es tut mir leid, dass ich Maya aufgetragen hatte dein Handy für eine Woche an sich zu nehmen. Aber ich brauche deine Hilfe und du wirst mich nicht verstehen, wenn ich es dir persönlich erklären würde. Selbstmord ist doch keine Lösung oder? Jedoch wenn ich mir das Leben nicht nehmen, wird es meine Krankheit tun. Ich habe das alles schon so oft durchleben müssen. Es war furchtbar, aber dieses Mal wäre es unerträglich geworden. Für mich und alle meine Bekannte. Du musst wissen, ich hatte einen Rückfall vor einigen Jahren gehabt. Damals hatte ich aber noch eine Chance und heute wollen mir die Ärzte nur ermöglichen, dass ich mich länger quälen kann. Den Tag des unvermeidbaren hinauszögern.

"Du warst also wirklich mit einer Maya zusammen?", fragte ich ihn leise, hatte er mir doch irgendwann einmal die Wahrheit gesagt? Sein Handy hatte sich wieder dazu entschlosse zu schweigen. Diese langen Pausen, die Carlo machte ergaben überhaupt keinen Sinn. Was wollte er damit bezwecken? Vielleicht wollte er uns Bedenkzeit geben. Immerhin waren seine Worte nicht ohne. Oder hatte es einen anderen Grund? "Nicht war, sondern bin." "Aber...", stotterte ich leicht und dachte daran wie wir uns geküsst hatten. Das hätte seine Freundin doch nicht zugelassen oder doch? "Hör weiter zu."

Deiner Beziehung wird das hier sicher nicht gut tun, aber ich muss wissen, dass es Alaska gut geht. Alaska ist meine Frau, naja nicht ganz wir haben nicht geheiratet. Okay, doch wir haben es getan aber ohne Vertrag, ohne Unterschrift, ohne irgendjemand. Wir waren allein auf diesem Krankenhausdach. Es war ein wunderschöner Tag. Du hättest sie sehen müssen, sie war bezaubernd. Leo, sie ist die Liebe meines Lebens und ich weiß das sie alleine mit meinem Tot nicht fertig wird. Ich kenne sie wie kein zweiter. Aber das ist das Problem ich halte es hier nicht mehr aus. Ich muss es tun, ich muss mich umbringen. Laska hingegen muss mich vergessen und da kommst du ins Spiel.

"Jetzt wirds Spannend", hauchte mir Leo ans Ohr. Sein Tonfall war dabei gleich verspottend wie der Blick auf das Handy in seiner Hand. Es war ein älteres Model eines IPhones, nicht dieses mit dem er immer telefonierte. Hatte er es wegen dieser Nachricht aufbehalten?

Ich hör schon den Hass in deiner Stimme, wenn du wieder über mich sprichst, aber ich weiß auch dass du es nicht so meinst. Bros for life and longer, weißt du noch? Weißt du noch, wie wir und darüber aufgeregt hatten wie scheiße das klang? Klingt aber auch wirklich ein wenig komisch.
Also gut. Du willst jetzt sicher wissen was du machen sollst. Deine erste Aufgabe besteht darin den Blog 'Der Maskenball' zu abonnieren. Das ist alles natürlich kostenlos. Keine Sorge Bro ich verpflichte dich nicht Geld für mich auszugeben. Laska verdient damit nichts, aber sie steht auch noch ganz am Anfang. Erst einen Bericht hat sie geschrieben. Allerdings wird sie nach meinem Tot mehr posten, dessen bin ich mir bewusst. Sie hat erst letzte Woche damit angefangen, als dieser Autor ihr Buch nicht mochte. Sie hat diesen Blog erstellt und einen Beitrag geschrieben. Diesen Beitrag werde ich nie lese, weil sie ihn mir noch nicht zeigen will und ich nicht warten kann. Doch ich weiß sie schreibt fantastisch. Leo, dieses Buch ist der Hammer, sie hätte damit nicht aufhören sollen. Wenigstens aber hört sie nicht ganz damit auf. Was heißt hier nicht ganz? Irgendwann wird sie es tun und dann muss du ins Bild treten. Du musst in ihr Leben treten. Mir ist egal wie du es schaffen wirst, aber du musst es tun und du musst es schaffen dass sie es zulässt, dass du sie küssen kannst.

Deshalb das Ganze. Leo hatte recht Carlo spielte mit mir. Warum tat er das?

Erst dann wird sie mich vergessen können. Natürlich wird sie es nicht sofort schaffen und deshalb musst du sie eine Weile in den Augen behalten.
Wenn du dich jetzt fragst warum ich dich dazu benötige und nicht einfach Ben frage, kann ich dir diese Frage auch gerne beantworten.
Mit nur einem Satz. Er hat eine andere Aufgabe. Aber sobald du das hier abgehört hast, solltest du Ben trotzdem kontaktieren. Er weiß mehr als jeder andere. Immerhin ist er mein Bruder. Wenn du meine Denkweise noch nicht verstanden hast, erklär ich dir es jetzt noch einmal schnell. Laska, meine Frau, schreibt einen Blog und wie ich sie kenne wird sie nach meinem Tot mehr posten, aber irgendwann kommt sie ganz unten an und in diesem Moment wird sie jemanden brauchen. Du bist ein toller Mensch Leo, bitte hilf ihr wieder auf die Beine zu kommen du musst ihre Hand halten und sie küssen. Sie muss mich vergessen. Ich weiß sie wird es schaffen der Vergangenheit zu entkommen, aber nicht alleine. Zieh sie aus dem Loch und hilf ihr zu leben. Manchmal vergisst sie nämlich zu atmen und ohne zu atmen funktioniert das Leben eben nicht. Sie wird ersticken. Und noch was bring sie dazu, diesen Job hin zu werfen. Er macht sie nur kaputt. Mir ist egal, wie du es tust du musst es nur tun. Sag Maya, dass es mir leid tut und sag Laska, dass es okay ist meine Hand loszulassen. Ich liebe sie. Danke Leonardo für alles. Du bist ein guter Freund.

Ende. Dann war es vorbei. Dann hatte er aufgehört zu reden und das einzige was ich wollte, war es das alles noch einmal zu hören. Damit ich mir sein Lächeln in mein Gedächtnis einspeichern konnte. "Darf ich es noch einmal hören?" Ich griff schon nach seinem Handy, als er es wegzog, es von mir weg hielt und mich dann doch so mitfühlend ansah. "Es tut mir leid, doch wenn du seine Stimme noch einmal hörst, wirst du nur noch weiter sinken. Ich muss es wissen schließlich habe ich diese Nachricht öfters gehört als ich es hätte tun sollen. Darum auch das Handy. Ich hab die Aufnahme auf ihm gespeichert und nicht auf meinem Neuen damit ich nicht mehr an ihn denken muss, damit ich die Aufnahme nicht mit mir tragen muss." Und damit auch die Schuldgefühle. Ja, ich verstand ihn. Irgendwie zumindest.

Der Maskenball (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt