Meine Augenlieder wurden bei jedem Wort, das ich eintippte schwerer.
Viel zu oft verfehlte ich eine Taste oder ließ sogar Buchstaben aus. Sätze blieben unvollständig, Punkte wurden gesetzt wo sie nicht hin gehörten. Alles fühlte sich plötzlich so anders an. Zum ersten Mal seitdem ich denken konnte, wollte es mir nicht gelingen zu schreiben.
Seit 10 Jahren war das Schreiben mein Leben. Oft hatte ich über Stunden da gesessen, geschrieben und mich so lebendig gefühlt, wie bei nichts anderem.
Das Gefühl war aber fort und das Schreiben, wollte nicht funktionieren. Es ließ mich verzweifeln.Ich wollte es hinter mich bringen. Die Erklärung, die man von mir verlangte, wollte ich abgeben. Doch wurde mir immer mehr bewusst, dass ich es nicht schaffen würde. Zumindest nicht an diesem Tag. Normalerweise flogen meine Finger nur so über die schwarze Tastatur, jedoch kam es mir in diesem Moment so vor, als würden Steine an ihnen hängen, um mir die Arbeit zu erschweren.
Lustlos klappte ich den Laptop zu und seufzte laut auf. Meinen Kopf vergrub ich in meinen Händen. Der alte Lenovo brummte vor sich hin, während er sich abschaltete. Oft arbeitete ich bis in die späte Nacht. Nicht selten wurde es sogar 03:00 Uhr. Nie war ich Müde. Wenn mir etwas eingefallen war, so musste ich es fast schon zwingend eintippen. In diesem Moment aber konnte ich mich kaum wach halten.
Die alte Wanduhr schlug gerade 24:00 Uhr, als ich mich aufstellte, um das Fester zu öffnen. Eine kühle Prise schoss mir entgegen und leises Zippen von Grillen war zu hören. Meine Beine wurden immer wackliger und knickten beinahe ein. Desto trotz schaffte ich es stehen zu bleiben.
Der kalte Windhauch, der durch das Zimmer wehte, ließ mich ungeachtet des Schreibdesasters, lebendig fühlen.
Was in dieser Hinsicht, jedoch nicht positiv zu betrachten war.
Gefühle, die ich normalerweise aufschrieb, wurden plötzlich so real und sie kamen zu nah an mich ran. Das Kribbeln in meiner Bauchgegend, welches in Liebesgeschichten immer so unfassbar schön beschrieben wurde, war für mich die reinste Qual. Vor allem, da ich nicht verliebt war. Ich war einfach nur glücklich, glaubte ich. Obwohl ich das verlor, ohne dass ich nie leben wollte.
Allerdings war Glück eine Emotion, die ich wie schon gesagt immer nur nieder schrieb. Ich wollte sie nicht fühlen, nicht zu nahe an mich heran lassen. Das war mir viel zu anstrengend. Damit hatte ich eigentlich schon vor Jahren aufgehört. Nur um es leichter zu haben.
Wie fast jeder in der heutigen Gesellschaft, hatte auch ich mir eine Maske angeschafft. Sie war toll und half mir zu überleben. Sie war mein Lebensretter.
Auch war sie gut dafür, nicht bemitleidet zu werden. Wenn es mir schlecht ging so setzte ich sie einfach auf. So sah das niemand. Mit ihr war alles so leicht. Aber fast schien es so, als gehöre dieses Durchsichtige etwas zu dem schreiben dazu. Denn nun, als es so schien, dass ich nicht einmal mehr ein Wort aufs Blatt bringen konnte, war sie zerbrochen. Wahrscheinlich war sie auf den Boden gefallen, als ich aufgestanden bin. Ich hatte es nur nicht bemerkt. "Ich mach mir Sorgen", hörte ich wie aus dem Nichts seine Stimme sagen. Sie war so klar, so weich, so nah als hätte er direkt neben mir gestanden. Der Raum aber war bis auf mich leer. In dieser Wohnung war niemand außer mir. Ich war alleine, wie so oft zuvor."Du lebst doch schon lange nicht mehr."
Mit einem einfachen Kopfschütteln wollte ich die Gedanken aus meinem Kopf verbannen. So leicht war es aber nicht. Sie blieben und gingen sogar weiter.
"Deine Figuren in deinen Geschichten leben, aber du bist tot."
Das Kribbeln hörte auf. Von der einen auf die andere Sekunden. Nicht einmal ein Wimpernschlag brauchte es, um alles Gute aus mir zu verbannen. Kein einziges Glücksgefühl war mehr da. Nur eine unglaubliche Leere erfüllte meinen ganzen Körper mit Schmerz. War es möglich meine Maske noch zu reparieren? Ich brauchte sie doch.
Meine Beine kampierten und mit den Knien voraus fiel ich auf den Boden. Ein leiser Schrei empfloh mir. Meine Hände setzte ich vor meine Knie und sah zu wie einzelne Tränen ungewollt neben meine Hände fielen. Aber ich weinte nicht, weil ich schwach war, sondern weil ich viel zu lange Stark gewesen war. Ich dachte, ich könnte mit allem klarkommen, aber so war es nicht. Mit gar nichts kam ich klar und darum konnte ich auch nicht schreiben, deshalb konnte ich nichts erklären. Mir ging es nicht gut. Das Glücksgefühl zuvor war nur eine Täuschung gewesen. Das hier war die Realität.
Meine Unterlippe zitterte und so kauerte ich lange auf den kalten Boden. Sein Name brannte sich in mein Gedächtnis. Das mit dem Abschließen hatte ich wohl verlernt. Solang hatte ich nicht mehr an ihn gedacht. Er war nicht gut für mich. Doch er war auch derjenige, der mich, er hat mich...Mit ihm konnte ich, ich selbst sein. Die Möglichkeit gab nur er mir.
Nach und nach stellte ich mich wieder auf. Meine Hand griff nach meinem Handy und wählte die Nummer von der Person, bei der ich meinte sie würde für mich da sein. Schließlich war sie immer für mich da. Warum denn nicht jetzt? Ich musste reden, genau in diesem Moment. In der Leitung piepste es, ein einheitliches eher nervtötendes Piepsen, welches im gleichenmäsigen Abstand ertönte. Lange. Zu lange. Schließlich gab ich auf und mein Smartphone legte ich beiseite.
Warum nicht jetzt? Weil sie schlief.
Die Leere breitete sich mit der Zeit immer mehr in mir aus. Irgendwas musste ich machen, sonst wäre ich eingegangen.
Also stand ich auf und holte aus der ersten Schublade meiner Kommode ein kleines Taschenbüchlein heraus. Mit großen Buchstaben stand der Name des Autors darauf 'Guillaume Musso' und darunter nur ganz klein der Name des eigentlichen Buches 'Weil ich dich liebe' Erst letztes hatte ich es aus einer Buchhandlung in der Nähe der Stadt gekauft. Die Frau, die mir es empfohlen hatte, war ganz außer sich gewesen, so gut fand sie es und nun war ich dran mich davon zu überzeugen.
Zwar konnte ich im Moment nicht mehr schreiben, aber ich konnte lesen. Es war nicht dasselbe, nein vergleichen konnte man es nicht, aber auch so konnte in eine andere Welt abtauchen und solange das ging, war alles gut.
Jedes Wort, welches ich laß zog mich mehr in seinem Bann. Die Frau hatte nicht übertrieben. Es war toll. Ich stellte mir vor ich wäre die kleine Layla, die neben ihrem Vater im Flugzeug saß und ihn ansah, sich geborgen bei ihm fühlte und dann doch nur Einbildung gewesen war.
Nie hatte ich so mitgefühlt bei einem Buch. Oder ich wusste es einfach nur nicht mehr. Mit dem Lesen hatte ich nämlich irgendwann aufgehört. Die Ideen in meinem Kopf, die dabei kamen, musste ich einfach immer aufschreiben. Es ging nicht anders, aber so konnte ich mich nicht auf das eigentliche Buch konzentrieren. Deshalb hatte ich damit aufgehört. Ideen kamen bei diesem Buch jedoch nicht. Möglicherweise hatte ich es verlernt Ideen zu sammeln und aufzuschreiben. Konnte man so etwas verlernen?
Während dem Lesen verging die Zeit wie im Flug. Bald war es schon 05:00 Uhr geworden, das hieß ich müsste bald wieder zur Arbeit gehen. Ich müsste in dieses kahle Büro sitzen und die Stunden zählen bis zum Feierabend. Obwohl ich eigentlich alles richtig gemacht hatte.
Ich hatte Studiert, Deutsch und Mathematik, hatte einen guten Abschluss hinter mir. Hatte immer die besten Noten in meiner Klasse gehabt. Ja ich hatte mich immer angestrengt um alle stolz zu machen, doch war dies nun egal. Denn der Spaß und die Freude bei der Arbeit fehlte. Wie ein kleines Kind es hasste zur Schule zu gehen hasste ich es jeden Tag aufs neue bei der Arbeit zu erscheinen. Das einzige was mir in meinem Leben wirklich Freude bereitete, war es zu schreiben. Doch dies zu meinem Beruf zu machen, klappte nicht ganz. Anscheinend waren meine Werke zu schlecht.
Anscheinend würde niemand Sie kaufen, wenn ich sie veröffentlichen würde. Jedenfalls hatte, dass der Autor meines Lieblingsbuches behauptet. Nach Zögern und langem überlegen hatte ich ihm tatsächlich eines meiner Bücher, welches ich über ein Jahr lang geschrieben hatte, zugesendet. Viel Arbeit hatte ich in es investiert. Nachforschungen hatte ich getätigt um mein Buch so realitätsnah wie möglich zu machen. Doch die Worte, die ich als Antwort bekam, ließen mich an meinem Können zweifeln. Bleiben Sie lieber bei ihrem Beruf. Er hatte es nicht so formuliert. Sondern netter umschrieben, aber ich verstand was er mir damit sagen wollte. Er meinte ich sei schlecht.
Zuerst hatte ich den Worten Glauben geschenkt. Wollte sogar aufhören zu schreiben. Bei dem Gedanken brach meine Welt zwar zusammen. Aber wenn sogar der Autor im meinen Augen mein Werk schlecht fand, wer sollte daran, denn gefallen finden? Niemand. Wie es sich heraus stellte wäre dies ein furchtbarer Fehler gewesen. Es hätte mich nur mehr Abstürzen lassen. In das Loch, in dem ich zurzeit krabbelte. In dem damaligen Zustand aber hätte dies wohl mehr mit sich gebracht, als die Laune die ich momentan bewältigen musste. Eine Zerstörung in mir, die niemand heilen hätte können.
Aber ich hatte nicht aufgehört. Das was ich dennoch getan hatte, war es mit etwas anderem anzufangen. Nicht mit neuen Büchern sonder einen kleinen Blog hatte ich begonnen zu schreiben und im Internet zu veröffentlichenichen. Nur weil ich eben nicht Abschließen kann. Gedanken und Gefühle von mir selbst schrieb ich auf. Ich gab Kritiken zu Themen ab, die ich wichtig fand und wurde mit ihm regelrecht zu einer kleinen Berühmtheit. Zeitschriften berichteten über mich. Meine Berichte wurden Teilweise sogar veröffentlich. Und das obwohl niemand mein Gesicht kannte, obwohl niemand wusste wer ich war. Aber mit diesem Blog war ich wenigstens etwas. Ich war ein Jemand geworden. Der mit diesem Hobby aber kein Geld verdiente. Ich wollte mich nicht verkaufen lassen. Wenn ich über etwas schrieb, dann nur über die Dinge die ich wollte und nur weil ich mir Treu blieb musste ich bald zu dieser Beschissenen Arbeit gehen.Der Blick auf meine Uhr ließ mich aufstehen und zum Badezimmer gehen. Der Schlaf würde heute wohl ausfallen. Aber das schien egal geworden zu sein. Hellwach war ich geworden .Die Nacht hatte mich aufgeweckt.Wie seltsam dies auch Klingt. Das kühle Wasser prasselte auf meine Haut und auf mein zartes Gesicht, dass durch Dicke Augenringe gezeichnet wurde.Mit meinen Händen streiche ich über es, sodass das Wasser für eine Millisekunde verschwand, bevor neues auf es prasselte.Tonlos verließ ich nach nur ein paar Minuten die Dusche und trocknete mich mit einem Handtuch ab.Unter mir entstand eine kleine Pfütze,des Wassers, welches von meinen nassen Haaren tropften.
Ungeachtet dessen ging ich einfach weiter, zu meinem Wasbecken auf dessen Seite meine Zahnbürste lag, die ich mir kurzerhand in den Mund steckte und mich von einem üblen Mundgeruch zu befreien. Als sich mein Blick aber zum Spiegel verirrte, ließ dies mir die Luft wegbleiben. Bleich wie ein Vampir und Augenringe wie ein Zombie. Ich sah aus wie eine untote, die ihr nächstes Opfer suchte. Kaffee hätte in dieser Hinsicht eher nicht mehr geholfen. Die Zahnbürste fand wieder ihren Platz und ich zog mir eine Jacke über das schwarze Top das ich mir angezogen hatte, dabei musste ich zugeben, dass eine dunkelblaue Jeans wohl zu fast allem passte. Ich band mir meine Haare zu einem schlampigen Duttartigem etwas zusammen und machte mich daran die Augenringe verschwinden zu lassen. Das würde viel Zeit beanspruchen und mein Früstück heute ausfallen lassen. Aber warum, blieb ich auch die ganze Nacht wach? Meine Augen fielen langsam zu und mein Mund öffnete sich. "Ganz ruhig Alaska, ganz ruhig, diesen Tag wirst du auch noch überstehen." Worte die aus meinem Mund kamen, bei denen ich nicht einmal wussten ob sie stimmen würden.
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Der Maskenball (Cro Ff)
Romance"Wenn du aufhören würdest daran zu denken, würde es nicht mehr so schmerzen." "Das geht aber nicht. Ich kann nicht." . Ich hielt an der Vergangenheit fest, weil ich Angst vor der Zukunft hatte und die Mas...