Flashback
Den Blick gerade aus gerichtet, starrte er konzentriert auf die vereiste Straße. Seine eine Hand umfasste dabei locker das Lenkrad, während in der anderen eine Zigarette seinen Platz fand.
Vorne waren die beiden Fenster geöffnet, in der hinteren Reihe jedoch geschlossen. Immer wieder bließ er in unregelmäßigen Abständen den grauen Rauch aus dem Fenster hinaus. Angewidert rutschte ich auf meinem Sitz bei jedem Zug weiter nach Links und versuchte die frische Luft von draußen einzuatmen. Doch trotz allen Bemühungen bemerkte ich wie der Rauch zu mir durchdrang und ich ihn passiv mit einatmen musste. Wie ich den Geruch doch hasste.
Ben richtete sich seine Käppi zurecht und inhalierte den giftigen Qualm ein weiteres Mal durch seine Lungen ein. Lange würde die Diagnose Lungenkrebs nicht mehr auf sich warten lassen, so war ich mir ziemlich sicher. Immerhin war es heute nicht die erste Zigarette, die er angezündet hatte.
Die Musik dröhnte mit voller Lautstärke aus den Lautsprechern durch den Wagen und ließ ihn leicht beben. Neu war sein Auto definitiv nicht gewesen, aber es passte auf seine eigene Weise zu Ben.
Mein Blick schweifte zu ihm und seiner neuen Zigarette hinüber und lauthörbar seufzte ich auf, sodass er mich kurz ansah und dabei wusste er genau was ich mir dachte. Jedoch ging er darauf nicht ein. Das tat er nie.
Am liebsten hätte ich ihm einen Vortrag über die Schädlichkeit der Zigarette in seiner Hand gehalten. Ich hätte es auch wirklich getan, wäre ich nicht mit der Absicht eingestiegen das Jahr friedlich zu beenden und immerhin war heute der 31. Dezember, Jahresende.Seitdem ich und Carlo zusammen gekommen waren, waren 7 Tage vergangen. Offiziell war es noch nicht, aber immerhin wussten wir es und ich liebte es ihn meinen Freund zu nennen.
Der Tag auf dem Dach, als er mich geküsst hatte, so war ich mir absolut sicher, würde ewig in meinen Erinnerungen bleiben. Dass diese Erinnerung mich jedoch in meinen Träumen verfolgen würde , hätte ich nie im Leben gedacht. Wie konnte so eine schöne Erinnerung nur so schmerzhaft sein? Dieser Tag war doch so perfekt gewesen. Warum tat diese Gedanken nur so weh? Es war Weihnachten gewesen und wir waren alleine, um die Sterne anzusehen. Es war so wunderschön mit ihm. Diese Situation und einfach das Gefühl unsterblich zu sein.
Gedankenverloren lehnte ich mich in den schwarzen Ledersitz zurück und schloss den Reifverschluss meiner Jacke bis zum Anschlag.
In Bens Auto war es nun, durch die offenen Fenster, gleich kalt wie draußen gewesen. Sie zu schließen, war jedoch wie so oft keine Option. Lieber wäre ich erfroren als an dem Qualm erstickt."Wir feiern bei Nadi oder?", fragte ich, hob meine Stimme an und wackelte mit meinen Augenbrauen. Es war der typische Smaltalk den ich führte, um Sachen zu verdrängen. So wie die Kälte oder den Gestank hier drinnen.
Trotz allem, was mich in den Momenten so nervte, war ich damals glücklich gewesen. Das war die Liebe, die alles federleicht erscheinen ließ. Meinte zumindest meine Oma. Liebe war aber so ein Wort, das seine Bedeutung mit der Zeit für mich verloren hatte. Die Bedeutung war einfach verschwunden. Puff und plötzlich war sie weg "Jap", bestätigte er und bog in die Einfahrt ein. "Allerdings werden wir die letzten sein die kommen. Madame Nur-noch-5-Mitunten." Er warf mir einen Vorwurfsvollen Blick zu, welcher sich jedoch bald darauf änderte und er mir amüsiert entgegen sah. "Es tut mir leid", bedauerte ich. Setzte jedoch ein weiteres Mal an und sprach weiter. "Aber anders, als die anderen musste ich noch lernen." Abfällig gab er ein empörtes "Klar", von sich und parkte vor Nadis Haus. Ben hatte ein unglaubliches Glück mit ihr. Nicht jeder hatte eine Freundin die sowohl sympathisch, als auch hübsch und intelligent war. Außerdem verdiente sie genug, um unsre ganze Gang bei sich aufzunehmen. Sie war der Hauptgewinn. "Also wirklich. Das ist die dümmste Ausrede der Welt", beschwerte er sich und schnallte sich ab. "In den Ferien lernt doch niemand. Gib zu, du warst zwei Stunden im Bad." Seine Augen strahlten mir entgegen. Sie glänzten. Empört schnaufte ich auf. Wenn er nur gewusst hätte wie recht er mit seiner Aussage gehabt hatte, jahrelang hätte er es mir unter die Nase gerieben. Neben Nadi wollte ich doch nur einmal ansehnlich aussehen. Sie war verdammt noch einmal ein Model und was war ich? Ich war ein unreifes Kind das noch nicht einmal studierte.
Seine Zigarette fand den Weg auf den Boden, was bedeutete, dass ich aussteigen sollte. Die Fenster wurden geschlossen, er steckte den Schlüssel ein und kam mir auf halben Weg entgegen, sodass wir nebeneinander her liefen. "Mir kannst du nicht vormachen", meinte er, wobei er mir durch die Haare wuscheltete. Betrübt atmete ich aus. Die Zeit im Bad hätte ich mir ersparen können, wenn er sowieso alles zerstörte.
Böse hätte ich ihm jedoch nie sein können. Er war immerhin mein bester Freund und der Bruder meines Freundes.
Ben war lustig, nett, verrückt und doch erwachsen. Er war toll auch wenn er ab und zu abartig nervte. "Wenn du meinst", meinte ich kalt worauf er mich leicht auf die Seite Stoß und ich dadurch fast zu Boden fiel. Vielleicht war er doch nicht so erwachsen.Bevor wir überhaupt in der Nähe der Türe waren, wurde sie selbständig geöffnet und eine überglückliche Nadine sah uns entgegen. Ihre Augen funkelten wie die von Ben und sie sah wirklich umwerfend aus. Nun war es offiziell, ich hätte in Jogginghose kommen sollen. Neben ihr sah ich sowieso aus wie ein Müllsack. "Ben, Laska!", schrie sie und rannte auf uns zu. Sie fiel Ben um den Hals und küsste ihn innig. Die Gefühle kochten über. Beide lächelten in den Kuss hinein. Dann schlang sie mich in eine innige Umarmung. Sie war Gold wert. Ben schlang einen Arm um ihre Schulter und sie ihren um seinen Rücken. Zusammen waren sie absolut süß.
"Die anderen schlafen alle noch", beschwerte sie sich, als ich meine Schuhe im Gang abstellte. Ben tat dies nicht. Anscheinend meinte er, dass das sein Recht als ihr Freund war. Allerdings zog er dann doch seine Jacke aus. "Sie wollen Vorschlafen", sagt sie Anwärtig und setzte fort "Das funktioniert so aber nicht. In einer Stunde sind sowieso alle wieder wach. Außerdem hätten sie zum schlafen auch zuhause bleiben können." "Ehrlich gesagt dachte ich auch ich könnte hier ein wenig Vorschlafen", gestand ich und kratze mich am Nacken. Ein typisches Merkmal von mir das ich lügte. Was ihr allerdings nicht auffiel und weswegen sie mich entsetzt anstarrte. Ben hingegen kapierte ziemlich schnell was los war.
Gleichzeitig fingen wir an zu lachen. Worauf Nadi endlich kapierte was los war und ihre Augen verdrehte. Lustig fand sie das hier nicht. Ansichtssache. Sozusagen als Entschuldigung drückte Ben ihr einen Kuss auf die Wange und zog sie mit in die Küche, die an das Esszimmer grenzte.
Schweigend folgte ich den beiden und setzte mich Ihnen gegenüber auf einen der vielen Stühle. Dafür das die beiden noch nicht zusammengezogen waren, waren hier sehr viele von Bens Sachen. Überall lagen sie. "Ich hab da was gehört", gestand Nadi setzte sich ebenfalls und schien mich durchblicken zu wollen. Ihre Augen klebten beinahe an mir fest. "Und was?" Verwirrung zierte mein Gesicht und meine Stirn legte ich in Falten, während ich auf Ihre Antwort wartete. Gehört hatte ich auch schon viel. "Carlo und du, stimmt doch oder?" Sie zog eine Augenbraue hoch, wobei mein Gesicht anfing einer Tomate zu gleichen. Ungläubig sah mich Ben an und nun wollte ich wirklich im Erdboden versinken. "Ihr seid zusammen? Seit wann?", fragte er und spannte seinen Körper immer mehr an. "Carlo hat es dir gesagt ?", fragte ich sie. Alles überforderte mich. "Naja, er hat da was gemeint und dann hab ich alles zusammen gesetzt. Man muss nur die Puzzelteile zusammenführen", gestand sie. "Seit wann?", fragte Ben ein weiteres Mal. "Weihnachten." Nadi fing an zu fluchen. Ben hingegen lächelte glücklich vor sich hin. Einen Moment lang verstand ich nur Bahnhof. Dann kapierte ich es endlich. "Habt ihr auf uns gewettet?" Bei dem Wort Wette verzog Nadi ihr Gesicht. Ben hingegen blieb ruhig und zog sie näher zu sich hin. "So offensichtlich wie das zwischen euch war. Mussten wir das doch fast tun", verteidigte er sich und hob die Hand hoch. Bei solchen Freunden wer braucht da noch Freinde? "Ich meinte ihr kommt an Weihnachten zusammen und mein Diener meinte es wäre heute um Mitternacht. Ich hab gewonnen." Ein Grinser schmückte sein Gesicht. Nadi hingegen sah eher betüb durch die Gegend. Aber Bens Diener zu sein war keine tolle Aufgabe. Ich musste es wissen, schließlich hatte ich oft genug eine Wette gegen ihn verloren. "So offensichtlich war das doch gar nicht", beschwerte ich mich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Die beiden tauschten einige Blicke aus, dann sprach wieder Ben. In dieser Beziehung hatte er eindeutig die Hosen an. Zumindest in bestimmten Dingen. "Es war noch mehr als offensichtlich. Schon bevor du das mit dem Krebs wusstest", sagte Ben und lächelte mir entgegen. "Ich war wirklich die einzige die nichts gerafft hat oder? Nicht das er mich liebt und auch nicht dass er krank ist. Warum habt ihr mit nichts gesagt? Weißt ihr wie ich mich gefühlt habe?" Ich war so blind gewesen. Warum hatten es alle gesehen nur ich nicht? Ich schob den Stuhl zurück und stand auf. Ich musste jetzt mit ihm reden. Die Antworten bekam ich anscheinend ja nicht von ihnen. "Wo ist er jetzt gerade?" Ich hatte mich die ganze Zeit gezwungen nicht nach ihm zu fragen, aber wenn es jetzt sowieso jeder wusste war es doch egal. Es war schon immer egal gewesen.
Sie wussten es ja. Sie schon ich nicht.
Er wollte mein erster Kuss sein, weil er mich damals schon liebte? Warum hatte ich es nicht kapiert? "Oben erste Tür rechts", erklärte Nadi und deutete mit ihrem Finger nach oben. Ich nickte ihr entgegen und lief los. Bevor ich die Stiege erreicht hatte, hörte ich Bens Stimme schreien. "Aber treibt es nicht so laut. Hier schlafen noch welche." Dann lachte er. Ich schüttelte nur meinen Kopf und ging nach oben. Genug andere Gedanken waren in meinem Kopf. Für Ben war da kein Platz mehr.
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Der Maskenball (Cro Ff)
Romance"Wenn du aufhören würdest daran zu denken, würde es nicht mehr so schmerzen." "Das geht aber nicht. Ich kann nicht." . Ich hielt an der Vergangenheit fest, weil ich Angst vor der Zukunft hatte und die Mas...