[16] leere

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Flashback

Ich ließ meinen Kopf über der Bettkante hängen und sah Luciana in ihre wunderschönen grünen Augen. Sie war nach der SMS sofort zu mir gefahren. Hatte den ersten Bus genommen und an meiner Türe gleklingelt. Es gab kein 'vielleicht sollte ich sie nach Hilfe fragen', denn sie gab sie mir, ohne das ich je etwas sagen musste. Ihr konnte ich wirklich alles erzählen.
"Danke", murmelte ich und sah zu wie sie neugierig auf dem Stuhl herumzappelte. Sie wollte Antworten und ich hatte sie. Wir ergänzten uns perfekt. "Für dich immer Laska", meinte sie und entschied sich ihre Position zu ändern und sich neben mich hin zu legen, ihre roten Haare nach unten hängen zu lassen und meine Hand in ihre zu nehmen. "Was ist heute passiert?", flüsterte sie und drehte ihren Kopf in meine Richtung. Meine Aufmerksamkeit galt jedoch ausschließlich der schönen weißen Wand. "Er ist 16." Meine Stimme brach ab, tief holte ich Luft und sprach weiter "Du hattest recht. Er ist kein Schüler von hier." "Was ist passiert?" Ich zuckte mit den Schultern. Was war denn passiert? Wir haben geredet und dann lag er im Schnee. "Er ist bewusstlos geworden, sein Herzschlag war unregelmäßig und dann..." Ein unangenehmes Schweigen füllte den Raum. Ich wollte die Worte nicht aussprechen. "Sein Herz hat aufgehört zu schlagen?" Ich nickte und Tränen strömten auf den Boden hinunter. "Lu er ist krank. Irgendetwas hat er. Sein Vater meinte ich würde möglicherweise gehen, wenn ich es erfahren würde." Ihre Hand strich mir sanft über die Wange. "Frag ihn doch, dann wirst du es erfahren."
Ich schüttelte meinen Kopf und setzte mich auf. "Ich glaube nicht das ich es überhaupt erfahren will. Hast du noch nie gehört, dass man Fragen nicht stellen darf, wenn man die Antwort nicht verkraftet? Ich werde es nicht ertragen, wenn er stirbt.", betonte ich und wuschelte mir durch die Haare. Ich war durchgewühlt und wollte wieder die werden, die ich vor seinem Treffen war. Die kleine naive Alaska. Wollte alles was an ihn erinnerte abschütteln. Vergebens. Er klebte an mir. "Laska", flüsterte sie, als ich aufstand, drehte sich im Bett um und stellte sich direkt vor mich hin. Ihre Hand griff nach meiner. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht, welches dennoch ebenso besorgt war wie der Ausdruck in meinem Gesicht. "Kleine." Tränen bildeten sich in ihren Augen. "Du hast dich verliebt." Ich kniff meine Augen zusammen, drehte mich um und starrte auf den Boden. Er würde sterben. Sein Vater hatte es angedeutet. "Was willst du jetzt machen?" Ich ging zu meinem Handy und hielt es in die Luft. "Ich werde seinen Kontakt löschen. Ich werde nie mehr an ihn denken." Lu riss es mir aus der Hand und sah mich entrüstet an. Ich wollte wegrennen. Meinen Sorgen entkommen. Aber das ging nicht. Sie verhinderte es. "Was ist dein Problem!", schrie ich ihr entgegen. "Warum darf ich ihn nicht vergessen? Verdammt er lügt mich nur an. Bis gestern kannte ich nicht einmal seinen Namen. Ich will ihn vergessen." Ihre Hand hielt mich an der Schulter fest und dann versuchte sie durch mich zu blicken. Aber dann umarmte sie mich doch nur. Ihr Pullover wurde von meinem Tränen durchnässt. Ich fiel und sie fing mich. "Gegen deine Gefühle kannst du auch nichts machen. Du müsstest mal sehen, wie ihr euch ansieht", hauchte sie mir ans Ohr. Ein Lächeln umspielte mein Gesicht, welches voller verschmierter Wimperntusche war. "Wenn ich ihm aber aus dem Weg gehe, kann ich ihn auch nicht verlieren. Der Verlust ist dann nicht mehr so groß", beteuerte ich meinen Plan. Sie schüttelte ihren Kopf. "Erstens weißt du nicht, ob er wirklich so sterbenskrank ist wie du behauptest und zweitens bist du Hals über Kopf in diesen Jungen verliebt. Der Verlust wird kein bisschen besser zu verkrapften sein. Aber noch habt Ihr Zeit."
Die Tür meines Zimmers wurde geöffnet und meine Mutter streckte lächelnd den Kopf herein. In ihren Händen trug sie ein Tablett mit drei Gläsern Kakao. "Ali du bist verliebt?", fragte meine Mutter erschüttert und setzte sich mit dem Tablett auf den Boden. Lu und ich setzten uns ebenfalls und nahmen beide eine Tasse in die Hand. Es war nicht selten, dass wir das machten. Auch wenn es für manche Menschen seltsam war mit ihrer Mutter ihre Geheimnisse zu teilen, vor allem wenn die beste Freundin anwesend war, aber meine Mutter gehörte zu unserer kleiner Gruppe dazu. Sie war ein Teil davon. Mehr als Carlo es je hätte sein können, denn Lu wollte noch nie etwas mit ihm zu tun haben. Möglicherweise hätte ich ihr zuhören sollen, dann wäre ich jetzt glücklich. "Über wen reden wir denn?", fragte sie und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. "Kennst du Carlo Waibel?", fragte ich und sie nickte. "Das ist doch dein netter Freund. Er hat mir seinen Namen bei eurem ersten Treffen verraten." "Weißt du wieso?" Ich starrte auf die Mitte des Kreises. Kannte denn nur ich seinen Namen nicht? Warum musst er mit mir so spielen? Diese Tatsache ließ mich ihn hassen, wenn auch nur ein wenig. "Er hat mir das ganze erklärt. Also hört zu, er meinte zu mir wenn ihm etwas passieren sollte, sollte ich den Ärztens sagen, dass er der Sohn von Dr. Waibel ist." "Siehst du er hat irgendetwas. Er wusste das so etwas passieren könnte", beteuerte ich Lu, verschränkte meine Hände vor meiner Brust und ließ die Enttäuschung meine Handlungen kontrollieren. Ich hatte den Kakao abgestellt und wollte aufstehen, doch ich hatte noch so viele Fragen über ihn. "Wisst ihr wär seine Mutter ist?" "Sie ist unsere Englischlehrerin." "Aber.." Uneinheiten füllten meinen Kopf, was Lu nach weiterer Stille bemerkte. Ich verstand das alles nicht. "Nach der Scheidung hat sie wieder ihren Namen angenommen." Ich nickte und lehnte mich an meinem Bett an. Sah auf die weiße Decke. Was er wohl gerade machte. Ob er auch die Decke anstarrte und an seine Zukunft dachte, oder dachte er wohlmöglich an mich? "Ich fühle mich so als hätte ich etwas verpasst", sagte meine Mutter und strich mir einzelne Stänen hinters Ohr. Sie sorgte sich um mich, wie auch Luciana, aber das einzige an was ich denken konnte war er. Ich liebte ihn nicht. Ich konnte nicht. Ich durfte es nicht. Das hier hatte keine Zukunft. Besonders deshalb, weil er nie Gefühle für mich haben würde. Er wollte mir nur helfen. "Es ist doch grundsätzlich egal was ich fühle. Er wird mich nie lieben, dazu hat er keine Zeit."
"Laska, komm schon du denkst zu viel nach. Lebe einfach, liebe einfach. Schlimmer als das hier kann es eh nicht werden. Stell dir vor er stirbt morgen und du hast ihn nicht ein Mal geküsst."
Ein Lächeln zierte mein Gesicht. Wer sagte, dass ich ihn noch nie geküsst hatte?
"Hast ja recht. Das würde ich mir ewig vorwerfen." Ironie lag in meinen Tonfall und plötzlich quietschte sie wie wild herum. Meine Mutter war fassungslos und verstand für einen Moment gar nichts. "Wann habt ihr euch geküsst?" "Vor einem Monat am Skaterplatz. Aber es war nur freundschaftlich." Verächtlich schnaufte sie auf, während ich zurück dachte. An den einen Abend, den einen Kuss, den einen Namenlosen, an meinen Carlo. "Wie kann so etwas nur Freundschaftlich sein? Oder ist es bei euch soetwas wie Freundschaft plus?" Sie zog ihre Augenbrauen hoch. Meine Mutter stand der Mund offen und mir entfiel ein lauter Schrei. "Leute!" Die Ernste der Sache rückte ins Blickfeld zurück und ich erklärte weiter. "Dann hätte ich wohl kein Problem damit ihm meine Liebe zu gestehen." "Naja", nuschelte meine Mutter, verstummte dann aber. "Er hatte vorgeschlagen mein erster Kuss zu sein und ich fand die Idee nicht schlecht. Ich wollte das er etwas besonderes war und..." "Mit Calro war er das", seufzte Lu in Gedanken und schien neidisch auf mich zu sein. Das war doch nicht möglich. Er würde sterben. Sein Vater hatte es gesagt. Ich schlug ihr auf den Hinterkopf. "Kein Grund, dass er mich mag. Kein Grund um eine Beziehung anzufangen." "Kein Grund eine Freundschaft zu beenden", setzte sie fort. Ich hingegen war anderer Ansichten. Innerlich schrie ich meine Fantasie zu mir um unterzutauchen. Die Realität tat so weh.
Nach endlosen Minuten des Redens, entschloss sich Lu nach Hause zu gehen. Meine Mutter ging zu meinem Dad in die Küche hinunter, und ich blieb in meinem Zimmer, probierte mich ansehnlich zu machen und wusch das Make-up aus meinem Gesicht. Kurz bevor ich zu Bett ging, hörte ich mein Handy Klingeln. Ich griff nach ihm, drückte Carlo dennoch nur ab. "Wenn er weg ist, dann kann er mich auch nicht mehr anlügen", murmelte ich vor mich hin und zog die Decke über meinem Kopf. "Ich muss...

Der Maskenball (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt