Ich umfasste das Glas mit beiden Händen und setzte mich an Rand des Bettes hin. Ihre Blicke klebten dabei an jeder meiner Bewegungen. Das sie sich Sorgen machte war nachvollziehbar, das ich diese Hilfe nicht wollte anscheinend nicht. "Danke, dass ich hier übernachten darf", presste ich zwischen meinen Lippen hervor und stellte das Glas auf dem Nachtisch ab. Das Danke war dabei gleich falsch wie alles andere hier. In ihrem Bett, hätte ihr Freund schlafen sollen, nicht ich. Sie hätte nicht denken sollen, dass ich alleine durchgedreht wäre, aber sie dachte es und darum schlief Markus auf der Couch. Ich hätte jetzt nicht hier sein sollen sonder zu Hause. Alleine.
Ihre Hand legte sie neben meine und setzte sich neben mich hin. Ich hatte geweint, ich hatte geschrien und ich war immer noch dabei weiter zu sinken. Mein Leben war langweilig und absolut vorhersehbar. Nicht so wie in den Büchern die ich las. Warum war sie bei einer so langweiligen Person? Das ergab doch keinen Sinn. Sie hätte Spaß haben sollen. "Früher hast du uns immer kurz nach deinen Geburtstag eine neue Einladungskarte gesendet. Bis jetzt hab ich noch keine bekommen", meinte sie plötzlich wie aus dem nichts heraus. Mein Mundwinkel zuckte nach oben. Meine Gedanken waren auf einmal ganz weit weg. Früher war doch einfach alles besser. Da hatte ich meinen Geburtstag noch gerne gefeiert. Damals war ich noch glücklich. Sie strich mir eine Strähne hinters Ohr. Ich schnaufte aus. Früher waren meine Haare blond. Früher waren sie lang, dann kurz und jetzt waren sie braun und gingen mir bis kurz vor meine Brust. Mein Kleidungsstiel war früher praktisch und bequem und nun war außer seinem Oberteil nichts feines mehr im Schrank. Dafür sah alles gut aus und so gehörte ich dazu. Ich gehörte zu Vanessa und ihren Freunden, die nur Party machten. Obwohl ich eigentlich vollkommen anders war. "Ich weiß du willst gehen, aber denk mal an Johanna. Ich hab Angst um sie." Ich nickte, ich dachte an sie und auch ich hatte Angst. "Ihr ähnelt euch so." Das war etwas negatives. Mir ähnlich zu sein war also schlecht. Tief atmete ich ein und unterdrückte die Enttäuschung. Diese Worte taten weh aber ich war ihr nicht böse. Nicht deshalb und auch nicht wegen unserer gemeinsamen Vergangenheit, obwohl sie viele Fehler gemacht hatte. Denn anders als Ben war sie immer noch die Person, der ich alles erzählen konnte. Sie hatte wenigstens nicht mit mir gespielt. "Ich weiß." Ich stellte mich auf und lief auf den großen Spiegel in ihrem Zimmer zu. Ich war dünner geworden. Jetzt trug ich XS nicht mehr M. Ich wollte doch nur dazu gehören. Ich zog mir sein T-Shirt nach oben und betrachtete meinen Bauch. Magersüchtig war ich nicht, gesund sah jedoch anders aus. Mit meinen Fingern fuhr ich über meinen Bauch, wenn ich die Luft einzog konnte man die Rippen klar und deutlich sehen. Stella trat neben mich, worauf ich das T-Shirt nach unten fallen ließ. In diesen Moment hätte sie mich vieles Fragen können. Warum bist du so dünn? Warum tust du das? Was bringt es dir? Hast du Hunger? Was soll das? Sie hätte Enttäuscht von mir sein können, oder wütend auf mich, möglicherweise auch traurig. Aber stattessen war sie verwundert und betrachtete nur das T-Shirt welches ich aus meinen Koffer genommen hatte und nun trug. Meine Figur ignorierte sie. Oder sie sah es einfach nicht. Stella nahm den blauen Stoff in die Hand und schüttelte kaum merkbar ihren Kopf. "Carlos?", fragte sie und ich bestätigte ihr "Carlos." Natürlich trug ich sein T-Shirt. Ich vermisste ihn. Ein wenig zu viel, ein wenig zu oft und ein wenig mehr jeden Tag aufs neue. Aber sie verstand es nicht, das sagte mir ihr Blick aus. Sie konnte es nicht verstehen. Dafür kannte sie unsere Geschichte zu wenig. "Es ist ja nicht so das ich nicht abschließen will, aber es geht nun einfach nicht. Ich brauche ihn doch. Du musst mich nicht verstehen. Wirklich nicht. Nein. Aber bitte verurteile mich deswegen nicht und zeig auch nur ein wenig Verständnis. Denn Egal wie sehr du Carlo auch gemocht hattest. Das hier ist etwas ganz anderes."Etwas ganz anderers? War es das überhaupt? War das was ich mit Carlo gehabt hatte etwas anderes, als Stella mit Carlo hatte? Klar, war es ein wenig anders immerhin war ich seine Frau und sie 'nur' seine beste Freundin gewesen, aber das meinte ich damit nicht. Damals hatte ich mich gefragt ob wir das gleiche gefühlt hatten, als er gesprungen ist. Ob ihre Gefühle anders waren als meine. Ich hatte sie auf dem Boden gesehen. Sie saß hinter mir und weinte nachdem er gesprungen war. Sie war gleich zerstört wie ich gewesen. Aber sie hatte es doch von Anfang an gewusst, das er es tun würde. Stella wusste es. Ihre Gefühle mussten doch anders gewesen sein. Sonst war es doch nicht logisch oder?
Jedoch was war den schon logisch? Was bedeutete dieses Wort überhaupt? Wie konnte ich es mir erklären? Möglicherweise war für jeden etwas anderes logisch und für mich war eben nichts auf dieser großen weiten Welt logisch. Je mehr ihr mir Gedanken über dieses eine Wort machte, je mehr klang es plötzlich gar nicht mehr nach einem Wort. Es klang fremd und überhaupt nicht mehr Deutsch. Und je öfter ich es sagte, desto mehr zweifelte ich an der Richtigkeit von ihm und das wiederum war wirklich komisch.Stella war schon lange aus dem Raum gegangen, als ich mir diese Gedanken machte, alleine auf ihrem rießen Bett lag und auf die weiße Decke starrte. Ich sah auf ein leeres weiß auf dem kein einziger Punkt war, den ich hätte fixieren können. Nein, ihre Decke hatte nur eine Farbe.
Meine Gedanken kreisten um Wörter wie logisch und komisch um sie zu ordnen. Am Ende jedoch war ich nur verwirrter als zuvor. Eine Schlussfolgerung konnte ich daraus nicht ziehen.
Meinen Kopf presste ich ins Kissen und schrie hinein. Bei der Frage warum ich schrie war ich mir selbst nicht ganz sicher. Es gab mehrere Gründe warum ich es tat. Einerseits wollte ich somit den Frust von mir bekommen und andererseits schrie ich aus dem selben Grund warum ich auch über das Wort logisch nachdachte. Ich wollte mich ablenken, Tatsachen verdrängen die mir wieder zu nahe kamen. Durch das Polster allerdings drang nur ein leises Rauschen.
"Geht es dir gut?" Eine tiefe Stimme füllte den leisen Raum und ruckartig verstummte ich, drehte meinen Kopf leicht auf die Seite, wobei ich den blonden Mann neben mir betrachten konnte. Der Mann der den Raum betreten hatte. Im Flur waren wir uns schon flüchtig begegnet und sofort hatte ich gewusst wer vor mir gestanden war. Der Freund von Stella war mir schon einmal begegnet. Das war doch kein Zufall. "Was wird hier gespielt?", flüsterte ich. Er legte sich neben mich hin und zog mich mich zu sich hin. Meine Hand fand ihren Platz auf seiner Brust und lange starrte er mich stumm an. Der Typ aus dem Café, der Typ mit dem Opa, der nicht über seine Ex hinwegkam starrte mich an, während er seine Hand um meine Taille schlang.
Er war ihr Freund und wollte dann doch meine Nummer haben. "Was meinst du?" Ich schüttelte meinen Kopf. Er wusste was das bedeutete. Er musste es wissen. "Das wir uns begegnet sind ist doch kein Zufall. Sag mir warum spielt ihr mit mir? Warum tut ihr mir das an? Und könnte jemand bitte mir erklären was für ein Spiel wir spielen, was ich tun kann um zu gewinnen?" Seine grünen Augen glänzten während sie an meinen Lippen klebten und er leicht lächelte. "Wenn du nur wüsstest wie recht du hast. Wenn du nur wüsstest wie viele Menschen mit dir spielen." Er drückte mir einen Kuss auf meine Stirn und sah mir dann wieder in die Augen. "Aber das beantwortet meine Frage nicht." Er wollte antworten und ich auch. Aber nur er bekam seine. "Nein, verdammt. Mir geht's nicht gut."
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Der Maskenball (Cro Ff)
Romansa"Wenn du aufhören würdest daran zu denken, würde es nicht mehr so schmerzen." "Das geht aber nicht. Ich kann nicht." . Ich hielt an der Vergangenheit fest, weil ich Angst vor der Zukunft hatte und die Mas...