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Das Licht meiner Handytaschenlampe erhellte die Dunkelheit, das Geräusch des raschelndes Papieres, wenn ich eine Seite umblätterte, ließ die Stille erlischen und meine Beine die vom Dach des Autos hinunter hingen ließen mir die Freiheit ein wenig näher kommen. Es war 02:28 Uhr an einem Sonntag auf einem Parkplatz zu weit weg von zu Hause, um dort zu übernachten und zu nahe um in ein Hotel zu gehen. Neben mir lag eine der vielen Packungen, deren Zigaretten, welche Leo für mich gekauft hatte und in meiner Hand hielt in eine Zeitung, die ebenfalls den Weg in diese Taschen gefunden hatte. Möglicherweise wollte er sich ja diese kaufen und hatte sie dummerweise zu den anderen Sachen gepackt. Johanna schlief im Auto, während mich die Artikel förmlich fesselten oder anderes gesagt es eben nicht taten. Nachdem ich die Wörter gelesen hatte, vergaß ich schon ihre Bedeutung oder was sie in diesem Satz zu suchen hatten. Die Müdigkeit war aber nicht Schuld, es war der eine Artikel, welcher auf der Titelseite abgedruckt war. Der Artikel, der auf Seite 25, näher erklärt werden sollte. Er handelte über den Maskenball und ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Meine Hände wurden schwitzig, als ich ihn erblickte. Solchen Artikeln ging ich normalerweise immer aus dem Weg. Ich wollte denken, dass ich nichts wichtiges darstellte, das mein Blog für niemanden außer mich eine Bedeutung hatte. So war es aber nicht und ich wusste nicht, ob ich froh darüber hätte sein sollen. Den Artikel hatte ich ja nicht einmal gelesen, um es bewerten zu können. Ich fuhr mir mit den Händen durch die Haare, als ich bereits Seite 24 erreicht hatte. Die Zeitung legte ich auf meinem Schoß ab und es hätte nur wenige Sekunden gedauert umzublättern. Tun konnte ich es trotzdem nicht und so schlug ich die Zeitung ohne weiteres zu und ließ sie neben mich wandern, zu den Zigaretten, welche ich lange Zeit fragend angestarrt hatte. In der Nacht vergaß ich meine Gesundheit. Zu viele Gedanken schossen mir zu dieser Zeit durch den Kopf. Richtig und Falsch war da reine Nebensache. Das einzige was zählte war nicht durchzudrehen und vielleicht hätten sie mir geholfen. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch, doch alles was ich sah war er. Ich halluzinierte, dessen war ich mir bewusst, aber es füllte sich so real an. Ich spürte wie er meine Hand nahm und mir in die Augen sah. Er hatte ein wunderschönes braun. "Was machst du hier?", fragte er, ließ meine Hand los und strich mir eine Haarsträhne mit ihr aus dem Gesicht. Die selbe Frage wollte ich ihn am liebsten auch fragen, denn das hier war keine Erinnerung. Ich griff nach seiner Hand, die mein Gesicht berührte und hielt sie fest. Tränen bahnten sich ihren Weg zum Boden, versanken jedoch bevor sie ihn überhaupt erreicht hatten in dem Stoff meiner Hose. Seine Stimme zu hören war unglaublich. "Ich schließe ab", flüsterte ich, ließ seine Hand dabei jedoch nicht los. "Alaska." "Carlo." Ein schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dieses Mal blieb mein Gesicht unverändert kalt. Alles in mir spannte sich an und konzentrierte sich darauf ihn festzuhalten. "Wenn du abschließen willst, musst du aufhören von mir zu träumen. Alaska, du musst es endlich akzeptieren. Ich kann nicht mehr bei dir sein, ich bin tot." Ich schüttelte meinen Kopf. Meine Unterlippe fing an zu zittern und ich hielt mir meine Hand vor den Mund, mit der anderen hielt ich seine Hand immer fester. "Lass los", forderte er mich auf und ich hätte schwören können, dass es ihm gleich schwer wie mir fiel. Möglicherweise war er auch noch nicht über mich hinweg und vermisste mich ebenfalls. "Ich kann nicht mehr für dich da sein. Du musst aufhören in deiner Vergangenheit zu leben. Ich bin nicht gut für dich. Wenn du weiter so machst wirst du dich selbst nie finden. Mach nur einmal das was ich dir sage und lass meine Hand los." Seine Hand passte so perfekt zu meiner, sie sahen toll zusammen aus. Wie hätte ich diese Perfektion los lassen können? Ich wusste, dass ich es hätte tun sollen, aber ich tat es nicht, sondern öffnete meine Augen. Alles war besser, als ihn los zu lassen. Ich sah um mich in die Dunkelheit. Er war nicht mehr hier. Alles war nur ein Traum gewesen. Jedoch konnte ich mich an alles noch erinnern. Etwas was nicht sehr oft bei mir vorkam. Ich blickte zum Himmel hoch und sah zu die vielen Sterne an. Bevor er ging behauptete er, dass er ein Stern werden würde. Als ich meine Augen ein weiteres Mal schloss übernahm mich die Müdigkeit. Meine Füße fanden plötzlich ihren Platz auf dem Dach und so schlief ich schlussendlich auf einem Autodach ein. Die Gedanken verschwanden und ich fühlte die Erleichterung, die sich in mir bemerkbar machte. Die Steine in meiner Brust verschwanden und ich konnte wieder durchatmen. Ein und aus und das obwohl ich seine Hand nicht losgelassen hatte.

Eine Hand packte mich an der Schulter und schüttelte mich hin und her. Langsam öffnete ich meine Augen, sah wie Johanna mich besorgt betrachtete und ihre Hand ruckartig von mir entfernte. Sie hatte sich neben mich hin gesetzt und wendete ihren Blick nicht von mir ab. Ich hingegen, setzte mich auf und sah der Sonne zu wie sie aufging. Lang hatte ich definitiv nicht geschlafen. Ich räusperte mich, bevor ich wieder sprechen konnte. Mein Hals war wie ausgetrocknet. Der Geschmack der sich in meiner Mundgegend verbreitete deutete daraufhin, dass ich geweint hatte. Wie froh ich darüber war kein Makeup zu tragen, hätte in meiner Lage wahrscheinlich niemand verstehen können. "Willst du schon losfahren?", fragte ich leise. Ihre Haare wehten im Wind während sie ihren Kopf schüttelte. "Warum liegst du hier?", brachte sie aus ihrem Mund heraus. Schuldgefühle belegten ihre Stimme. Wahrscheinlich dachte sie wäre daran Schuld, dass ich nicht im Auto geschlafen hatte. Meine Mundwinkel bewegten sich nach oben. "Ich habe nur nachgedacht." Ihre Stirn legte sich in Falten, doch die Frage blieb unausgesprochen. Ebenfalls die Antwort, die ich besaß. Wir saßen uns nur entgegen. Zwei Menschen die sich flüchtig kennengelernt hatten. Zwei Personen, deren Welt nicht komplizierter hätte sein können. Zumindest empfand ich es in diesem Augenblick so. Meine Augen hafteten an der Zeitschrift neben mir, die die Zigaretten verdeckten. Mein Mund ging auf und ich hielt Johanna die Zeitschrift vor die Nase. "Ich habe über das hier nachgedacht. Über den Artikel." Ich zeigte mit dem Finger auf das Blatt und später sah ich wie ungläubig Johanna mir entgegen sah. "Er handelt über einen Blog. Er nennt sich der Maskenball. Kennst du ihn?" Ihr Mund stand offen. Die Wörter blieben in ihrem Hals steckten. "Naja, auch egal", setzte ich nach der Stille fort. Manchmal waren Wörter sinnlos geworden und man verstand sich trotzdem gegenseitig.  "Ich war der Verfasser von ihm und habe darüber nachgedacht mir den Artikel anzusehen. Jedenfalls ist es nicht so weit gekommen. Ich möchte nicht wissen, wie sie über mich denken." Fassungslos sah sie mich an, ballte ihre Hände zu Fäusten und versuchte ihre Atmung zu kontrollieren. Leise hörte ich sie auf 10 zählen und dann flippte sie trotzdem aus. "Du musst keinen Bericht lesen, um zu wissen wie sich deine FANS fühlen. Das kann ich gerne übernehmen, dass kostet dich auch nichts. Sie fühlen sich alleine und hilflos. Sie dachten du seist für sie da. Sie dachten sie könnten auf dich zählen und was machst du? Du gibst auf. Hast du nicht einmal behauptet, dass Aufgeben keine Alternative ist? Hast du nicht einmal gesagt, dass wegrennen zu nichts führt? Warum sagst du uns so etwas, wenn das alles nur Lügen sind? Wenn du das alles doch selbst tust. Die ganzen drei Jahre hast du uns nur angelogen. Sag die Wahrheit. Dir war doch egal wie sich die anderen fühlten du hast nur an dich gedacht. Manche deiner ach so treuen Anhänger denken zwar das sie dich verstehen würden und dir beistehen, aber doch auch nur weil sie denken du würdest wieder kommen. Weil sie denken du würdest zu deinen Worten stehen. Das tust du aber nicht und ach ja Alaska ich brauch deine Hilfe nicht. Ich behalte meine Maske auf. Weil es mir so besser geht. Du hast ja keine Ahnung. Lebst du überhaupt richtig? Hast du überhaupt schon einmal gelebt?" In ihrem Blick spiegelte sich Frust und Wut wieder. Sie hasste mich. Sie hasste meinen Blog und sie wollte gehen. Ich war kein Vorbild. "Tut mir leid", flüsterte ich und wollte nach ihrer Hand greifen, jedoch zog sie ihre so schnell weg, dass mir das nicht gelang. Sie nahm die Packung Zigaretten an sich und sprang vom Auto hinunter auf den Boden. Zurück blickten wollte sie nicht, tat es aber als ich nach ihr rief. Sie blieb stehen und sah mich angewidert an. "Mach nicht den gleichen Fehler wie Carlo, spring nicht", beteuerte ich und zwang mir ein Lächeln auf. "Er hatte Krebs, darum ist er gestorben", sagte sie so als wäre sie selbst dabei gewesen. Als hätte sie ihn jemals gekannt. Als würde ich sie anlügen. "Du kennst unsere Geschichte nicht."

Der Maskenball (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt