Meine Unterlagen legte ich auf den Küchentisch ab und ließ die Wohnungsschlüssel daneben fallen. Klirren, welches jedoch sofort wieder verstummte, ertönte. Ich drehte mich von dem Tisch weg und entfernte mich einige Schritte von ihm. Mein Finger fuhr über den Radio, bis das Elektrogerät anfing meine Lieblingsmusik zu spielen. Eine Mischung aus Traurigkeit und Kraft dröhnte aus ihm. Es waren meine Persönliche Remixe auf einer kleinen CD, die den Raum mit leben füllte. Auf dieser Welt existierte nur ein Exemplar deren CD, welche sich jetzt immer schneller im Radio bewegte. Sie war etwas besonderes wie derjenige der sie mir gemacht hatten. Jedesmal, wenn sie ihre Lieder spielte, zog sich alles in mir zusammen und Tränen kamen mir in die Augen. Mein ganzer Körper verkrampfte sich dann und ein furchtbarer Schmerz breitete sich in mir aus, doch die Einsamkeit, die mich sonst immer umhüllte, erlosch immer wieder aufs neue und ich fühlte mich plötzlich frei. Jedenfalls redete ich mir das die ganze Zeit ein. Unterdrückte die Tatsache, dass das keine Freiheit war. Es war aber ein kleines Stück von ihm. Das ich nie aus meinem Leben hätte verbannen wollen. Denn er war noch so ein großes Stück meines Lebens.
Ich lehnte mich an der Wand an und ließ mich ihr entlang auf dem Boden nieder. Meine Augen, die so schwer geworden waren, schlossen sich und ich blieb irgendwo zwischen dem wach- und Schlafzustand stecken. Ich musste noch so viel für meine Arbeit bis zum nächsten Morgen erledigen, doch noch viel wichtiger erschien mir in diesem Moment mein Blog. Die Wörter waren in meinem Kopf und ich wollte sie aufschreiben. Die Kraft schien mir dazu jedoch zu fehlen. Alles war so schwer. Vor allem da seine Stimme mir immer wieder durch den Kopf ging und sogar die Laute Musik übertönte. Seine Worte und seine Taten ließen mich in einer anderen Zeit versinken. Den Schmerz vergessen und ich wollte immer mehr, dass er wieder hier war. Ich wollte, dass er mir half wieder ich zu sein. Er hätte mir meine Maske abnehmen sollen. Er hätte es geschafft. Aber er konnte nicht. Er würde es nie wieder tun können. Weil er nicht hier war. Weil er nie wieder neben mir sitzen und mir meine Hand halten würde. Weil er...Die letzten Takte des Liedes wurden gespielt bis schließlich der Ton des Radios völlig erlosch. Meinen Kopf, den ich an den Kühlschrank angelehnt hatte richtete ich auf und öffnete meine Augen. Durch die Fenster, sah man inzwischen schon den silbernen Mond glänzen und das funkeln einiger Sterne. Wie viele Menschen wohl genau zu dieser Zeit auf diesen Himmel gesehen hatten und sich sicher unter ihm fühlte? Wie viele Menschen wohl hinauf gesehen hatte in der Hoffnung eine Sternschnuppe würde ihre Wünsche erfüllen? Und wie viele Menschen wohl am Boden saßen in die Sterne sahen und sich wünschten nicht alleine zu sein, Genauso wie ich? War da draußen auf der großen weiten Welt jemand, der sich gleich wie ich fühlte? Meine Beine stellten sich aufrecht hin, zitterten jedoch bei jedem Schritt mehr. Meine Spucke blieb mir im Hals stecken und japsend atmete ich die stickige Luft im Raum ein. Ich fühlte mich nicht so, als hätte ich geschlafen und doch war mir, als wäre ich fit genug um mich den Dingen des Alltages zu stellen. Wenn auch nicht mit den besten Vorraussetzungen. Meine Hände griffen nach dem dunklen Laptop, hoben ihn hoch und waren gerade zu erschrocken, wie schwer er sich plötzlich anfühlte. So als hätte man einige Steine auf ihn gelegt und an den Tisch geklebt.
Meine Beine gaben ein weiteres Mal nach, als ich den Laptop mit beiden Händen umgriffen hatte und erneut fiel ich auf den kalten Boden, verharrte dort stillschweigend eine Weile um dann den Levono zu öffnen. Ich ließ meine Finger über die Tastatur wandern. Erst langsam und schüchtern, bis sich mein Mut an die Oberfläche drängte und alles wieder leicht erschien. Wörter wie -unmöglich- und -endgültig- tippte ich nieder, während mich tief in meinem Innern eine Stimme davon abhalten wollte weiter zu schreiben. Sie schrie und hämmerte gegen meine Brustwand, während Sätze wie -Manchmal fragt man sich wer man selbst ist und ich sehe langsam ein, dass ich nicht diejenige bin, die ich versuche zu sein.- sich in den Bildschirm eingravierten und dort schienen ewig stehen zu bleinen. Der Text wurde immer länger und länger und beinhaltete mit der Zeit eine Meinung zu der ich schon lange gekommen war. Eine Meinung die ich aber nie nieder schreiben wollte, da ich dachte es wäre falsch. Wegen zu wenig vertrauen, in meine Leser, weil ich dachte sie würden mich nicht mehr unterstützten, wenn sie die ganze Wahrheit wüssten. Aufeinmal war das jedoch belanglos geworden, denn das sollte mein letzter Eintrag gewesen sein. Wie Übernacht hatte mich die Leidenschaft verlassen. Schon vor einigen Monaten. Und hier war die ehrliche Erklärung warum ich nicht mehr schrieb. Mit Sätzen die mir durch den Kopf spukten.
Nichts war gekürzt, nichts war gestrichen. Alles stand da. Wie es sein sollte. Nur meinen Namen ließ ich weg. Die Unterschrieft blieb gleich. Möglicherweise hatte ich mit diesem Blog einige Leute motiviert. Vielleicht konnte ich Ihnen wirklich helfen nur mit Sätzen. Mein Entschluss stand aber fest. Tat mir in gewisser Weise leid. Doch dieses Ende musste kommen. Sekundenlang ließ ich meinen Zeigefinger auf der Entertaste ruhen. Mir kam es so vor, als würde er auf einem Abzug ruhen. Dann ein Schuss und der Teil von mir, der etwas war, war Tod. Mein Blog geschlossen und die letzten Wörter, die ich geschrieben hatten so unbedeutsam wie der ganze Rest. Eine Last fiel von mir. Traurigkeit war keine da. Manchmal hatte ich mir vorgestellt wie es sein würde, diesen Teil hinter mir zu lassen. In jeder meiner Fantasien dachte ich mir ich würde Tagelang nicht lächeln können. Weinen möglicherweise sogar schreien. Nicht mehr ich sein. Ich dachte es würde mich zerstören. Es war aber nicht so, ich war einfach erleichtert es endlich hinter mir lassen zu können und ich vermisste es keine Sekunde.
Ich klappte den Laptop zu -ein gedämpfter Ton ertönte- Stand dann auf und ließ ihn auf dem Tisch nieder. Für Momente fühlte ich mich wieder stark und daran änderte sich auch nichts, als ich mich daran machte meine Arbeit fertig zu stellen. Unbeschwert und leicht fühlte sich alles an. Die Maske war noch da, dennoch war sie nicht mehr so schwer. Tonnen waren hinunter gefallen.Ich stülpte mit ein viel zu großes T- Shirt über den Kopf und ließ meine Finger über den Stoff wandern. Jede Faser fühlte sich gut an und es roch nach Vertrautheit. Das Bett war feiner, als jemals zuvor und doch quälten mich Gedanken, die mir den Schlaf raubten. Ich starrte auf die Decke und dachte nach. Über den nächsten Tag, über die nächsten Wochen oder Monate. Dieser Mudrack hatte mir etwas ins Ohr gesetzt und ich wusste das er recht hatte. Zugegeben hätte ich es nie, doch er hatte recht. Dieser Job war nichts für mich. Er war nur ein Zeitvertreib. Das alles hatte keine Zukunft nicht mit mir an der Spitze. Weit war ich geklettert um zu bemerken, dass ich den falschen Berg bestiegen hatte. Hier war niemand und irgendwo auf einer anderen Spitze waren meine Freunde und mit meine Freunde meinte ich Vanessa. Sie war die einzige, die wartete. Bald aber würde sie absteigen und mich alleine lassen, obwohl ich nicht einmal mit dem ersten Verlust klargekommen war. Obwohl ich ohne sie nicht die war, die ich jetzt war. Ich biss mir auf meine Zunge, während ich mir mein Handy holte. Ich drückte auf den Einschaltknopf und sah hunderte Nachrichten.Alle nur von ihr. Ein Monat war nicht viel, aber es war alles was uns blieb. In dieser Zeit sollte ich sie nicht ignorieren. Andere schon, aber doch nicht das süße Mädchen mit den meerblauen Augen.
Dieser Gedanke ließ meine Mundwinkel nach oben wandern. Sie war einzigartig. Alle hatten mich verlassen, als es hart auf hart kam. Sie blieb.
Ich scrollte zu ihrem Namen und las ihn einige Male durch. Von vorne, von hinten, ich ließ die selbstlaute aus während ich laß und drückte später auf ihren Namen.
Wieder dieses Piepen, welches mich an Krankenhaus erinnerte, dann ein leises 'Hallo?' Es war eher eine Frage, als eine Begrüßung. Wahrscheinlich war sie nicht sicher, ob tatsächlich ich mein Handy in der Hand hielt. Übel könnte man ihr dies wohl nicht nehmen, nachdem ich sie einen Tag ignoriert hatte. 'Komm zu mir', murmelte ich müde ins Handy und ließ den braunen Punkt auf der Decke nicht aus den Augen. 'Dann betrinken wir uns und erzählen uns die ganze Wahrheit." Ein Knacken unterbrach die entstandene Stille. Sie hatte aufgelegt.
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Der Maskenball (Cro Ff)
Romance"Wenn du aufhören würdest daran zu denken, würde es nicht mehr so schmerzen." "Das geht aber nicht. Ich kann nicht." . Ich hielt an der Vergangenheit fest, weil ich Angst vor der Zukunft hatte und die Mas...