[47] perfekt

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Flashback

Ich wusste, dass er zu der Brücke gehen würde.
Ich wusste es und doch blieb mir der Atem stehen, als ich ihm am Rande stehen sah und Stella Meter von ihm entfernt.
Ich hörte wie sie sprachen, zwar nicht was, doch ich hörte den Klang seiner Stimme und ihre weinerlichen Worte, die ihn anscheinend anflehten zu bleiben. Sie half ihm, aber nur weil sie wusste, dass sie nichts dagegen tun hätte können. Entweder hätte er es alleine getan, oder mit ihrer Hilfe. Sie wollte ihn ein letztes Mal unterstützen. Damit er fröhlich von uns gehen konnte. Doch das war nicht ihre Aufgabe.
Kilometer war ich scheinbar von den zweien entfernt, jeder Schritt war härter zu gehen und doch schien irgendwann alles einfacher zu werden. Möglicherweise weil ich irgendwo zwischen den Bäumen noch Hoffnung sah. Ich rannte zu Carlo und bemerkte, dass es doch nur Meter gewesen waren die uns getrennt hatten. "Ich musste ihn fahren", hörte ich Stellas Stimme zu Ben sagen. Da fiel mir auf, dass ich ihr Auto vor dem Wohnblock gesehen hatte. Er hatte alles so gut geplant. Von Beginn bis zum Ende. Konnte ich ihn überhaupt noch aufhalten?
Seine Augen verfingen sich in den Meinigen. Ich sah seine Verzweiflung, seine Angst, seine Liebe.
Reflexartig steckte ich ihm meine Hand entgegen und obwohl ich daran zweifelte, dass er sie annahm, so merkte ich doch den Druck auf ihr.
Er sah zu mir, denn er wollte den Abgrund nicht sehen und ich sah zu ihm, weil ich den Abgrund schon sah. Ich blickte in eine Düstere Zukunft ohne ihn, in der ich nicht leben wollte.
Hinter uns standen Ben und Stella. Sie weinten, blieben jedoch stehen. Sie wussten es so gut wie ich, dass man ihn nicht aufhalten konnte und doch war ich es der seine Hand nahm, sie festhielt und ihn nie wieder los lassen wollte.
Vorsichtig strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr und beugte sich vor. "Laska", flüstere er, hielt inne und sprach weiter. "Es tut mir Leid." Dann löste er seine Hand von meiner, nahm meinen Kopf ein letztes Mal in seine Hände, lächelte mich an und gab mir einen Kuss. Sein Atem stank nach Rauch. Es fühlte sich nicht wie sonst an. Es war anders, er war es. Seine Augen waren glanzlos, als wir uns gelöst hatten und ich spürte die Kälte in ihm. Schon seit langer Zeit ging es ihm furchtbar und nun war es Zeit für ihn zu gehen. "Carlo, ich liebe dich." Und ich tat nichts. Ich sah zu wie er seine Augen schloss, mich anlächelte, die Arme ausstreckte und ein leises 'Danke' vor sich her murmelte, um nach hinten zu fallen. Ich hätte ihm helfen können. Ich hätte verhindern können, dass er sprang. Ich tat es aber nicht. Ich ließ ihn gehen und er fiel wie Regen.

Der Maskenball (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt