Zielstrebig ging ich auf das große Gebäude vor dem mein Auto stand zu und wendete keinen Blick zurück. Johanna betrachtete mich dabei von der Seite, lief mir unsicher nach, während ich zum Hintereingang spazierte und das Gebäude ohne weitere Bedenken betrat. Eine Weile stand ich alleine im großen Flur, dann aber wurde die Tür geöffnet und Johanna stellte sich neben mich . Prüfend sah sie sich in den endlos langen Gängen um. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Genauso ging es mir das erste mal auch. Ich war überwältigt von der Größe dieses Raumes. "Was machen wir hier?", fragte sie und verschnellerte ihre Schritte, damit sie neben mir her laufen konnte. Ruckartig blieb ich stehen und hielt sie an den Schultern fest, schenkte ihr einen Blick, der ihr sagen sollte, das sie nur abwarten musste und lief weiter. Verschweigen wollte ich ihr im Grunde genommen nichts, doch was das werden würde, war mir selbst noch nicht ganz klar.
Wir liefen den langen Gang entlang bis wir vor einer Tür zum Stillstand kamen.
Der Name der daneben stand ließ mich schlucken. "Warte hier", befahl ich und nahm den Griff in meine Hand. In meinen Kopf gingen tausende Szenarien ab und 999 von ihnen waren schlecht. Dennoch ließ mich die Hoffnung, dass genau das eine gute Szenarium passieren würde den Griff nach unten drücken. Ich hielt den Atem an und öffnete die Tür. Ihr rotes Haar stach mir sofort ins Auge und dann ihre wunderschöen grünen Augen. Ihr Blick wurde starr, als er meinen traf. Ihr Mund ging einen Spalt weit auf. Fassungslosigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder. Langsam senkte sie ihre Hand mit dem Handy in ihr und ignorierte die sprechende Person an der anderen Leitung. Der Abstand zwischen uns blieb gleich. Keiner traute sich näher zu kommen oder gar etwas zu sagen, keiner von uns wollte den ersten Satz nach zwei Jahren über seine Lippen bringen. Deshalb fing ich mit einem Wort an. "Hey." Sie nickte mir entgegen, im gleichen Moment verstummte ihr Handy. "Laska." Sie lächelte leicht und trat einen Schritt auf mich zu. Bewegungslos blieb ich stehen. Ihr Name lag mir auf der Zunge, aber ich wollte ihn nicht aussprechen. Zu viele Erinnerungen an die schöne Zeit mit ihr wären hervor gekommen. Und ich war mir noch nicht sicher, ob ich froh sein sollte das diese Zeit so unbeschwert war, oder traurig darüber, weil sie zur Vergangenheit gehörte. "Lu", brachte ich stotternd hervor und fühlte den Schmerz , der sich in mir ausbreitete. Mir wurde so kalt und ich fühlte mich hilflos und alleine. Ich wollte das es aufhörte. Das tat es aber nicht. "Was machst du hier?", fragte sie und trat noch einen Schritt auf mich zu. Ihr Gesicht war so schön wie damals, wenn nicht sogar schöner. Ich wollte ihr um den Hals fallen, weinen und ihr meinen ganzen Kummer Beichten. Diese Zeit war jedoch vorbei und außerdem war ich nicht nur wegen mir hier. "Abschließen", brachte ich hervor und lächelte ihr entgegen, sie erwiderte das Lächeln eben so gequält wie ich es tat. Ihr Gesichtsausdruck war entsetzt. Die Zeit mit ihr lief vor meinem inneren Auge ab. Die Höhen und die Tiefpunkte und dann das auseinander gehen. Ich war in diesem Moment so traurig, weil ich die wichtigste Person in meinem Leben verlor und ich wollte niemanden mehr an mich heran lassen. Niemand verstand mich und die Sätze das alles wieder gut werden würden, machten mich so unglaublich wütend. Meine Welt zerbrach in diesem Momenten und kein Satz hätte sie wieder heil machen können. Ich hatte Luciana hinter mir gelassen und sie hat es einfach zugelassen. "Ich hab jetzt endlich kapiert was in mir kaputt gegangen ist und ich bin bereit weiter zu machen." Einen weiteren Schritt kam sie auf mich zu. Das gleiche Parfum wie immer schoss mir entgegen und ich bemerkte, dass sie sich im Gegensatz zu mir nicht verändert hatte. Sie arbeitete immer noch im gleichen Büro, hatte immer noch die gleiche Haarfarbe und die gleiche Art, doch im Gegensatz zu mir trug sie keine Maske mehr. "Wie geht es dir so?", fragte sie und ich zuckte mit den Schultern. Meine Gefühle waren so durcheinander gemischt. "Keine Ahnung." Ihre Hand streckte sie nach mir aus, doch ich weichte ihr aus. Es tat mir so unendlich leid, dass ich so mit ihr spielte, aber ich hatte keine andere Wahl. Alles andere hätte mich nur weiter zerstört und ich kroch schon am Boden. "Wie geht es dir so?" "Gut. Es ist zwar nicht immer leicht, aber ich leben weiter. Dieses Unternehmen und die Arbeit die ich hier mache macht mich echt glücklich. Vor allem weil ich hier meinem Freund kennengelernt habe und wir werden bald heiraten. Aber du fehlste mir so unglaublich und jetzt kommst du und willst nur anschließen. Das tut schon weh." Ich blickte auf den Boden und biss mir auf die Unterlippe. Ja, es tat verdammt weh. Eine weitere Möglichkeit gab es für mich dennoch nicht. Ohne dieses Treffen hätte ich nun einmal nicht abschließen können und wäre weiter Gefangener meiner selbst gewesen. "Tut mir leid, Lu." "Schon okay." Meine Füße die wie festgefroren nie ihren Platz gewechselt hatten, entfernten sich nacheinander vom Boden und setzten sich vor den andern Fuß, bis Luciana direkt vor mir stand und ich sie in den Arm nehmen konnte. Ihr hörte ihr wimmern an meinem Ohr. Ihre leisen bitten nicht mehr zu gehen, bei ihr zu bleiben und neu anzufangen. Beste Freunde für immer zu sein und das was passiert war als unbedeutende Pause einzustufen. Meine Worte blieben unverändert. Es tat mir einfach nur leid.
"Ich muss dir noch jemanden vorstellen." Lu nickte und ich entfernte mich von ihr, wendete mich der Tür zu und öffnete sie. Eine unsichere Johanna sah uns entgegen. Ihre Augen waren so leer, glänzen nicht und wirkten nicht fröhlich. Selbst trug sie einen viel zu großen Pullover von mir und eine Hotpen. Ihre Beine waren zum Glück nicht mit Narben gezeichnet. Lange musste Lu sie nicht betrachten um die Ähnlichkeit zwischen uns zu bemerken. Wie verloren wir beide doch waren. "Masken absetzen", murmelte ich ihr zu und sie nickte. Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Mit offenen Armen entfing sie Johanna und schloss sie in ihre Arme. Mehrere Wörter flüsterte sie ihr zu, bevor sie sich von ihr löste. "Warum bin ich hier?", fragte Jojo verunsichert und krallte ihre Fingernägel in ihren Arm hinein. "Masken absetzen", gab ich leise sagend bekannt und lehnte mich an der Wand an, betrachtete dem Schauspiel vor meinem Augen. Hier war ich nicht mehr nötig, entgehen wollte ich es mir trotzdem nicht lassen. Ich wollte wissen was Luciana sagen würde.
Lu setzte sich auf den Tisch und deutete Jojo an sich ebenfalls zu setzen, was sie in weiterer Folge dann auch wirklich tat. Steif saß sie da und hörte beiläufig den Worten von meiner ehemaligen besten Freundin zu. Sie hörte einen Teil einer unvollendeten Geschichte an und wie Lu ihre Maske abgesetzt hatte. Wie sie es geschafft hatte. Das wesentliche an der Geschichte war jedoch unser treffen, wie wir zu dem geworden waren wer wir jetzt in dem Moment noch waren.
"Wir waren in der gleichen Klasse und da hat sich unsere Freundschaft so ergeben. Meine Maske aber habe ich nur dank Carlo absetzen dürfen. Laska hatte ihm dabei geholfen." Johannas Augen funkelten auf und Hoffnung kam langsam in ihr zurück, erlosch aber sobald ihr etwas bewusst wurde. "Carlo kann mir aber nicht mehr helfen."
Lus Augen trafen auf meine und in uns beiden kam ein bedrückendes Gefühl auf. Johanna hatte recht. Er konnte es nicht mehr tun. Ich kannte aber jemanden der hätte es tun können. Zu ihm zu gehen war jedoch keine Option. Nicht in hunderten von Jahren.
"Tschüss", beteuerte ich, als Johanna sich aufstellte und reichte Lu meine Hand. "Vielleicht begegnet man sich noch einmal. Die Welt ist klein." Ich nickte leicht. "Irgendwann vielleicht." Dann ließ ich ihre Hand los und schloss ab. Mit der Vergangenheit die uns verband und ich endschied mich glücklich darüber zu sein, dass ich diese Zeit mit ihr erleben durfte. Ich sah sie als gut an.
Jojo und ich liefen den langen Gang wieder entlang. Diesesmal ohne auch nur ein Wort zu sagen. Eine Spannung lag zwischen uns und erst als wir uns Auto gestiegen waren verschwand sie. "Hat nicht funktioniert. Ich sollte wohl besser gehen." Das war erst Teil eins gewesen. Ich hatte nie daran gedacht, dass es gleich funktionieren würde. "Das war erst die erste Person. Wir haben noch einige vor uns."
Ich starrtete den Motor und wir fuhren weiter.

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Der Maskenball (Cro Ff)
Romance"Wenn du aufhören würdest daran zu denken, würde es nicht mehr so schmerzen." "Das geht aber nicht. Ich kann nicht." . Ich hielt an der Vergangenheit fest, weil ich Angst vor der Zukunft hatte und die Mas...