Flashback
Über uns waren tausende von Sterne. Tausende Sterne, die nur für uns schienen. Mein Kopf befand sich auf seiner Brust und seine Hand lag auf meinem Bauch, während er mich an sich drückte. Dieser Ort war etwas besonderes für uns. Er war frei von all den Sorgen, die uns täglich plagten. Von der Gewissheit, dass das hier keine Ewigkeit dauern konnte. Hier konnten wir wir sein. Auf diesem Dach gab es dann doch diese Ewigkeit. Zumindest für einige Stunden. Seine Lippen streiften meine Stirn und alles fing an zu kribbeln. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und ich drückte mich näher an ihn heran um die Kälte zu verringern. "Wenn sie uns finden, sind wir tot", flüsterte ich in sein Ohr, wobei er anfing zu grinsen. So wie Carlo eben grinste. Man hätte es nicht beschreiben können. Es war einfach dieses typische Carlo grinsen. Dieses Grinsen was ihn ausmachte. Aber diesesmal mit viel mehr Freude als sonst. Denn es gab diesesmal wieder das Gefühl der Unendlichkeit zwischen uns. Ich sah ihm in seine Augen. Durch die Taschenlampen, die wir um uns verteilt hatten, war mir dies gerade so möglich. Sie waren immer noch so wunderschön braun. Als hätten sie sich verändern können. "An was denkst du?", fragte er und strich mir durch meine Inzwischen kürzeren Haare. Früher waren sie mir bis zum Bauchnabel gegangen. Nun hatte ich sie gespendet und somit waren sie fort. Ich hatte es getan, damit jemand wieder Lächeln konnte, Hoffnung in der Dunkelheit sah In einer solchen Zeit, wie sie Carlo erleben musste. "Ich weiß es jetzt", flüsterte ich ihm entgegen. Ich hatte fürchterliche Angst von dem Krankenhauspersonal erwischt zu werden, weswegen ich nicht lauter sprechen wollte. Carlo fand das Albern, das sah man ihm an. Man durfte aber trotz seiner Verachtung gegen die Regel, als Krebskranker Junge nicht auf dem Dach des Krankenhauses liegen und Sternschnuppen ansehen. Eigentlich durfte nicht mal jemand gesundes hier sein. Doch um ihn stand es schlechter als um mich. Ich hätte nur erwischt werden können. Bei ihm hing sein Leben davon ab. Sein Immunsystem war für diese Aktionen hier draußen eigentlich viel zu geschwächt gewesen. Er hätte wegen einer einfachen Erkältung sterben können. Das hier ließ er sich allerdings nicht nehmen für kein Geld der Welt. Er wollte leben, bevor es zu spät war. Und genau in diesen Momenten lebte er auch wirklich wieder. Er lebte dann im jetzt. Möglicherweise sogar mehr als andere. "Was weißt du?" Unser Augenkontakt brach ab und ich vergrub meinen Kopf in seiner Jacke. Einzelne Schneeflocken ließen sich auf uns nieder und überdeckten uns langsam immer mehr mit ihrem weiß. "Das wegen den Namen", beteuerte ich und drückte ihn fester an mich heran. Es war mehr als ein Jahr vergangen seitdem er angefangen hatte gegen den Krebs zu kämpften. Ein Jahr das wir uns so schön gemacht hatten, wie es auch nur ansatzweise möglich gewesen war . Bisher war alles gut verlaufen, außer einigen Zwischenfällen, die uns beiden den Verstand raubten. Er hielt es nicht aus so schwach zu sein, sich gegen nichts mehr wehren zu können. Er fühlte sich deswegen noch viel schlechter als wegen der Krankheit selbst und immer wenn ich Seine blasse Gestallt, die keinen Schritt mehr gehen konnte und seine Augen die nur noch schwarz waren sah, fing ich an zu weinen . Weil das Ende so nah schien. Doch die Zeit verging und er bekam immer mehr sein altes ich zurück. Bekam neue Kraft.?Ih' ging es wieder besser. Wenn auch nur ein wenig. Gesund war er desto trotz nicht. Immer noch musste er die meiste Zeit im Krankenhaus bleiben. Allerdings verschwanden nach und nach einige der Symptome. Carlo war damals 17 und ich war 15 gewesen. Die Zeit verging rasend schnell, wenn es uns gut ging und wollte nicht stehen bleiben. Sobald es jedoch bergab ging war jede Sekunde eine Ewigkeit.
Seit nun mehr als einem halben Jahr hatte ich nun die Handelsakademie besucht, ohne Lucca oder Luciana, jetzt war ich alleine. Es machte mir dennoch nichts aus. Abstand tat mir gut. So wurde ich wenigstens nicht daran erinnert das Carlo krank war. In der Handelsakademie war ich nur Alaska ohne Carlo und in ihr hatte ich etwas Wesentliches verstanden. In einem der neuen Fächer, die ich dort hatte, hatte ich endlich kapiert was Carlo mit seinen Worten einst gemeint hatte. "Ein Name kann nichts tun. Nur der Mensch selbst. Ein Name ist nur ein Wort." Bei meiner Erklärung fing ich an zu grinsen und er lachte. Sein Oberkörper bebte und ich entfernte meine Hände von ihm. Diese Nähe war nicht richtig. Ich setzte mich auf und er tat es mir nach. Nun vielen auch Schneeflocken auf die Luftmatratze auf der mir nun nicht mehr lagen sondern saßen. In seiner Nähe fühlte ich mich geborgen. Ich liebte es wenn er lachte, aber genau das war der Fehler. "Du hast aber lange für diese Erkenntnis gebraucht", meinte er und stieß mich leicht auf die Seite. Als ich nichts dagegen tat wurde er misstrauisch. Seine Augen musterten mich. Dann nahm er meine Hand in seine. "Ist was?" Ich wusste, dass ich ein Stimmungskiller war. Ich wusste, dass diese Momente manchmal hätten viel schöner sein können. Dagegen konnte ich aber nichts tun. Seinen besten Freund zu lieben war so falsch. Mein Kopf bewegte sich nach unten. "Was würde passieren, wenn du sagen würdest was du gerade denkst?" Sein Atem kitzelte in meinem Nacken. Lange zögerte er bis er ansetzte und vernünftige Wörter sprach. "Wenn du es willst, kann ich es gerne ausprobieren." Immer noch hielt er meine Hand fest und zog mich langsam auf sich, sodass sein Kinn meinen Kopf berührte. "Das wäre nett", murmelte ich und lehnte mich zurück. "Meine Gedanken also", fing er zögerlich an und legte seine Hände um meinen Bauch. Seine Finger waren so lang und dünn, während meine kurz und dick waren. Seine Finger mochte ich meine hingegen nicht. "Wow, ist das Mädchen in meinen Armen hübsch", flüsterte er mir zu, während seine Lippen auf meinen Haaren lagen. Die Worte, die seinen Mund verließen waren zaghaft und schienen doch seine Gedanken wieder zu spiegeln. "Einfach nur unglaublich. Ich möchte sie nie wieder los lassen. Sie ist so toll und einzigartig. Das Mädchen in meinen Armen hilft mir das alles durchzustehen. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich schon tot." Eine kurze Pause ließ die Stille laut erscheinen. "Ich weiß sie mag dieses Wort nicht. Diese Tatsache das alles vorbei sein könnte hasst sie auch. Ich mag Alaska. Sogar sehr. Aber wer mag den schon einen Jungen ohne Zukunft?" Nach diesen Worten blieb er endgültig stumm und drückte mich noch fester an sich. Es sah so aus, als wolle er noch etwas sagen. Jedoch tat er es nicht. Weswegen ich es tat. Meine Gedanken aussprach, ohne nachzudenken. "Dieser Junge der mich hält. Oh Lord. Er verwirrt mich mit seiner Art so sehr. Er ist so einzigartig, so anders. Seitdem ich ihn das erste Mal gesehen hatte, weiß ich er ist was besonderes. Aber das ich hier einmal mit ihm sitzen würde hätte ich nie gedacht. Der Junge ohne Zukunft sollte nicht so denken. Er wird den Krebs besiegen. Ich weiß es und dann haben wir auch eine Zukunft. Wir zwei. Ich und der Maskenjunge." Er ließ mich los und ich drehte mich zu ihm um. Nun waren die Gedanken laut gesprochen worden und ich wollte seine Nähe mehr denn je. Es fühlte sich nicht mehr so an, als wäre es falsch seinen besten Freund zu lieben, oder es laut auszusprechen sich eine Zukunft mit ihm zu wünschen. Es klang sogar ziemlich toll. Ich lehnte meine Stirn an seiner an und schloss die Augen, während ich seinem Atem lauschte. Es war so still hier. Alles war stumm und wir wussten in diesem Moment, dass es mehr als nur Freundschaft zwischen uns war. Seine Lippen trafen auf meine. Meine Hände hielten seinen Kopf fest und zum ersten Mal war es offiziell mehr als nur freundschaftlich. "Alaska", hauchte er mir entgegen und schmunzelte dabei. "Ich hab mich in dich verliebt, ohne wirklich zu wissen wer du bist und wie du tickst. Das blutpumpende Teil in meinem Körper hat mir nur gesagt, dass du die eine für mich bist." Ich schüttelte meinen Kopf. "Das ist viel zu kitschig für dich." Er nickte. "Möglicherweise." "Den Spruch hab ich schon mal gehört." Er zog mich an der Taille noch näher zu sich und küsste mich ein weiteres Mal, bevor er Buchstaben aneinander setzte und Wörter sagte. "Aber er stimmt", hauchte er mir entgegen und wieder trafen unsere Lippen aufeinander und er hatte recht. "Carlo? Ich liebe dich."
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Der Maskenball (Cro Ff)
Romance"Wenn du aufhören würdest daran zu denken, würde es nicht mehr so schmerzen." "Das geht aber nicht. Ich kann nicht." . Ich hielt an der Vergangenheit fest, weil ich Angst vor der Zukunft hatte und die Mas...