[37]das

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Flashback

Ich saß vor dem Laptop und tippte Zeile um Zeile ein. Die Traurigkeit die mich währendessen prägte war dabei nicht zu übersehen. Tränen der Enttäuschung rollten meine Wange hinunter und leise schluchzte ich auf. "Was ist?", hörte ich seine raue Stimme fragen, gleichzeitig schoss mir der Geruch von Rauch in die Nase. Gekonnt ignorierte ich diesen Gestank, dass er rauchen würde daran hatte ich nie gedacht und ich wollte es gar nicht erst wahr haben und solange ich es nicht definitiv wusste, er es nicht zugab war doch noch alles gut. Oder? Er hatte mir doch versprochen es nicht zu tun. Es durfte nicht wahr sein und doch war ich mir so sicher, dass das die Wahrheit war. Mein Carlo rauchte. "Nichts", murmelte ich vor mich her und schloss den Laptop zur gleichen Zeit zu. Seine kalten Hände fanden Platz auf meinen Schultern und leicht massierte er sie. Ich lehnte meinen Kopf nach hinten in den Nacken und schloss meine Augen. Ich genoss seine Nähe und doch wusste ich das irgendetwas in der Luft lag und das nicht nur weil ich eine Absage bekommen hatte. Er verheimlichte mir ebenfalls etwas. "Die anderen kommen heute", flüsterte er mir ins Ohr und ließ es dabei so beiläufig wie nur möglich klingen. Wenn es das doch nur gewesen wäre. Seit wir umgezogen waren, dauerte es einige Stunden von Stuttgart bis zu uns zu gelangen. Aber anders ging es nun eben nicht. Ich brauchte diesen Job hier. Wir brauchten ihn. Ohne dieses Geld wären wir nicht durchgekommen. Nicht in tausenden Jahren. Ich hasste ihn zwar schon bevor ich damit wirklich begonnen hatte, aber ohne ihn ging es nun eben nicht. "Warum kommen sie?", fragte ich und griff nach seinen großen Händen. Sein Kopf platzierte er auf ihnen und lächelte leicht, wenn auch gequält. "Wegen deiner baldigen Beförderung?" Seine Aussage klang eher nach einer Frage als nach einer Aussage, die seine Worte darstellen sollten. Er log schon wieder. Aber warum tat er das? "Carlo sag schon was ist los? Diese Beförderung ist nichts was man feiern könnte. Sie nimmt uns nur mehr Zeit, die wir zu zweit haben könnten." Nach und nach entfernten sich seine Hände von meinen Schultern. Seine Schritte hallten ihm Raum nach, ein Satz sagte er noch und anschließend verschwand er aus unserer Wohnung.

"Ich kann es dir noch nicht sagen."

Er war so traurig gewesen und das machte mir Angst. Ich hatte so unglaubliche Angst um ihn. Um den Mann, den ich so sehr liebte. Was konnte er mir denn nicht sagen? Was war denn so wichtig?
Nach Minuten des still Sitzens öffnete ich meine Augen und stand auf. Räumte die Sachen die auf dem Tisch lagen weg, holte dann den Staubsauger aus der Kammer und anschließend putze ich den Boden feucht aus.

"Ich kann es dir noch nicht sagen."

Ich kniff meine Augen zusammen und ging in die Küche. Mit meinem Handy suchte ich ein Rezept für einen Kuchen heraus und fing an zu Backen. Ich backte einen Kuchen und bereitete kleine Snacks vor. Brötchen, Salzstangen, Chips, Cola, Schnaps, Jägermeister und Energiedrinks stellte ich auf den Tisch. Nicht weil ich mir immer so eine Mühe machte wenn unsere Freunde kamen, sondern einfach nur weil ich eine Ablenkung brauchte. Er war einfach gegangen. Das tat er in letzter Zeit so oft. Immer wieder ging er. Immer wieder zu der gleichen kleinen Brücke. Das war sein Lieblingsort. Dort fühlte er sich schwerelos und gesund. Dort auf dieser Brücke, die Meter vom Fluss entfernt war.
Die Klingel weckte mich aus meinem Tagtraum auf und erschrocken fuhr ich hoch. "Carlo?", flüsterte ich in die Stille und trat zur Türe. Doch durch den Spion sah ich nur unsere Freunde. Sie lächelten mir zu, winkten und hielten kleine Päckchen in ihren Händen. Das war alles nur wegen der Beförderung, die Carlo vorgab, feiern zu wollen.

Tief holte ich Luft und öffnete anschließend die Türe um allen lächelnd entgegen zu sehen. Ich musste furchtbar ausgesehen haben. Ihre Blicke sprachen Bände. "Hey, mir geht's gut", sagte ich so gut ich konnte, ohne dabei zu zittern. Doch schon schloss mich Aileen in ihre Arme. Sie fuhr mir über die Haare und in diesem Moment war ihnen klar, dass sie nicht hier waren um zu feiern. Warum sie aber dann trotzdem hier waren, konnte nicht einmal ich ihnen sagen.

"Ich kann es dir noch nicht sagen."

"Was ist denn los?", fragte Ben und sah mir dabei in die Augen, während Aileen mich immer noch nicht los ließ. Ich schluchzte leise auf und schüttelte meinen Kopf. Wenn ich das doch nur gewusst hätte. "Hattet ihr einen Streit?", fragte mich nun Lucca auch eine weitere Fragen, deren Antwort ich nicht kannte. Er war einfach gegangen. War das schon ein Streit gewesen? Was war das zwischen uns denn schon wieder gewesen? "Ich weiß es nicht", stotterte ich und kniff meine Augen zusammen um Aileen noch fester an mich zu drücken. Ich brauchte Halt bei irgendjemanden, doch egal wie fest ich sie drückte ich schien immer weiter zu fallen. "Komm wir gehen rein", meinte nun auch Stella und ging voraus in den Flur um vor den Foto von mir und Carlo stehen zu bleiben. Es war das erste Foto das wir geschossen hatten nachdem er keine Haare mehr hatte. Einen Tag davor hatte er einen Anfall gehabt und die Ärzte meinte es würde sich nur noch um Stunden handeln. Aber dann überlebte er doch. Es war wegen dem Kampfgeist den er hatte. Nun war er weggerannt vor seinen Problemen. Der Carlo aus dem Krankenhaus verschwand immer mehr. "Was ist denn passiert?", flüsterte Flo in den Raum, oder vielleicht schrie er auch, aber das Rauschen ließ alles um mich herum so leise erscheinen. Ich entfernte mich von Aileen und sah ihn an. "Er hat gemeint ihr würdet kommen und als ich fragte wieso hat er gemeint, dass er es mir noch nicht sagen kann und dann ist er gegangen. Schon wieder." Ich senkte meinen Blick und lief an ihnen vorbei in das Wohnzimmer um mich auf die Couch zu setzen und auf ein leeres Kuvert zu sehen. Es handelte sich alles um es, dessen war ich mir mehr als nur bewusst, aber was in ihm gewesen war konnte ich nicht sagen. Warum konnte er nicht Klartext sprechen?
Ben setzte sich neben mich hin und Tim setze sich auf die andere Seite von mir, Aileen setzte sich auf den Boden, neben sie setzte sich Stella, Luciana und Clara und Nadi quetschte sich an Bens Seite. Flo schlang seinen Arm um Aileen und Lucca blieb im Türrahmen stehen. Die Päckchen fanden ihren Platz auf den Tisch und das Rauschen wurde immer lauter, während ich ein Glas Schnaps nahm.

"Ihr seit ja alle schon da", hallte plötzlich Carlos Stimme im Raum nach und überrascht starrten ihn alle an. Meine Hand fing an zu zittern, worauf ich bemerkte wie Tim meine in seine nahm. Nur damit ich mich endlich beruhigte. "Wir sollten heute feiern und nicht mich dumm anstarren. Alaska wurde befördert", meinte er leicht angeheitert und lachte dabei. Ich befreite meine Hand aus Tims und stellte mich auf um Carlo um den Hals zu fallen und ihn zu küssen. Damals war ich einfach so froh gewesen, dass er wieder gekommen war. Aber irgendwann so war ich mir sicher, würde er nicht mehr zurück kommen und verdammt ich hatte so was von recht. "Kannst du es uns jetzt sagen", flüsterte ich ihm in sein Ohr und er nickte. Dann löste er sich von mir und sah die anderen unbeholfen an. Er hatte ja keinen Plan wie er hätte anfangen sollen. "Ich hab ne Idee!", schrie er dann durch den Raum und setze sich auf die Couch um mich später auf seinen Schoß zu ziehen. Leise Musik drang aus dem Radio und ließ die Stille, die für kurze Zeit entstanden war, erträglicher werden. "Jeder erzählt etwas was in seinem Leben gerade schief läuft und am Schluss bin ich dran. Dann klingt das alles was ich zu erzählen habe gar nicht mehr so schlimm." Sein Atem prickelte auf meiner Haut während er sprach und eine Gänsehaut zog sich über meinen Körper. Ich musste mich wirklich anstrengen um nicht durchzudrehen. Ich war in ihn verliebt und zwar genauso sehr wie am ersten Tag. "Ich hab mit meiner Freundin Schluss gemacht", platzte es unerwartet aus Lucca heraus, der sich immer noch nicht vom Türrahmen weg bewegt hatte. Er stand da so als wäre er eine Statue. Nicht einmal das Carlo an ihn vorbeigekommen war, hatte er bemerkt. "Was ist passiert?", fragte Stella interessiert. Doch weiter ging er auf das Thema nicht ein. "Wir können ja nachher darüber reden, wenn jeder etwas gesagt hat", hatte er nur gemeint. Dabei wollte er doch nur wissen, was Carlo uns nicht sagen wollte. Wie jeder andere in diesem Raum. "Ich bin durch eine Prüfung geflogen", sprach nun auch Stella ihren Kummer aus, worauf ich entsetzt aufschnaufte. Stella hatte normalerweise die besten Noten in ihrem Jahrgang und jetzt war sie durchgeflogen. Was war nur passiert? "Mein Lieblingsautor hat mir geschrieben, dass ich es nie zu etwas bringen werde", gestand nun auch ich. "Du hast zuvor ihm zurück geschrieben", fragte Carlo mich flüsternd worauf ich nur nickte. Ich war keine Autorin ich war lediglich in einer Marketingabteilung tätig. Ich hätte es nie zu etwas bringen können. "Ich wurde zuvor geblitzt", das waren Tims Worte und Lu meinte dass ihr das gleiche vor einer Woche passiert war. "Tut mir leid, aber ich habe nichts schlimmes erlebt"; gestand Clara, als niemand etwas sagte und lächelte schüchtern. Dann war es wieder Still bis sich Aileen äußerte und dabei Flos Hand fest drückte. "Ich hatte eine Fehlgeburt im zweiten Monat." Tränen spiegelten sich in ihren Augen wieder und erschrocken starrten sie alle an. Aber nur so lange bis sich Carlo endlich zu Wort meldete. Denn wir wollten ja erst nach dem alle etwas gesagt hatten darüber sprechen. "Ich hatte eine Nachuntersuchung. Der Krebs ist wieder da und dieses Mal ist er nicht behandelbar."

Der Maskenball (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt