Kapitel 8

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Wasser strömte an ihm herab wie Tränen.
Seine bleichen Haare, die ihm an der Stirn klebten,
schienen vollkommen farblos zu sein.
Er hob eine Hand und hielt sie in Jace Richtung, der ihm den Dolch 
mit der Spitze nach vorn entgegenstreckte. Sebastian strich mit der eigenen Hand 
über die kalte, scharfe Klinge und sofort quoll Blut aus einer langen Wunde in seiner Handfläche.
~City of Fallen Angels~

Ein ohrenbetäubender Lärm brach über unseren Köpfen herein.
Blitze durchzuckten den Nachthimmel, kurz darauf ertönte der Donnerschlag.
Ich zog meine Kapuze tiefer ins Gesicht, um mich wenigstens ein bisschen vor dem strömenden Regen zu schützen. 
Wir befanden uns in Dublin und ich versuchte Jonathan durch die Nacht zu folgen.
Er hatte mich vor weniger als einer halben Stunde mitten in der Nacht geweckt. 
Warum wollte er mir nicht sagen. 
Wieder erhellte ein Blitz die Umgebung. 
Skeptisch starrte ich auf die Schwerter von dem Blonden.
„Was würde passieren, wenn ein Blitz in dich einschlägt?“
„Hm?“, schreckte der Schattenjäger aus seinen Gedanken und drehte sich zu mir herum. 
Ich hatte fast schreien müssen, da der Regen und der Donner so laut war.
„Na ja das ganze Metall an dir? Du bist wie ein wandelnder Blitzableiter.“, wiederholte ich mich, hatte ihn nun eingeholt. 
„Er wird nicht in mich einschlagen.“, sagte er bestimmt und ausweichend. Wetten, er hatte selbst nicht einmal diesen Gedanken in Erwägung gezogen? 
„Hast du Angst?“, fragte er auf einmal. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, klar mir war etwas mulmig zu Mute, aber Angst hatte ich schon lange keine mehr. 
Okay das war auch gelogen, erst dieser Höllenhund und dann diese Elben, aber das zählte nicht. 
Er umfasste meinen Unterarm und zog mich weiter. 
„Wir sind gleich da, dann kannst du dich aufwärmen.“
Jetzt erst bemerkte ich das Zittern, welches durch mein Körper fuhr, mir war tatsächlich kalt. 

Wir erreichten eine alte Kirche. Eine ziemlich komische Kirche, gleich am Eisentor prangten einige dieser komischen Runen, die auch Jonathans helle Haut zierten. Aber auch am Gemäuer selbst waren sie in den Stein gehauen wurden. Das mit der Sekte, war dann doch gar nicht so abwegig, wie ich gedacht hatte.
Jonathan legte seine Hand aufs Tor, welches sich nach einigen Sekunden mit einem Quietschen öffnete.
Definitiv gruselig. 
Zitternd folgte ich dem Schattenjäger über den verschlammten Weg, überall hatten sich große Pfützen gebildet, wo der Regen Blasen drin schlug. 
Ein besonders heller Blitz ließ mich fasziniert in den Himmel blicken. 
„Komm beeil dich. Wir sind hier nicht erwünscht.“, drängte er mich kühl.
„Nicht erwünscht? Und warum hat sich dann das Tor geöffnet?“ 
Er antwortete nicht, natürlich nicht und ich stolperte ihm hastig hinter her. 
Als wir an der gusseisernen Tür ankamen, war ich sehr außer Atem, doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. Jonathan holte seinen komischen Stift, ähm Stele? hervor, welche sogleich aufleuchtete. 
Es sah schön aus, genauso wie sein Gesicht in dem Lichtschein.
Konzentriert malte er einer dieser Runen auf Tür, welche daraufhin ein Klicken von sich gab.

Ich sah nicht sehr viel. Er hielt einen lumineszierenden Stein in der Hand und in der Anderen eines seiner Schwerter. Nicht das Durchsichtige, sondern eines aus richtigem Metall. Wir durchquerten zahlreiche Korridore, an denen Wandteppiche hingen und erklommen die Treppenstufen aus Stein. Nach der zweiten Treppe, stützte ich mich nach Luft schnappend auf die Knie.
„Warum hast du mich mitgenommen?“, keuchte ich leise. Jonathan drehte sich zu mir herum und steckte sein Schwert in die Scheide. „Brauche jemanden der mir den Rücken deckt.“, meinte er schulterzuckend. Ich? Jemanden den Rücken decken? Das sollte wohl ein schlechter Scherz sein. Bevor ich etwas erwidern konnte schoben sich kurzerhand seine durchtrainierten Arme unter meine Knie und meinen Rücken.
Als würde ich nichts wiegen trug er mich die weiteren 4 Treppen nach Oben, immer noch in der linken Hand diesen leuchtenden Stein. 
Peinlich berührt starrte ich einfach auf seine Lederjacke, auf der einige Tropfen abperlten. 
Er setzte mich nicht ab, als wir oben angekommen waren, sondern trug mich weiter. Seine Körperwärme ging trotz der Kleidung auf mich über und mein Zittern nahm nach und nach ab.
Ich döste schon fast, als ich wieder auf meine eigenen Füße gestellt wurde.
Um mich herum konnte ich einige Bücherregale erkennen, der Raum war durch ein Kaminfeuer etwas erhellt. 
Jonathan schob mich zum Kamin und legte ein paar Holzscheite darauf, die daneben gestapelt lagen.

„Du bleibst hier, wenn jemand kommt, rufst du mich.“, murmelte er und verschwand dann zwischen den Bücherregalen mit dem leuchtenden Stein. Nachdenklich starrte ich in das knisternde Feuer.
Was er wohl suchte? 
Hatte jemand den Einbruch bemerkt?
Wo befanden wir uns eigentlich? 
Die Müdigkeit kroch weiter in meine Knochen und ich setzte mich einfach auf den abgetretenen Dielenboden. 
Wenn jemand kam, hatte ich eh keine Chance wegzurennen.
Jonathan war meine einzige Rettung, wieder einmal.
Keine Sekunde später tippte mir jemand auf die Schulter und ich hätte vor Schreck fast aufgeschrien.
Der Schattenjäger hatte einige Bücher unter dem Arm. 
„Das ging aber schnell.“, murmelte ich verwunderte und stand auf. Meine Glieder fühlten sich steif an. 
Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ich war eine halbe Stunde weg?“ 
Oh, verwundert blickte ich zum Kamin, stimmt, das Feuer war fast runter gebrannt, nur noch die dunkelrote Glut warf Licht in den Raum und natürlich Jonathans Stein. „Lass uns verschwinden.“ 
„Hast du keinen Rucksack?“, fragte ich und beäugte skeptisch den Stapel Bücher.
Allerdings erntete ich nur ein Schulterzucken.

Gähnend streckte ich mich und lauschte dem prasselnden Regen, welcher gegen die Fensterscheibe trommelte.
Auf der Bettseite von Jonathan brannte noch Licht und ich hörte das Rascheln der Buchseiten.
„Hier.“, meinte er mit rauer Stimme und legte mir ein Buch auf den Bauch.
Es war in rotes Leder gebunden und sah recht abgegriffen aus. ‚Codex‘, stand mit schnörkeliger Schrift auf dem Einband. Zaghaft klappte ich die erste Seite auf. 

Der 
Schattenjäger-
Codex

oder ein Leitfaden zu den Gesetzen
und Geschicken der Nephilim,
den Auserwählten des Engels Raziel

27. Auflage, 1990
Alicante, Idris

Blinzelnd blickte ich auf die Buchstaben, ein Buch über Schattenjäger?
Als ich den Blonden wieder ansah, war er in sein eigenes Buch so vertieft, als wäre nichts passiert.
Seine Haare hingen feucht in sein Gesicht und seine Armmuskeln bewegten sich jedes Mal, wenn er eine Seite umschlug. Ich betrachtete die schwarzen Runenmale, einige verblassten, wie ein altes Tattoo, andere waren schon zu silbernen Narben geworden. 
Nach einigen Minuten hatte ich im Glossar auf gut Glück, nach dem Wort Runen gesucht und tatsächlich mehrere Seitenangaben dazu gefunden. 
Neugierig geworden, blätterte ich zu den Seiten, welche alle schon vergilbt waren.
Auf einigen konnte ich sogar krakelige Randnotizen ausmachen. 
Obwohl ich eigentlich tot müde war, sog ich die Neuigkeiten auf, wie ein Schwamm. So konnte ich nun sagen, dass die Rune auf Jonathans Brust, eine sogenannte ‚Enkeli - Rune‘ war oder die, die er sich letztens aufgemalt hatte ‚Iratze‘ genannt wurde und Wunden heilte, außer Wunden, die mit Dämonengift versetzt worden waren. 

Jonathan

Ich vernahm das geschäftige Blättern neben mir und blickte immer mal wieder rüber zu der Braunhaarigen.
Schnell huschten ihre Augen über das Geschriebene und ich musste schmunzeln.
Auch wenn Zoey nicht schnell gehen konnte, so konnte sie umso schneller lesen. 
Ob es eine schlechte Idee gewesen war ihr das Buch zu geben?
Ich wusste es nicht. Im Allgemeinen war ich momentan ratlos und blätterte halbherzig durch die Bücher. 
Sämtliche Lektüre, die mit dem Thema ‚Zweites Gesicht‘ zu tun hatte, hatte ich mitgenommen.
In der Hoffnung auf... ja auf was eigentlich?
Auf eine perfekte Lösung auf mein Problem?
Lustlos überflog ich das Geschriebene.
Als ich das nächste Mal zu dem Mädchen blickte, waren ihre Augen geschlossen.
Das aufgeschlagene Buch war auf ihren Brustkorb gekippt, welcher sich ruhig hob und senkte, und ihre Finger umklammerten noch die Kanten des Einbands. 
Ich zog ihr das Buch aus den Händen und betrachtete die Zeichnungen der Runen. 
Es musste sie wirklich interessiert haben, was sich für Symbole auf meiner Haut befinden, denn sie hatte schon fast alle Seiten mit den Runenmalen durchgeblättert. Grinsend legte ich den Codex auf ihren Nachtschrank und packte dann mein Buch ebenfalls beiseite.
Mittlerweile war es 3 Uhr morgens und der Regen prasselte nur noch sehr leise an der Fensterscheibe.
Ich schaltete das Licht aus und drehte mich auf die Seite, nach einigen Minuten fand ich dann auch in den Schlaf.

Das zweite GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt