Kapitel 16

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"Guten Morgen." 
Clary wirbelte herum. Vor ihr stand ihr Bruder.
Er war geräuschlos aus seinem Zimmer gekommen, 
stand nun in der Mitte des Flures
und musterte sie mit einem schiefen Lächeln.
Offenbar hatte er gerade geduscht; 
seine feuchten Haare schimmerten silberhell, fast metallisch.
~City of Lost Souls~

Zoey 

In meinem Kopf drehte sich alles, meine Gedanken wirbelten rastlos durch die Gegend und schienen sich immer wieder ineinander zu verhaken, um dann von einer unsichtbaren Hand auseinander gerissen zu werden.
Deutlich spürte ich seine warmen muskulösen Arme um mich herum, jedoch konnte ich mich keinen Millimeter bewegen. Ich wollte weder von ihm abrücken, noch mich näher an ihn heran schmiegen. 
Es war als hätte mich die stundenlange Kälte hier unten zu einem Eisblock gefroren. 
„Wie interessant. Ich freue mich auf unser nächstes Treffen, Liebster.“, ertönte ihre glockenhelle Stimme. 
Ich hatte keine Ahnung was sie interessant fand, oder warum sie Jonathan Liebster nannte.
Doch ich spürte nur zu deutlich, wie der Schattenjäger sich verspannte. Wie seine Muskeln hart wurden und vermutlich seine schwarzen Augen, noch ein bisschen dunkler erschienen, auch wenn ich meinen Blick auf seine Lederjacke geheftet hatte. 
„Geleitet sie hinaus.“, herrschte die Frau die beiden Männer an.
Ich starrte angestrengt auf den Steinboden unter mir, als wir durch die Gänge liefen, meine Füße fühlten sich taub an und meine Handgelenke schmerzten von dem zu fest gezogenen Seil.
Jonathan war darauf Bedacht Abstand zu mir zu halten, seitdem Vorfall in diesem Raum. Jedoch blickte er immer wieder zu mir, als würde er sich Vergewissern, dass ich nicht zurückblieb. 
Einer der Typen lief vor uns und der Andere hinter uns. Der Letztere war der der meine Seile durchschnitten und mich grob gestoßen hatte. Ich traute mich nicht einen von ihnen anzusehen. 

Der Weg war schier endlos und wir hielten schlussendlich vor einem runden Durchgang an. Dieser schimmerte seltsam und das Schimmern wirkte als hätte es eine Art Konsistenz, ähnlich wie ein Portal. Mir war schwindelig und ich hasste mich dafür. Jedoch folgte ich Jonathan wortlos, ohne noch einmal die beiden Männer anzuschauen. Es war eisig und nass. Erst dachte ich, ich wäre nun vollends durch geknallt, aber dann begann ich zu schwimmen. Denn ich befand mich im Wasser. Es war nicht sonderlich tief und nach einigen Sekunden erreichte ich die Wasseroberfläche. Jedoch waren die Bewegungen anstrengend und ich pumpte nervös nach Luft. 
Der Mond stand tief. Es sah so aus, als würde er die Wasseroberfläche genau dort berühren, wo ich gerade aufgetaucht war. Es war seltsam schön und doch wirkte es gleichzeitig bedrohlich. Das kühle Licht, was der Mond aussendete, ließ Jonathans Haare silbern leuchten. Fasziniert beobachtete ich ihn, er schwamm auf mich zu und sah dabei aus, als hätte er nie etwas Anderes gemacht. Seltsam schön und ebenso bedrohlich, aber vor ihm hatte ich kurioserweise keine Angst.

„Zoey.“, seine Stimme drang leise zu meinen Ohren. Bevor er mich umfasste. „Geht es dir gut?“ 
Seine Frage riss mich aus meinen Gedanken und all die Empfindungen strömten auf mich ein. Meine Körper, der vor Kälte zitterte, meine Lungen, die rasselnd die Luft hinein sogen, meine Hände und Füßen die schmerzten, als hätte ich mich am Ofenblech verbrannt und dazu kamen all meine Gedanken.
Diese wirbelnden Gedanken über diese Männer, über die Frau und am meisten dachte ich an Jonathan. An seine Vergangenheit, an sein Verhalten, an seine Worte, die er in dem Taxi ausgesprochen hatte. 
„Nein.“, antworte ich ehrlich, so leise, dass ich es selbst kaum vernahm. 
Er zog mich auf seinen Rücken, als wäre ich ein kleines Kind und schwamm mit mir zum Ufer. Ich hatte keine Kraft um mich von ihm abzudrücken, scheinbar wollte ich das auch nicht. Meine Arme legten sich wie von selbst um seinen Hals und mit den Beinen zog ich mich näher um seine Mitte. 
Unfassbar schnell bewegten wir uns vorwärts. So als hätte Jonathan nicht mehrere Schwerter an seinem Körper geschnallt und mich überhaupt nicht auf den Rücken. 
Ich konzentrierte mich auf meinen Atem. Versuchte mich irgendwie zu entspannen und die Übelkeit einfach herunter zu schlucken. 

Das zweite GesichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt